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Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124.

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bens, ich sah ihn immer eifriger an, weil
er behauptete, daß es ihm wohlthue und als
er mir endlich einen kleinen Ring an den
Finger steckte, fühlte ich mich so reich, wie
ich noch niemals gewesen. In diese glück¬
liche Stille trat meine Mutter scheltend und
fluchend ein; ich kann nicht nachsagen, wie
sie mich nannte, ich schämte mich auch nicht,
denn ich wußte, daß ich schuldlos war und
daß er Böses nicht glauben würde. Sie
wollte mich fortreissen, aber er hielt mich
fest und sagte ihr: daß wir verlobt wären,
ich trüge schon seinen Ring. Wie verzog sich
das Gesicht meiner Mutter; mir wars, als
ob eine Flamme aus ihrem Halse brenne,
und ihre Augen kehrte sie in sich, sie sahen
ganz weiß aus; sie verfluchte mich und über¬
gab mich mit feierlicher Rede dem Teufel.
Und wie so ein heller Schein durch meine
Augen am Morgen gelaufen, als ich Fran¬
coeur gesehen, so war mir jetzt als ob eine
schwarze Fledermaus ihre durchsichtigen Flü¬
geldecken über meine Augen legte; die Welt
war mir halb verschlossen, und ich gehörte

bens, ich ſah ihn immer eifriger an, weil
er behauptete, daß es ihm wohlthue und als
er mir endlich einen kleinen Ring an den
Finger ſteckte, fühlte ich mich ſo reich, wie
ich noch niemals geweſen. In dieſe glück¬
liche Stille trat meine Mutter ſcheltend und
fluchend ein; ich kann nicht nachſagen, wie
ſie mich nannte, ich ſchämte mich auch nicht,
denn ich wußte, daß ich ſchuldlos war und
daß er Böſes nicht glauben würde. Sie
wollte mich fortreiſſen, aber er hielt mich
feſt und ſagte ihr: daß wir verlobt wären,
ich trüge ſchon ſeinen Ring. Wie verzog ſich
das Geſicht meiner Mutter; mir wars, als
ob eine Flamme aus ihrem Halſe brenne,
und ihre Augen kehrte ſie in ſich, ſie ſahen
ganz weiß aus; ſie verfluchte mich und über¬
gab mich mit feierlicher Rede dem Teufel.
Und wie ſo ein heller Schein durch meine
Augen am Morgen gelaufen, als ich Fran¬
coeur geſehen, ſo war mir jetzt als ob eine
ſchwarze Fledermaus ihre durchſichtigen Flü¬
geldecken über meine Augen legte; die Welt
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[83/0015] bens, ich ſah ihn immer eifriger an, weil er behauptete, daß es ihm wohlthue und als er mir endlich einen kleinen Ring an den Finger ſteckte, fühlte ich mich ſo reich, wie ich noch niemals geweſen. In dieſe glück¬ liche Stille trat meine Mutter ſcheltend und fluchend ein; ich kann nicht nachſagen, wie ſie mich nannte, ich ſchämte mich auch nicht, denn ich wußte, daß ich ſchuldlos war und daß er Böſes nicht glauben würde. Sie wollte mich fortreiſſen, aber er hielt mich feſt und ſagte ihr: daß wir verlobt wären, ich trüge ſchon ſeinen Ring. Wie verzog ſich das Geſicht meiner Mutter; mir wars, als ob eine Flamme aus ihrem Halſe brenne, und ihre Augen kehrte ſie in ſich, ſie ſahen ganz weiß aus; ſie verfluchte mich und über¬ gab mich mit feierlicher Rede dem Teufel. Und wie ſo ein heller Schein durch meine Augen am Morgen gelaufen, als ich Fran¬ coeur geſehen, ſo war mir jetzt als ob eine ſchwarze Fledermaus ihre durchſichtigen Flü¬ geldecken über meine Augen legte; die Welt war mir halb verſchloſſen, und ich gehörte

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Gaben der Milde. Bd. 4. Berlin, 1818, S. 75-124, hier S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnima_invalide_1818/15>, abgerufen am 19.04.2024.