ser über Musik demonstrirt hat mit seiner verpelzten Stimme, -- aber hättest Du heute Nacht mit mir dem fremden Schiffer zugehört, wie da die Töne unter sich einen feierlichen Reihgen tanzten; wie sie hinüber wall- ten an die Ufer, die Felsen anhauchten und der leise Wiederhall in tiefer Nacht so süß geweckt, träumerisch nachtönte; der Schiffer, wie er aus verschmachteter Pause wehmüthig aufseufzt, in hohen Tönen klagt, und auf- geregt in Verzweiflung, hallend ruft nach Unerreichba- rem, und dann mit erneuter Leidenschaft der Erinne- rung seinen Gesang weiht, in Perlenreihen weicher Töne den ganzen Schatz seines Glückes hinrollt; -- O und Ach! haucht, -- lauscht, -- schmetternd ruft; -- wieder lauscht -- und ohne Antwort endlich die Heerde sam- melt, in Vergessenheit die kleinen Lämmer zählt: eins, zwei, drei, und weg zieht vom verödeten Strand seines Lebens, der arme Schäfer. -- Ach wunderbare Vermitt- lung des Unaussprechlichen, was die Brust bedrängt; ach Musik! --
Ja hättest Du's mit angehört, mit eingestimmt; hät- test Du in die Geschicke mitgeseufzt, -- mitgeweint, -- und Begeistrung hätte Dich durchzückt, und mich, lieber Goethe, -- die ich auch dabei war, -- tief bewegt; -- mich hätte der Trost in deinen Armen ereilt.
ſer über Muſik demonſtrirt hat mit ſeiner verpelzten Stimme, — aber hätteſt Du heute Nacht mit mir dem fremden Schiffer zugehört, wie da die Töne unter ſich einen feierlichen Reihgen tanzten; wie ſie hinüber wall- ten an die Ufer, die Felſen anhauchten und der leiſe Wiederhall in tiefer Nacht ſo ſüß geweckt, träumeriſch nachtönte; der Schiffer, wie er aus verſchmachteter Pauſe wehmüthig aufſeufzt, in hohen Tönen klagt, und auf- geregt in Verzweiflung, hallend ruft nach Unerreichba- rem, und dann mit erneuter Leidenſchaft der Erinne- rung ſeinen Geſang weiht, in Perlenreihen weicher Töne den ganzen Schatz ſeines Glückes hinrollt; — O und Ach! haucht, — lauſcht, — ſchmetternd ruft; — wieder lauſcht — und ohne Antwort endlich die Heerde ſam- melt, in Vergeſſenheit die kleinen Lämmer zählt: eins, zwei, drei, und weg zieht vom verödeten Strand ſeines Lebens, der arme Schäfer. — Ach wunderbare Vermitt- lung des Unausſprechlichen, was die Bruſt bedrängt; ach Muſik! —
Ja hätteſt Du's mit angehört, mit eingeſtimmt; hät- teſt Du in die Geſchicke mitgeſeufzt, — mitgeweint, — und Begeiſtrung hätte Dich durchzückt, und mich, lieber Goethe, — die ich auch dabei war, — tief bewegt; — mich hätte der Troſt in deinen Armen ereilt.
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ſer über Muſik demonſtrirt hat mit ſeiner verpelzten
Stimme, — aber hätteſt Du heute Nacht mit mir dem
fremden Schiffer zugehört, wie da die Töne unter ſich
einen feierlichen Reihgen tanzten; wie ſie hinüber wall-
ten an die Ufer, die Felſen anhauchten und der leiſe
Wiederhall in tiefer Nacht ſo ſüß geweckt, träumeriſch
nachtönte; der Schiffer, wie er aus verſchmachteter Pauſe
wehmüthig aufſeufzt, in hohen Tönen klagt, und auf-
geregt in Verzweiflung, hallend ruft nach Unerreichba-
rem, und dann mit erneuter Leidenſchaft der Erinne-
rung ſeinen Geſang weiht, in Perlenreihen weicher Töne
den ganzen Schatz ſeines Glückes hinrollt; — O und
Ach! haucht, — lauſcht, — ſchmetternd ruft; — wieder
lauſcht — und ohne Antwort endlich die Heerde ſam-
melt, in Vergeſſenheit die kleinen Lämmer zählt: eins,
zwei, drei, und weg zieht vom verödeten Strand ſeines
Lebens, der arme Schäfer. — Ach wunderbare Vermitt-
lung des Unausſprechlichen, was die Bruſt bedrängt;
ach Muſik! —
Ja hätteſt Du's mit angehört, mit eingeſtimmt; hät-
teſt Du in die Geſchicke mitgeſeufzt, — mitgeweint, —
und Begeiſtrung hätte Dich durchzückt, und mich, lieber
Goethe, — die ich auch dabei war, — tief bewegt; —
mich hätte der Troſt in deinen Armen ereilt.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/292>, abgerufen am 22.11.2024.
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