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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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sein mit leichtem Flugsand verscharren und es wird mich
keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, -- und
das bleibt wohl auch nur ein Traum? --

Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei-
nen letzten Athemzug küssen dürfe, denn ich wollte gern
Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren;
ja Goethe! -- Zeiten die Ihr vorüber seid, wendet Euch
am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr
tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier
gehüllt.

Nein! Du kannst doch nicht sein was Du jetzt bist:
hart und kalt wie Stein! -- Sei es immer für diese
Welt, für diese verrinnende Zeiten, aber dort wo die
Gewölke sich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un-
ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufsteigen, wo
Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruhest,
nachdem Du das Werk Deiner Tage geschaffen, zum
Leben geschaffen; da laß mich mit Dir sein um meiner
Liebe willen, die mir von geschäftigen Geistern jener hö-
heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil-
den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tausend
geschäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch
nicht aus sich selber, dennoch einen köstlicheren Schatz
in sich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.

ſein mit leichtem Flugſand verſcharren und es wird mich
keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, — und
das bleibt wohl auch nur ein Traum? —

Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei-
nen letzten Athemzug küſſen dürfe, denn ich wollte gern
Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren;
ja Goethe! — Zeiten die Ihr vorüber ſeid, wendet Euch
am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr
tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier
gehüllt.

Nein! Du kannſt doch nicht ſein was Du jetzt biſt:
hart und kalt wie Stein! — Sei es immer für dieſe
Welt, für dieſe verrinnende Zeiten, aber dort wo die
Gewölke ſich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un-
ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufſteigen, wo
Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruheſt,
nachdem Du das Werk Deiner Tage geſchaffen, zum
Leben geſchaffen; da laß mich mit Dir ſein um meiner
Liebe willen, die mir von geſchäftigen Geiſtern jener hö-
heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil-
den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tauſend
geſchäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch
nicht aus ſich ſelber, dennoch einen köſtlicheren Schatz
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[307/0317] ſein mit leichtem Flugſand verſcharren und es wird mich keine Stimme wieder erwecken außer der deinen, — und das bleibt wohl auch nur ein Traum? — Damals betete ich oft um das einzige, daß ich Dei- nen letzten Athemzug küſſen dürfe, denn ich wollte gern Deine auffliegende Seele mit meinen Lippen berühren; ja Goethe! — Zeiten die Ihr vorüber ſeid, wendet Euch am fernen Horizont noch einmal nach mir her, Ihr tragt das Bild meiner Jugendzeit in dichte Schleier gehüllt. Nein! Du kannſt doch nicht ſein was Du jetzt biſt: hart und kalt wie Stein! — Sei es immer für dieſe Welt, für dieſe verrinnende Zeiten, aber dort wo die Gewölke ſich in triumphirenden Fahnen aufrollen, un- ter denen Deine Lieder zu dem Thron aufſteigen, wo Du ihr Schöpfer, und Schöpfer Deiner Welt, ruheſt, nachdem Du das Werk Deiner Tage geſchaffen, zum Leben geſchaffen; da laß mich mit Dir ſein um meiner Liebe willen, die mir von geſchäftigen Geiſtern jener hö- heren Welt zugetragen ward, wie der Honig dem wil- den Fruchtbaum in den hohlen Stamm von tauſend geſchäftigen Bienen eingeimpft wird, der dann ob auch nicht aus ſich ſelber, dennoch einen köſtlicheren Schatz in ſich bewahrt als der Baum der edle Früchte trägt.

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/317>, abgerufen am 24.11.2024.