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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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sich durchgearbeitet, es strahlt wieder Licht
in meinen Kopf und Luft zieht hindurch
und die Liebe soll wieder ein Feuer zünden,
daß uns nicht mehr friert. Ach Gott, was
hab' ich in diesen Tagen verbrochen. Laß
uns nicht feiern, sie werden mir nur wenig
Stunden noch schenken, wo ist mein Kind,
ich muß es küssen, weil ich noch frei bin;
was ist sterben? Starb' ich nicht schon ein¬
mal, als du mich verlassen und nun kommst
du wieder und dein Kommen giebt mir
mehr, als dein Scheiden mir nehmen konnte,
ein unendliches Gefühl meines Daseins, des¬
sen Augenblicke mir genügen. Nun lebte ich
gern mit dir und wäre deine Schuld noch
größer als meine Verzweiflung gewesen,
aber ich kenne das Kriegsgesetz und ich kann
nun Gottlob in Vernunft als ein reuiger
Christ sterben. -- Rosalie konnte in ihrer
Entzückung, von ihren Thränen fast er¬
stickt, kaum sagen, daß ihm verziehen, daß
sie ohne Schuld und ihr Kind nahe sey.
Sie verband seine Wunde in Eile, dann zog
sie ihn die Stufen hinunter bis hin zu dem

ſich durchgearbeitet, es ſtrahlt wieder Licht
in meinen Kopf und Luft zieht hindurch
und die Liebe ſoll wieder ein Feuer zünden,
daß uns nicht mehr friert. Ach Gott, was
hab' ich in dieſen Tagen verbrochen. Laß
uns nicht feiern, ſie werden mir nur wenig
Stunden noch ſchenken, wo iſt mein Kind,
ich muß es küſſen, weil ich noch frei bin;
was iſt ſterben? Starb' ich nicht ſchon ein¬
mal, als du mich verlaſſen und nun kommſt
du wieder und dein Kommen giebt mir
mehr, als dein Scheiden mir nehmen konnte,
ein unendliches Gefühl meines Daſeins, deſ¬
ſen Augenblicke mir genügen. Nun lebte ich
gern mit dir und wäre deine Schuld noch
größer als meine Verzweiflung geweſen,
aber ich kenne das Kriegsgeſetz und ich kann
nun Gottlob in Vernunft als ein reuiger
Chriſt ſterben. — Roſalie konnte in ihrer
Entzückung, von ihren Thränen faſt er¬
ſtickt, kaum ſagen, daß ihm verziehen, daß
ſie ohne Schuld und ihr Kind nahe ſey.
Sie verband ſeine Wunde in Eile, dann zog
ſie ihn die Stufen hinunter bis hin zu dem

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[120/0052] ſich durchgearbeitet, es ſtrahlt wieder Licht in meinen Kopf und Luft zieht hindurch und die Liebe ſoll wieder ein Feuer zünden, daß uns nicht mehr friert. Ach Gott, was hab' ich in dieſen Tagen verbrochen. Laß uns nicht feiern, ſie werden mir nur wenig Stunden noch ſchenken, wo iſt mein Kind, ich muß es küſſen, weil ich noch frei bin; was iſt ſterben? Starb' ich nicht ſchon ein¬ mal, als du mich verlaſſen und nun kommſt du wieder und dein Kommen giebt mir mehr, als dein Scheiden mir nehmen konnte, ein unendliches Gefühl meines Daſeins, deſ¬ ſen Augenblicke mir genügen. Nun lebte ich gern mit dir und wäre deine Schuld noch größer als meine Verzweiflung geweſen, aber ich kenne das Kriegsgeſetz und ich kann nun Gottlob in Vernunft als ein reuiger Chriſt ſterben. — Roſalie konnte in ihrer Entzückung, von ihren Thränen faſt er¬ ſtickt, kaum ſagen, daß ihm verziehen, daß ſie ohne Schuld und ihr Kind nahe ſey. Sie verband ſeine Wunde in Eile, dann zog ſie ihn die Stufen hinunter bis hin zu dem

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/52>, abgerufen am 27.11.2024.