Seele mit meinem Geist, und es mag wohl manches daraus entstehen, was keiner ahndet.
Ja Du schläfst! träumst Du? und ist es Dir wahr, was Du träumst? -- wie mir, wo ich zu Deinen Füßen sitze und sie im Schoos halte, und der Traum mir selbst die Zügel hält, daß ich nichts denke, als nur dies, daß ich in Deiner Nähe bin?
Liebster! Gestern war ich tief bewegt, und war sehnsüchtig; weil man viel über Dich gesprochen hat was nicht wahr ist, da ich Dich besser kenne. Durch das Gewebe Deiner Tage zieht sich ein Faden, der sie mit dem Überirdischen verbindet. Nicht durch jedes Da- sein schlingt sich ein solcher Faden, und jedes Dasein zerfällt ohne diesen.
Daß dein Dasein nicht zerfalle, sondern daß Alles ewige Wirklichkeit sei, das ist wonach ich verlange; Du der Du schön bist, und dessen Gebärden gleichfalls schön sind, weil sie Geist ausdrücken: Schönheit begreifen, heißt das nicht Dich lieben? -- und hat die Liebe nicht die Sehnsucht, daß Du ewig sein mögest? -- Was kann ich vor Dir, als nur Dein geistig Bild in mich aufne-
Seele mit meinem Geiſt, und es mag wohl manches daraus entſtehen, was keiner ahndet.
Ja Du ſchläfſt! träumſt Du? und iſt es Dir wahr, was Du träumſt? — wie mir, wo ich zu Deinen Füßen ſitze und ſie im Schoos halte, und der Traum mir ſelbſt die Zügel hält, daß ich nichts denke, als nur dies, daß ich in Deiner Nähe bin?
Liebſter! Geſtern war ich tief bewegt, und war ſehnſüchtig; weil man viel über Dich geſprochen hat was nicht wahr iſt, da ich Dich beſſer kenne. Durch das Gewebe Deiner Tage zieht ſich ein Faden, der ſie mit dem Überirdiſchen verbindet. Nicht durch jedes Da- ſein ſchlingt ſich ein ſolcher Faden, und jedes Daſein zerfällt ohne dieſen.
Daß dein Daſein nicht zerfalle, ſondern daß Alles ewige Wirklichkeit ſei, das iſt wonach ich verlange; Du der Du ſchön biſt, und deſſen Gebärden gleichfalls ſchön ſind, weil ſie Geiſt ausdrücken: Schönheit begreifen, heißt das nicht Dich lieben? — und hat die Liebe nicht die Sehnſucht, daß Du ewig ſein mögeſt? — Was kann ich vor Dir, als nur Dein geiſtig Bild in mich aufne-
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Seele mit meinem Geiſt, und es mag wohl manches
daraus entſtehen, was keiner ahndet.
Ja Du ſchläfſt! träumſt Du? und iſt es Dir wahr,
was Du träumſt? — wie mir, wo ich zu Deinen Füßen
ſitze und ſie im Schoos halte, und der Traum mir ſelbſt
die Zügel hält, daß ich nichts denke, als nur dies, daß
ich in Deiner Nähe bin?
Liebſter! Geſtern war ich tief bewegt, und war
ſehnſüchtig; weil man viel über Dich geſprochen hat
was nicht wahr iſt, da ich Dich beſſer kenne. Durch
das Gewebe Deiner Tage zieht ſich ein Faden, der ſie
mit dem Überirdiſchen verbindet. Nicht durch jedes Da-
ſein ſchlingt ſich ein ſolcher Faden, und jedes Daſein
zerfällt ohne dieſen.
Daß dein Daſein nicht zerfalle, ſondern daß Alles
ewige Wirklichkeit ſei, das iſt wonach ich verlange; Du
der Du ſchön biſt, und deſſen Gebärden gleichfalls ſchön
ſind, weil ſie Geiſt ausdrücken: Schönheit begreifen,
heißt das nicht Dich lieben? — und hat die Liebe nicht
die Sehnſucht, daß Du ewig ſein mögeſt? — Was kann
ich vor Dir, als nur Dein geiſtig Bild in mich aufne-
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/16>, abgerufen am 16.02.2025.
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