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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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konnte ich kaum überleben. Diese innere
Qual, vielleicht auch die angestrengte Ar¬
beit zerrüttete endlich meinen Körper, heftige
Krämpfe, die ich ihm verheimlichte, drohten
mich zu ersticken, und Arzeneien schienen
diese Uebel nur zu mehren. Kaum war er
hergestellt, so wurde die Hochzeit von ihm
angeordnet. Ein alter Geistlicher hielt eine
feierliche Rede, in der er meinem Francoeur
alles ans Herz legte, was ich für ihn ge¬
than, wie ich ihm Vaterland, Wohlstand
und Freundschaft zum Opfer gebracht, selbst
den mütterlichen Fluch auf mich geladen, alle
diese Noth müsse er mit mir theilen, alles
Unglück gemeinsam tragen. Meinem Manne
schauderte bei den Worten, aber er sprach
doch ein vernehmliches Ja, und wir wurden
vermählt. Selig waren die ersten Wochen,
ich fühlte mich zur Hälfte von meinen Lei¬
den erleichtert und ahnete nicht gleich, daß
eine Hälfte des Fluchs zu meinem Manne
übergegangen sei. Bald aber klagte er, daß
jener Prediger in seinem schwarzen Kleide
ihm immer vor Augen stehe und ihm drohe,

konnte ich kaum überleben. Dieſe innere
Qual, vielleicht auch die angeſtrengte Ar¬
beit zerrüttete endlich meinen Körper, heftige
Krämpfe, die ich ihm verheimlichte, drohten
mich zu erſticken, und Arzeneien ſchienen
dieſe Uebel nur zu mehren. Kaum war er
hergeſtellt, ſo wurde die Hochzeit von ihm
angeordnet. Ein alter Geiſtlicher hielt eine
feierliche Rede, in der er meinem Francoeur
alles ans Herz legte, was ich für ihn ge¬
than, wie ich ihm Vaterland, Wohlſtand
und Freundſchaft zum Opfer gebracht, ſelbſt
den mütterlichen Fluch auf mich geladen, alle
dieſe Noth müſſe er mit mir theilen, alles
Unglück gemeinſam tragen. Meinem Manne
ſchauderte bei den Worten, aber er ſprach
doch ein vernehmliches Ja, und wir wurden
vermählt. Selig waren die erſten Wochen,
ich fühlte mich zur Hälfte von meinen Lei¬
den erleichtert und ahnete nicht gleich, daß
eine Hälfte des Fluchs zu meinem Manne
übergegangen ſei. Bald aber klagte er, daß
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[86/0018] konnte ich kaum überleben. Dieſe innere Qual, vielleicht auch die angeſtrengte Ar¬ beit zerrüttete endlich meinen Körper, heftige Krämpfe, die ich ihm verheimlichte, drohten mich zu erſticken, und Arzeneien ſchienen dieſe Uebel nur zu mehren. Kaum war er hergeſtellt, ſo wurde die Hochzeit von ihm angeordnet. Ein alter Geiſtlicher hielt eine feierliche Rede, in der er meinem Francoeur alles ans Herz legte, was ich für ihn ge¬ than, wie ich ihm Vaterland, Wohlſtand und Freundſchaft zum Opfer gebracht, ſelbſt den mütterlichen Fluch auf mich geladen, alle dieſe Noth müſſe er mit mir theilen, alles Unglück gemeinſam tragen. Meinem Manne ſchauderte bei den Worten, aber er ſprach doch ein vernehmliches Ja, und wir wurden vermählt. Selig waren die erſten Wochen, ich fühlte mich zur Hälfte von meinen Lei¬ den erleichtert und ahnete nicht gleich, daß eine Hälfte des Fluchs zu meinem Manne übergegangen ſei. Bald aber klagte er, daß jener Prediger in ſeinem ſchwarzen Kleide ihm immer vor Augen ſtehe und ihm drohe,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/18>, abgerufen am 29.03.2024.