"Es nahet warlich nach der Zeit, "Daß ich von dir muß in die Weit, "In Schwarz will ich mich kleiden."
Der Wächter sah am Firmament, Daß sich die Nacht wollt enden: "Ein scharfer Wind von Orient, "Thut uns den Tag hersenden, "Die Hähnlein krähen auf dem Hag, "Die Hündlein wollen jagen, "Die Nachtigal sizt auf dem Zweig "Singt uns eine süße Melodei, "Steht auf es will nun Tagen."
Aus süßem Schlaf da ward erweckt, Ein Fräulein minniglichen: "Ach wie so sehr hat mich erschreckt, "Ein Wunder tugendlichen, "Der Ehren Gunst, der Liebe Kunst, "Die Stern sind abgewichen, "Nun scheid von mir, mein höchster Hort, "Red' vor mit mir ein freundlich Wort, "Der Tag hat uns erschlichen."
"Ach und auch Weh, klagt sich ein Held, "Wie soll ichs überwinden; "Dazu noch wie einm schönen Weib, "Ich muß den Tag verkünden." Gar sehr erschrack die Auserwählt, Nahm Urlaub von dem Reinen,
„Es nahet warlich nach der Zeit, „Daß ich von dir muß in die Weit, „In Schwarz will ich mich kleiden.“
Der Waͤchter ſah am Firmament, Daß ſich die Nacht wollt enden: „Ein ſcharfer Wind von Orient, „Thut uns den Tag herſenden, „Die Haͤhnlein kraͤhen auf dem Hag, „Die Huͤndlein wollen jagen, „Die Nachtigal ſizt auf dem Zweig „Singt uns eine ſuͤße Melodei, „Steht auf es will nun Tagen.“
Aus ſuͤßem Schlaf da ward erweckt, Ein Fraͤulein minniglichen: „Ach wie ſo ſehr hat mich erſchreckt, „Ein Wunder tugendlichen, „Der Ehren Gunſt, der Liebe Kunſt, „Die Stern ſind abgewichen, „Nun ſcheid von mir, mein hoͤchſter Hort, „Red' vor mit mir ein freundlich Wort, „Der Tag hat uns erſchlichen.“
„Ach und auch Weh, klagt ſich ein Held, „Wie ſoll ichs uͤberwinden; „Dazu noch wie einm ſchoͤnen Weib, „Ich muß den Tag verkuͤnden.“ Gar ſehr erſchrack die Auserwaͤhlt, Nahm Urlaub von dem Reinen,
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[394[404]/0413]
„Es nahet warlich nach der Zeit,
„Daß ich von dir muß in die Weit,
„In Schwarz will ich mich kleiden.“
Der Waͤchter ſah am Firmament,
Daß ſich die Nacht wollt enden:
„Ein ſcharfer Wind von Orient,
„Thut uns den Tag herſenden,
„Die Haͤhnlein kraͤhen auf dem Hag,
„Die Huͤndlein wollen jagen,
„Die Nachtigal ſizt auf dem Zweig
„Singt uns eine ſuͤße Melodei,
„Steht auf es will nun Tagen.“
Aus ſuͤßem Schlaf da ward erweckt,
Ein Fraͤulein minniglichen:
„Ach wie ſo ſehr hat mich erſchreckt,
„Ein Wunder tugendlichen,
„Der Ehren Gunſt, der Liebe Kunſt,
„Die Stern ſind abgewichen,
„Nun ſcheid von mir, mein hoͤchſter Hort,
„Red' vor mit mir ein freundlich Wort,
„Der Tag hat uns erſchlichen.“
„Ach und auch Weh, klagt ſich ein Held,
„Wie ſoll ichs uͤberwinden;
„Dazu noch wie einm ſchoͤnen Weib,
„Ich muß den Tag verkuͤnden.“
Gar ſehr erſchrack die Auserwaͤhlt,
Nahm Urlaub von dem Reinen,
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 394[404]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/413>, abgerufen am 16.07.2024.
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