Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

Bild:
<< vorherige Seite

g[e]be nach, weil aller Verkehr gestört sey,
und endlich Hungersnoth ausbrechen könne.
Er werde den Eingang stürmen, während
ein andrer Theil von der andern Seite heim¬
lich anzuklettern suche, so daß diese vielleicht
früher ihrem Manne in den Rücken kämen, ehe
er nach dem Pulverthurm springen könne; es
werde Menschen kosten, der Ausgang sey
ungewiß, aber er wolle den Schimpf von
sich ablenken daß durch seine Feigheit ein
toller Mensch zu dem Dünkel gekommen:
einer ganzen Stadt zu trotzen, das größte
Unglück sei ihm lieber, als dieser Verdacht,
er habe seine Angelegenheiten mit der Welt
und vor Gott zu ordnen gesucht, Rosalie
und ihr Kind würden sich in seinem Testa¬
mente nicht vergessen finden. Rosalie fiel
ihm zu Füßen und fragte: was denn das
Schicksal ihres Mannes sey, wenn er im
Sturme gefangen würde? Der Kommandant
wendete sich ab und sagte leise: der Tod un¬
ausbleiblich, auf Wahnsinn würde von kei¬
nem Kriegsgerichte erkannt werden, es ist
zu viel Einsicht, Vorsicht und Klugheit in

IV. [8]

g[e]be nach, weil aller Verkehr geſtört ſey,
und endlich Hungersnoth ausbrechen könne.
Er werde den Eingang ſtürmen, während
ein andrer Theil von der andern Seite heim¬
lich anzuklettern ſuche, ſo daß dieſe vielleicht
früher ihrem Manne in den Rücken kämen, ehe
er nach dem Pulverthurm ſpringen könne; es
werde Menſchen koſten, der Ausgang ſey
ungewiß, aber er wolle den Schimpf von
ſich ablenken daß durch ſeine Feigheit ein
toller Menſch zu dem Dünkel gekommen:
einer ganzen Stadt zu trotzen, das größte
Unglück ſei ihm lieber, als dieſer Verdacht,
er habe ſeine Angelegenheiten mit der Welt
und vor Gott zu ordnen geſucht, Roſalie
und ihr Kind würden ſich in ſeinem Teſta¬
mente nicht vergeſſen finden. Roſalie fiel
ihm zu Füßen und fragte: was denn das
Schickſal ihres Mannes ſey, wenn er im
Sturme gefangen würde? Der Kommandant
wendete ſich ab und ſagte leiſe: der Tod un¬
ausbleiblich, auf Wahnſinn würde von kei¬
nem Kriegsgerichte erkannt werden, es iſt
zu viel Einſicht, Vorſicht und Klugheit in

IV. [8]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="113"/>
g<supplied>e</supplied>be nach, weil aller Verkehr ge&#x017F;tört &#x017F;ey,<lb/>
und endlich Hungersnoth ausbrechen könne.<lb/>
Er werde den Eingang &#x017F;türmen, während<lb/>
ein andrer Theil von der andern Seite heim¬<lb/>
lich anzuklettern &#x017F;uche, &#x017F;o daß die&#x017F;e vielleicht<lb/>
früher ihrem Manne in den Rücken kämen, ehe<lb/>
er nach dem <choice><sic>Pnlverthurm</sic><corr>Pulverthurm</corr></choice> &#x017F;pringen könne; es<lb/>
werde Men&#x017F;chen ko&#x017F;ten, der Ausgang &#x017F;ey<lb/>
ungewiß, aber er wolle den Schimpf von<lb/>
&#x017F;ich ablenken daß durch &#x017F;eine Feigheit ein<lb/>
toller Men&#x017F;ch zu dem Dünkel gekommen:<lb/>
einer ganzen Stadt zu trotzen, das größte<lb/>
Unglück &#x017F;ei ihm lieber, als die&#x017F;er Verdacht,<lb/>
er habe &#x017F;eine Angelegenheiten mit der Welt<lb/>
und vor Gott zu ordnen ge&#x017F;ucht, Ro&#x017F;alie<lb/>
und ihr Kind würden &#x017F;ich in &#x017F;einem Te&#x017F;ta¬<lb/>
mente nicht verge&#x017F;&#x017F;en finden. Ro&#x017F;alie fiel<lb/>
ihm zu Füßen und fragte: was denn das<lb/>
Schick&#x017F;al ihres Mannes &#x017F;ey, wenn er im<lb/>
Sturme gefangen würde? Der Kommandant<lb/>
wendete &#x017F;ich ab und &#x017F;agte lei&#x017F;e: der Tod un¬<lb/>
ausbleiblich, auf Wahn&#x017F;inn würde von kei¬<lb/>
nem Kriegsgerichte erkannt werden, es i&#x017F;t<lb/>
zu viel Ein&#x017F;icht, Vor&#x017F;icht und Klugheit in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">IV. [8]<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0045] gebe nach, weil aller Verkehr geſtört ſey, und endlich Hungersnoth ausbrechen könne. Er werde den Eingang ſtürmen, während ein andrer Theil von der andern Seite heim¬ lich anzuklettern ſuche, ſo daß dieſe vielleicht früher ihrem Manne in den Rücken kämen, ehe er nach dem Pulverthurm ſpringen könne; es werde Menſchen koſten, der Ausgang ſey ungewiß, aber er wolle den Schimpf von ſich ablenken daß durch ſeine Feigheit ein toller Menſch zu dem Dünkel gekommen: einer ganzen Stadt zu trotzen, das größte Unglück ſei ihm lieber, als dieſer Verdacht, er habe ſeine Angelegenheiten mit der Welt und vor Gott zu ordnen geſucht, Roſalie und ihr Kind würden ſich in ſeinem Teſta¬ mente nicht vergeſſen finden. Roſalie fiel ihm zu Füßen und fragte: was denn das Schickſal ihres Mannes ſey, wenn er im Sturme gefangen würde? Der Kommandant wendete ſich ab und ſagte leiſe: der Tod un¬ ausbleiblich, auf Wahnſinn würde von kei¬ nem Kriegsgerichte erkannt werden, es iſt zu viel Einſicht, Vorſicht und Klugheit in IV. [8]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Achim von Arnims Erzählung „Der tolle Invalide au… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/45
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/45>, abgerufen am 28.03.2024.