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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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fühl, dann greifen Leidenschaften brennend mit Gewalt
es an, so verzehrt sich's in sich selber. -- Die Augen
muß ich zumachen und darf nichts ansehen was mir
lieb ist. Ach! die kleinste Erinnerung macht mich er-
grimmen in sehnendem Zorn, und drum darf ich auch
nicht immer in Gedanken Dir nachgehen, weil ich zor-
nig werde und wild. -- Wenn ich die Hände ausstrecke
so ist's doch nur nach den leeren Wänden, wenn ich
spreche, so ist's doch nur in den Wind, und wenn ich
endlich Dir schreibe, so empört sich mein eigen Herz,
daß ich nicht die leichte Brücke von dreimal Tag und
Nacht überfliege und mich in süßester, der Liebe ewig
ersehnter Ruhe zu deinen Füßen lege.

Sag wie bist Du so mild, so reichlich gütig in Dei-
nem lieben Brief; mitten in dem hartgefrornen Winter,
sonnige Tage die mir das Blut warm machen; -- was
will ich mehr? -- Ach so lang ich nicht bei Dir bin
kein Seegen.

Ach ich möchte, so oft ich Dir wieder schreibe auch
wieder Dir sagen: wie und warum und alles; ich möchte
Dich hier auf den einzigen Weg leiten den ich einzig
will, damit es einzig sei, und ich nur einzig sei die so
Dich liebt und so von Dir erkannt wird.

Ob Liebe die größte Leidenschaft sei, und ob zu

2*

fühl, dann greifen Leidenſchaften brennend mit Gewalt
es an, ſo verzehrt ſich's in ſich ſelber. — Die Augen
muß ich zumachen und darf nichts anſehen was mir
lieb iſt. Ach! die kleinſte Erinnerung macht mich er-
grimmen in ſehnendem Zorn, und drum darf ich auch
nicht immer in Gedanken Dir nachgehen, weil ich zor-
nig werde und wild. — Wenn ich die Hände ausſtrecke
ſo iſt's doch nur nach den leeren Wänden, wenn ich
ſpreche, ſo iſt's doch nur in den Wind, und wenn ich
endlich Dir ſchreibe, ſo empört ſich mein eigen Herz,
daß ich nicht die leichte Brücke von dreimal Tag und
Nacht überfliege und mich in ſüßeſter, der Liebe ewig
erſehnter Ruhe zu deinen Füßen lege.

Sag wie biſt Du ſo mild, ſo reichlich gütig in Dei-
nem lieben Brief; mitten in dem hartgefrornen Winter,
ſonnige Tage die mir das Blut warm machen; — was
will ich mehr? — Ach ſo lang ich nicht bei Dir bin
kein Seegen.

Ach ich möchte, ſo oft ich Dir wieder ſchreibe auch
wieder Dir ſagen: wie und warum und alles; ich möchte
Dich hier auf den einzigen Weg leiten den ich einzig
will, damit es einzig ſei, und ich nur einzig ſei die ſo
Dich liebt und ſo von Dir erkannt wird.

Ob Liebe die größte Leidenſchaft ſei, und ob zu

2*
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[27/0037] fühl, dann greifen Leidenſchaften brennend mit Gewalt es an, ſo verzehrt ſich's in ſich ſelber. — Die Augen muß ich zumachen und darf nichts anſehen was mir lieb iſt. Ach! die kleinſte Erinnerung macht mich er- grimmen in ſehnendem Zorn, und drum darf ich auch nicht immer in Gedanken Dir nachgehen, weil ich zor- nig werde und wild. — Wenn ich die Hände ausſtrecke ſo iſt's doch nur nach den leeren Wänden, wenn ich ſpreche, ſo iſt's doch nur in den Wind, und wenn ich endlich Dir ſchreibe, ſo empört ſich mein eigen Herz, daß ich nicht die leichte Brücke von dreimal Tag und Nacht überfliege und mich in ſüßeſter, der Liebe ewig erſehnter Ruhe zu deinen Füßen lege. Sag wie biſt Du ſo mild, ſo reichlich gütig in Dei- nem lieben Brief; mitten in dem hartgefrornen Winter, ſonnige Tage die mir das Blut warm machen; — was will ich mehr? — Ach ſo lang ich nicht bei Dir bin kein Seegen. Ach ich möchte, ſo oft ich Dir wieder ſchreibe auch wieder Dir ſagen: wie und warum und alles; ich möchte Dich hier auf den einzigen Weg leiten den ich einzig will, damit es einzig ſei, und ich nur einzig ſei die ſo Dich liebt und ſo von Dir erkannt wird. Ob Liebe die größte Leidenſchaft ſei, und ob zu 2*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/37>, abgerufen am 30.04.2024.