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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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tet von Benjamin Constant, sie war als Corrina geklei-
det ein Turban von aurora- und orangefarbener Seide,
ein eben solches Gewand mit einer orangen Tunika, sehr
hoch gegürtet, so daß ihr Herz wenig Platz hatte, ihre
schwarzen Augenbraunen und Wimpern glänzten, ihre
Lippen auch von einem mystischen Roth; die Handschuh
waren herabgestreift und bedeckten nur die Hand, in der sie
das bekannte Lorbeerzweiglein hielt. Da das Zimmer,
worin sie erwartet war, so viel tiefer liegt, so mußte sie
vier Treppen herabsteigen. Unglücklicher Weise nahm
sie das Gewand vorne in die Höhe statt hinten; dies
gab der Feierlichkeit ihres Empfangs einen gewaltigen
Stoß, denn es sah wirklich einen Moment mehr als
komisch aus, wie diese ganz in orientalischem Ton über-
schwankende Gestalt, auf die steifen Damen der Tugend-
verschwornen Frankfurter Gesellschaft loßrückte. Die
Mutter warf mir einige couragierte Blicke zu, da man
sie einander präsentirte. Ich hatte mich in die Ferne
gestellt um die ganze Scene zu beobachten. Ich be-
merkte das Erstaunen der Stael über den wunderbaren
Putz und das Ansehen deiner Mutter, bei der sich ein
mächtiger Stolz entwickelte. Sie breitete mit der lin-
ken Hand ihr Gewand aus, mit der rechten salutirte sie
mit dem Fächer spielend, und indem sie das Haupt

tet von Benjamin Conſtant, ſie war als Corrina geklei-
det ein Turban von aurora- und orangefarbener Seide,
ein eben ſolches Gewand mit einer orangen Tunika, ſehr
hoch gegürtet, ſo daß ihr Herz wenig Platz hatte, ihre
ſchwarzen Augenbraunen und Wimpern glänzten, ihre
Lippen auch von einem myſtiſchen Roth; die Handſchuh
waren herabgeſtreift und bedeckten nur die Hand, in der ſie
das bekannte Lorbeerzweiglein hielt. Da das Zimmer,
worin ſie erwartet war, ſo viel tiefer liegt, ſo mußte ſie
vier Treppen herabſteigen. Unglücklicher Weiſe nahm
ſie das Gewand vorne in die Höhe ſtatt hinten; dies
gab der Feierlichkeit ihres Empfangs einen gewaltigen
Stoß, denn es ſah wirklich einen Moment mehr als
komiſch aus, wie dieſe ganz in orientaliſchem Ton über-
ſchwankende Geſtalt, auf die ſteifen Damen der Tugend-
verſchwornen Frankfurter Geſellſchaft loßrückte. Die
Mutter warf mir einige couragierte Blicke zu, da man
ſie einander präſentirte. Ich hatte mich in die Ferne
geſtellt um die ganze Scene zu beobachten. Ich be-
merkte das Erſtaunen der Staël über den wunderbaren
Putz und das Anſehen deiner Mutter, bei der ſich ein
mächtiger Stolz entwickelte. Sie breitete mit der lin-
ken Hand ihr Gewand aus, mit der rechten ſalutirte ſie
mit dem Fächer ſpielend, und indem ſie das Haupt

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[316/0348] tet von Benjamin Conſtant, ſie war als Corrina geklei- det ein Turban von aurora- und orangefarbener Seide, ein eben ſolches Gewand mit einer orangen Tunika, ſehr hoch gegürtet, ſo daß ihr Herz wenig Platz hatte, ihre ſchwarzen Augenbraunen und Wimpern glänzten, ihre Lippen auch von einem myſtiſchen Roth; die Handſchuh waren herabgeſtreift und bedeckten nur die Hand, in der ſie das bekannte Lorbeerzweiglein hielt. Da das Zimmer, worin ſie erwartet war, ſo viel tiefer liegt, ſo mußte ſie vier Treppen herabſteigen. Unglücklicher Weiſe nahm ſie das Gewand vorne in die Höhe ſtatt hinten; dies gab der Feierlichkeit ihres Empfangs einen gewaltigen Stoß, denn es ſah wirklich einen Moment mehr als komiſch aus, wie dieſe ganz in orientaliſchem Ton über- ſchwankende Geſtalt, auf die ſteifen Damen der Tugend- verſchwornen Frankfurter Geſellſchaft loßrückte. Die Mutter warf mir einige couragierte Blicke zu, da man ſie einander präſentirte. Ich hatte mich in die Ferne geſtellt um die ganze Scene zu beobachten. Ich be- merkte das Erſtaunen der Staël über den wunderbaren Putz und das Anſehen deiner Mutter, bei der ſich ein mächtiger Stolz entwickelte. Sie breitete mit der lin- ken Hand ihr Gewand aus, mit der rechten ſalutirte ſie mit dem Fächer ſpielend, und indem ſie das Haupt

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/348>, abgerufen am 23.11.2024.