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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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auf. Die Abreisenden bekommen noch Kaffee, und vor wie nach
dem Genuß desselben wird vor dem Kruzifix, das in einer Ecke
der Stube hängt, gebetet. Dann werden die Kühe von den
Ketten losgemacht, und nicht lange währt es, so hören wir zum
Aufbruch rufen.

Der Adler läßt das Gepäck durch einen Knecht fahren,
eben so der Letner- und Luxbauer, nur der Kugler, welcher
keinem als sich selbst traut, kutschirt selbst. Die Glockenkuh
eröffnet stolz den Zug, ihr folgt die Heerde und dann kommt
die Nandel, die Meisterin, mit den andern Sennerinnen. --
Der Adler mit der Zipfelhaube auf dem Kopf und die Hände
kreuzweis über den Rücken gelegt, steht vor der Hausthüre und
schaut mit Behagen seinem stattlichen Vieh nach; dabei ruft er
dem Kugler noch freundlich zu: "Nun, Jakob, schau fein, daß
Du wieder gesund heim kommst!" "Ja, Leonhard, bald bin ich
wieder da," war die Antwort. "Grüße mir die Resl schön." --
Dieser gegenseitige, vertrauliche Gruß zeigt uns zur Genüge,
daß der Adler mit dem Kugler auf besonders freundschaftlichem
Fuß steht. Haben sie doch als Buben schon immer zusammen
gehalten, und ebenso als erwachsene Burschen, später haben auch
ihre beiden Weiber Freundschaft geschlossen und sich einander
in Freud und Leid beigestanden. Da war's dann kein Wunder,
daß im Laufe der Zeit auch der Kuglerseppel und des Adlers
Hans Kameraden wurden, und -- so natürlich es ist, daß im
Frühjahr der Kukuk schreit, im Sommer das Korn reift und
im Winter der Schnee fällt, -- ebenso natürlich war's, daß
sich bei dem engen Zusammenleben der beiden Familien zwischen
dem Hans und der hübschen, lustigen Kuglerlisi etwas anknüpfte,
was mehr als nachbarliche Freundschaft war, und daß die bei-
den jungen Leute ein Brautpaar waren, als der Hans in's
Feld rücken mußte. Als aber der Hans todt geschossen wurde,
hat die Lisi gelobt nie zu heirathen, und wollte von einem
andern Burschen nichts mehr wissen. - Nichts fehlte mehr zur
Hauschronik, als daß der Seppel die Resl freit, und dazu
mangelte keineswegs die Aussicht. Der Kugler war zwar nur
ein Viertelbauer, allein sein Anwesen war in gutem Stand,

auf. Die Abreiſenden bekommen noch Kaffee, und vor wie nach
dem Genuß deſſelben wird vor dem Kruzifix, das in einer Ecke
der Stube hängt, gebetet. Dann werden die Kühe von den
Ketten losgemacht, und nicht lange währt es, ſo hören wir zum
Aufbruch rufen.

Der Adler läßt das Gepäck durch einen Knecht fahren,
eben ſo der Letner- und Luxbauer, nur der Kugler, welcher
keinem als ſich ſelbſt traut, kutſchirt ſelbſt. Die Glockenkuh
eröffnet ſtolz den Zug, ihr folgt die Heerde und dann kommt
die Nandel, die Meiſterin, mit den andern Sennerinnen. —
Der Adler mit der Zipfelhaube auf dem Kopf und die Hände
kreuzweis über den Rücken gelegt, ſteht vor der Hausthüre und
ſchaut mit Behagen ſeinem ſtattlichen Vieh nach; dabei ruft er
dem Kugler noch freundlich zu: „Nun, Jakob, ſchau fein, daß
Du wieder geſund heim kommſt!“ „Ja, Leonhard, bald bin ich
wieder da,“ war die Antwort. „Grüße mir die Resl ſchön.“ —
Dieſer gegenſeitige, vertrauliche Gruß zeigt uns zur Genüge,
daß der Adler mit dem Kugler auf beſonders freundſchaftlichem
Fuß ſteht. Haben ſie doch als Buben ſchon immer zuſammen
gehalten, und ebenſo als erwachſene Burſchen, ſpäter haben auch
ihre beiden Weiber Freundſchaft geſchloſſen und ſich einander
in Freud und Leid beigeſtanden. Da war’s dann kein Wunder,
daß im Laufe der Zeit auch der Kuglerſeppel und des Adlers
Hans Kameraden wurden, und — ſo natürlich es iſt, daß im
Frühjahr der Kukuk ſchreit, im Sommer das Korn reift und
im Winter der Schnee fällt, — ebenſo natürlich war’s, daß
ſich bei dem engen Zuſammenleben der beiden Familien zwiſchen
dem Hans und der hübſchen, luſtigen Kuglerliſi etwas anknüpfte,
was mehr als nachbarliche Freundſchaft war, und daß die bei-
den jungen Leute ein Brautpaar waren, als der Hans in’s
Feld rücken mußte. Als aber der Hans todt geſchoſſen wurde,
hat die Liſi gelobt nie zu heirathen, und wollte von einem
andern Burſchen nichts mehr wiſſen. – Nichts fehlte mehr zur
Hauschronik, als daß der Seppel die Resl freit, und dazu
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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/16>, abgerufen am 19.04.2024.