sein mit leichtem Flugsand verscharren und es wird mich keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, -- und das bleibt wohl auch nur ein Traum? --
Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei- nen letzten Athemzug küssen dürfe, denn ich wollte gern Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren; ja Goethe! -- Zeiten die Ihr vorüber seid, wendet Euch am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier gehüllt.
Nein! Du kannst doch nicht sein was Du jetzt bist: hart und kalt wie Stein! -- Sei es immer für diese Welt, für diese verrinnende Zeiten, aber dort wo die Gewölke sich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un- ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufsteigen, wo Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruhest, nachdem Du das Werk Deiner Tage geschaffen, zum Leben geschaffen; da laß mich mit Dir sein um meiner Liebe willen, die mir von geschäftigen Geistern jener hö- heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil- den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tausend geschäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch nicht aus sich selber, dennoch einen köstlicheren Schatz in sich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.
ſein mit leichtem Flugſand verſcharren und es wird mich keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, — und das bleibt wohl auch nur ein Traum? —
Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei- nen letzten Athemzug küſſen dürfe, denn ich wollte gern Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren; ja Goethe! — Zeiten die Ihr vorüber ſeid, wendet Euch am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier gehüllt.
Nein! Du kannſt doch nicht ſein was Du jetzt biſt: hart und kalt wie Stein! — Sei es immer für dieſe Welt, für dieſe verrinnende Zeiten, aber dort wo die Gewölke ſich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un- ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufſteigen, wo Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruheſt, nachdem Du das Werk Deiner Tage geſchaffen, zum Leben geſchaffen; da laß mich mit Dir ſein um meiner Liebe willen, die mir von geſchäftigen Geiſtern jener hö- heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil- den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tauſend geſchäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch nicht aus ſich ſelber, dennoch einen köſtlicheren Schatz in ſich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0317"n="307"/>ſein mit leichtem Flugſand verſcharren und es wird mich<lb/>
keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, — und<lb/>
das bleibt wohl auch nur ein Traum? —</p><lb/><p>Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei-<lb/>
nen letzten Athemzug küſſen dürfe, denn ich wollte gern<lb/>
Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren;<lb/>
ja Goethe! — Zeiten die Ihr vorüber ſeid, wendet Euch<lb/>
am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr<lb/>
tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier<lb/>
gehüllt.</p><lb/><p>Nein! Du kannſt doch nicht ſein was Du jetzt biſt:<lb/>
hart und kalt wie Stein! — Sei es immer für dieſe<lb/>
Welt, für dieſe verrinnende Zeiten, aber dort wo die<lb/>
Gewölke ſich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un-<lb/>
ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufſteigen, wo<lb/>
Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruheſt,<lb/>
nachdem Du das Werk Deiner Tage geſchaffen, zum<lb/>
Leben geſchaffen; da laß mich mit Dir ſein um meiner<lb/>
Liebe willen, die mir von geſchäftigen Geiſtern jener hö-<lb/>
heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil-<lb/>
den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tauſend<lb/>
geſchäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch<lb/>
nicht aus ſich ſelber, dennoch einen köſtlicheren Schatz<lb/>
in ſich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[307/0317]
ſein mit leichtem Flugſand verſcharren und es wird mich
keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, — und
das bleibt wohl auch nur ein Traum? —
Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei-
nen letzten Athemzug küſſen dürfe, denn ich wollte gern
Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren;
ja Goethe! — Zeiten die Ihr vorüber ſeid, wendet Euch
am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr
tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier
gehüllt.
Nein! Du kannſt doch nicht ſein was Du jetzt biſt:
hart und kalt wie Stein! — Sei es immer für dieſe
Welt, für dieſe verrinnende Zeiten, aber dort wo die
Gewölke ſich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un-
ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufſteigen, wo
Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruheſt,
nachdem Du das Werk Deiner Tage geſchaffen, zum
Leben geſchaffen; da laß mich mit Dir ſein um meiner
Liebe willen, die mir von geſchäftigen Geiſtern jener hö-
heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil-
den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tauſend
geſchäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch
nicht aus ſich ſelber, dennoch einen köſtlicheren Schatz
in ſich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/317>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.