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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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ihren Winter hinein blühen, wenn ihnen so der Sinn für das
Große eines Volks aufgehen sollte und für sein Bedürfniß,
darum sind eigentlich die Künstler aller Art der Welt so über-
flüßig, wie sie gegenseitig ärmlich, zufrieden, wenn einer sie
versteht unter tausenden, glücklich, wenn dieser eine keinen
Ueberdruß an ihnen erlebt: Mag nur keine neue Völkerwande-
rung kommen, was würde von dem allen bleiben, -- sicher kei-
ne Arbenische Ruinen!

Wir ahnden es schon hier, was wir in unsrer Geschichte
nachgehend so allgemein durchgreifend fanden, es wird wohl ein
sehr allgemeines Verhältniß zur früheren Geschichte ihm Grund
legen. Denken wir dem nach, auf dem dunklen schwankenden
Schiffe der Gedanken, sehen wir uns um nach den Wunder-
blumen, nach den Wasserlilien, was die fernen Küsten umgab,
da sehen wir nur eine Stelle erleuchtet, dahin sieht des Steuer-
manns Auge, es ist die Windrose, sie schwebet fest und wandel-
los und führt uns wohl weit weg! Die Erde ist umschifft, wir
haben kein heimliches Grauen mehr vor dem Weltende, es liegt
fest und sicher vor uns, wie unser Tod, es ist in aller Welt ein
Verbinden getrennter Elemente, welche die innere Kraft jedes
Einzelnen schwächt, nur mit höchster Anstrengung jedes Einzel-
nen glücklich beendigt werden kann. -- Vielleicht mag dies blos
allgemein seyn, und darum gar nichts, aber so ist der Ueber-
gang immer von sich zur Welt, ich will ihn wenigstens nicht
verschweigen, vielleicht daß einer ihn mit mir fand. -- Zunächst
hängt wohl dieses Herabsinken schönerer Bildung mit einer all-
gemeinen großen Erscheinung der vorigen Jahrhunderte zusam-
men, ich meine mit dem allgemeinen Klage- und Elend-Wesen.
Dieses sonderbare Bewustseyn, wie ein Träumender läst es das
Glück aus der Hand fallen, weil ihm träumet, es falle, er müsse
darnach greifen und nun hält es Glück und Traum für nichts,

ihren Winter hinein bluͤhen, wenn ihnen ſo der Sinn fuͤr das
Große eines Volks aufgehen ſollte und fuͤr ſein Beduͤrfniß,
darum ſind eigentlich die Kuͤnſtler aller Art der Welt ſo uͤber-
fluͤßig, wie ſie gegenſeitig aͤrmlich, zufrieden, wenn einer ſie
verſteht unter tauſenden, gluͤcklich, wenn dieſer eine keinen
Ueberdruß an ihnen erlebt: Mag nur keine neue Voͤlkerwande-
rung kommen, was wuͤrde von dem allen bleiben, — ſicher kei-
ne Arbeniſche Ruinen!

Wir ahnden es ſchon hier, was wir in unſrer Geſchichte
nachgehend ſo allgemein durchgreifend fanden, es wird wohl ein
ſehr allgemeines Verhaͤltniß zur fruͤheren Geſchichte ihm Grund
legen. Denken wir dem nach, auf dem dunklen ſchwankenden
Schiffe der Gedanken, ſehen wir uns um nach den Wunder-
blumen, nach den Waſſerlilien, was die fernen Kuͤſten umgab,
da ſehen wir nur eine Stelle erleuchtet, dahin ſieht des Steuer-
manns Auge, es iſt die Windroſe, ſie ſchwebet feſt und wandel-
los und fuͤhrt uns wohl weit weg! Die Erde iſt umſchifft, wir
haben kein heimliches Grauen mehr vor dem Weltende, es liegt
feſt und ſicher vor uns, wie unſer Tod, es iſt in aller Welt ein
Verbinden getrennter Elemente, welche die innere Kraft jedes
Einzelnen ſchwaͤcht, nur mit hoͤchſter Anſtrengung jedes Einzel-
nen gluͤcklich beendigt werden kann. — Vielleicht mag dies blos
allgemein ſeyn, und darum gar nichts, aber ſo iſt der Ueber-
gang immer von ſich zur Welt, ich will ihn wenigſtens nicht
verſchweigen, vielleicht daß einer ihn mit mir fand. — Zunaͤchſt
haͤngt wohl dieſes Herabſinken ſchoͤnerer Bildung mit einer all-
gemeinen großen Erſcheinung der vorigen Jahrhunderte zuſam-
men, ich meine mit dem allgemeinen Klage- und Elend-Weſen.
Dieſes ſonderbare Bewuſtſeyn, wie ein Traͤumender laͤſt es das
Gluͤck aus der Hand fallen, weil ihm traͤumet, es falle, er muͤſſe
darnach greifen und nun haͤlt es Gluͤck und Traum fuͤr nichts,

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[434[444]/0453] ihren Winter hinein bluͤhen, wenn ihnen ſo der Sinn fuͤr das Große eines Volks aufgehen ſollte und fuͤr ſein Beduͤrfniß, darum ſind eigentlich die Kuͤnſtler aller Art der Welt ſo uͤber- fluͤßig, wie ſie gegenſeitig aͤrmlich, zufrieden, wenn einer ſie verſteht unter tauſenden, gluͤcklich, wenn dieſer eine keinen Ueberdruß an ihnen erlebt: Mag nur keine neue Voͤlkerwande- rung kommen, was wuͤrde von dem allen bleiben, — ſicher kei- ne Arbeniſche Ruinen! Wir ahnden es ſchon hier, was wir in unſrer Geſchichte nachgehend ſo allgemein durchgreifend fanden, es wird wohl ein ſehr allgemeines Verhaͤltniß zur fruͤheren Geſchichte ihm Grund legen. Denken wir dem nach, auf dem dunklen ſchwankenden Schiffe der Gedanken, ſehen wir uns um nach den Wunder- blumen, nach den Waſſerlilien, was die fernen Kuͤſten umgab, da ſehen wir nur eine Stelle erleuchtet, dahin ſieht des Steuer- manns Auge, es iſt die Windroſe, ſie ſchwebet feſt und wandel- los und fuͤhrt uns wohl weit weg! Die Erde iſt umſchifft, wir haben kein heimliches Grauen mehr vor dem Weltende, es liegt feſt und ſicher vor uns, wie unſer Tod, es iſt in aller Welt ein Verbinden getrennter Elemente, welche die innere Kraft jedes Einzelnen ſchwaͤcht, nur mit hoͤchſter Anſtrengung jedes Einzel- nen gluͤcklich beendigt werden kann. — Vielleicht mag dies blos allgemein ſeyn, und darum gar nichts, aber ſo iſt der Ueber- gang immer von ſich zur Welt, ich will ihn wenigſtens nicht verſchweigen, vielleicht daß einer ihn mit mir fand. — Zunaͤchſt haͤngt wohl dieſes Herabſinken ſchoͤnerer Bildung mit einer all- gemeinen großen Erſcheinung der vorigen Jahrhunderte zuſam- men, ich meine mit dem allgemeinen Klage- und Elend-Weſen. Dieſes ſonderbare Bewuſtſeyn, wie ein Traͤumender laͤſt es das Gluͤck aus der Hand fallen, weil ihm traͤumet, es falle, er muͤſſe darnach greifen und nun haͤlt es Gluͤck und Traum fuͤr nichts,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 434[444]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/453>, abgerufen am 22.11.2024.