Ja die damalige Zeit ist jetzt ein Traum, der Blitz der Begeistrung hatte schnell Dein irdisch Gewand ver- zehrt und ich sah Dich wie Du bist ein Sohn der Schön- heit, jetzt ist's ein Traum.
Ich hatte mich selbst, ein ernstes stilles schauerliches Geheimniß Dir opfernd zu Füßen zu legen, still und tief verborgen wie der unreife Saame in seiner Hülle. An Dir an Deiner vergebenden Liebe sollte er reifen je- den unwillkührlichen Fehl, jede Sünde wollte ich einge- stehn, ich wollte sie wegsaugen aus Deinen Augen mit meinem thränenbeladenen Blick, mit meinem Lächeln; aus Deinem Bewußtsein mit der Gluth meines Herzens die Du nicht zum zweitenmal findest, -- aber dies al- les ist nun ein Traum.
Zehn Jahre der Einsamkeit haben sich über meinem Herzen aufgebaut, haben mich getrennt von dem Quell aus dem ich Leben schöpfte, keiner Worte hab ich mich seitdem wieder bedient, alles war versunken was ich ge- fühlt und geahnt hatte. Mein letzter Gedanke war: "Es wird wieder eine Zeit kommen in der ich sein werde, denn für diesmal haben sie meine Sinne begraben und mein Herz verhüllt."
Diese zukünftige Zeit, o Freund! schwebt über mir hin gleich den Winden der Wüste, die so manches Da-
Ja die damalige Zeit iſt jetzt ein Traum, der Blitz der Begeiſtrung hatte ſchnell Dein irdiſch Gewand ver- zehrt und ich ſah Dich wie Du biſt ein Sohn der Schön- heit, jetzt iſt's ein Traum.
Ich hatte mich ſelbſt, ein ernſtes ſtilles ſchauerliches Geheimniß Dir opfernd zu Füßen zu legen, ſtill und tief verborgen wie der unreife Saame in ſeiner Hülle. An Dir an Deiner vergebenden Liebe ſollte er reifen je- den unwillkührlichen Fehl, jede Sünde wollte ich einge- ſtehn, ich wollte ſie wegſaugen aus Deinen Augen mit meinem thränenbeladenen Blick, mit meinem Lächeln; aus Deinem Bewußtſein mit der Gluth meines Herzens die Du nicht zum zweitenmal findeſt, — aber dies al- les iſt nun ein Traum.
Zehn Jahre der Einſamkeit haben ſich über meinem Herzen aufgebaut, haben mich getrennt von dem Quell aus dem ich Leben ſchöpfte, keiner Worte hab ich mich ſeitdem wieder bedient, alles war verſunken was ich ge- fühlt und geahnt hatte. Mein letzter Gedanke war: „Es wird wieder eine Zeit kommen in der ich ſein werde, denn für diesmal haben ſie meine Sinne begraben und mein Herz verhüllt.“
Dieſe zukünftige Zeit, o Freund! ſchwebt über mir hin gleich den Winden der Wüſte, die ſo manches Da-
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Ja die damalige Zeit iſt jetzt ein Traum, der Blitz
der Begeiſtrung hatte ſchnell Dein irdiſch Gewand ver-
zehrt und ich ſah Dich wie Du biſt ein Sohn der Schön-
heit, jetzt iſt's ein Traum.
Ich hatte mich ſelbſt, ein ernſtes ſtilles ſchauerliches
Geheimniß Dir opfernd zu Füßen zu legen, ſtill und
tief verborgen wie der unreife Saame in ſeiner Hülle.
An Dir an Deiner vergebenden Liebe ſollte er reifen je-
den unwillkührlichen Fehl, jede Sünde wollte ich einge-
ſtehn, ich wollte ſie wegſaugen aus Deinen Augen mit
meinem thränenbeladenen Blick, mit meinem Lächeln;
aus Deinem Bewußtſein mit der Gluth meines Herzens
die Du nicht zum zweitenmal findeſt, — aber dies al-
les iſt nun ein Traum.
Zehn Jahre der Einſamkeit haben ſich über meinem
Herzen aufgebaut, haben mich getrennt von dem Quell
aus dem ich Leben ſchöpfte, keiner Worte hab ich mich
ſeitdem wieder bedient, alles war verſunken was ich ge-
fühlt und geahnt hatte. Mein letzter Gedanke war:
„Es wird wieder eine Zeit kommen in der ich ſein werde,
denn für diesmal haben ſie meine Sinne begraben und
mein Herz verhüllt.“
Dieſe zukünftige Zeit, o Freund! ſchwebt über mir
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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