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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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und "bei Resl's Fleiß und mit dem was sie an Geld und Gut
mitbringt," dachte der Adler, "kann es noch zu einem ansehn-
lichen Besitzthum sich vergrößern." Zum Seppel hatte er ohne-
dem eine Art väterlicher Zärtlichkeit, weil er es war, der ihm
Kreuz und Brief vom Schlachtfeld gebracht, und der ihm seit-
dem schon oft und gar viel aus der letzten Lebenszeit seines
Hans erzählte. Auch die Resl war dem Seppel gut, waren sie
doch schon als Kinder wie Geschwister, und dann hatte er ja
ihrem Bruder die Augen zugedrückt, und so bitterlich mit ihnen
seinen Tod beweint, als wär's sein eigener Bruder gewesen, --
das hat sie nie vergessen. Und der Seppel? o, bei dem hat's
schon gar nicht an Lust gefehlt. Er hätte gern alles drein ge-
setzt, um die Resl zu bekommen, und hat sich denn auch bei
den Burschen nicht wenig darauf zu gut gethan, daß ihm die
Resl öfters zugenickt, oder ihm gar zum "Grüß Gott" auch
die Hand bot, während sie sonst mit dem Männervolk sehr kurz
angebunden, ja oft, wenn einer sich ihr zu nähern schien, fast
stolz sein konnte. -- Jn einer Art ist aber die Resl doch vom
Hausgebrauch abgekommen, denn, obwohl sie die Lisi ganz gern
hatte, so war doch ihre vertraute Freundin des Letner's Leni,
ein frisches, resolutes Mädel, das auch die Mutter früh ver-
lor, und die ganze Wirthschaft mit Umsicht und Energie führte.
Besonders gern ging die Resl an Winterabenden in des Letner's
Haus. Die Mädchen saßen dann mit dem Spinnrad auf der
großen Bank, welche den hohen, grünen Kachelofen umschließt,
und ließen sich von der Nandel Alpen- und Geistergeschichten
erzählen, worin die Nandel ebenfalls Meisterin war.

Aus des Luxbauers Haus ist uns nichts bemerkenswerth,
als daß er einen brauchbaren und ziemlich hübschen Knecht hat,
welcher aber seine Gewandtheit und Schlauheit auch zu bösen
Streichen benützt. Zugleich ist er ein verwegener Wilddieb;
noch lieber aber als Hirsche und Gemsen hätte er die schöne
Resl erjagt, zu welcher er nach seiner Meinung wie ein Aug'
zum andern paßte.

und „bei Resl’s Fleiß und mit dem was ſie an Geld und Gut
mitbringt,“ dachte der Adler, „kann es noch zu einem anſehn-
lichen Beſitzthum ſich vergrößern.“ Zum Seppel hatte er ohne-
dem eine Art väterlicher Zärtlichkeit, weil er es war, der ihm
Kreuz und Brief vom Schlachtfeld gebracht, und der ihm ſeit-
dem ſchon oft und gar viel aus der letzten Lebenszeit ſeines
Hans erzählte. Auch die Resl war dem Seppel gut, waren ſie
doch ſchon als Kinder wie Geſchwiſter, und dann hatte er ja
ihrem Bruder die Augen zugedrückt, und ſo bitterlich mit ihnen
ſeinen Tod beweint, als wär’s ſein eigener Bruder geweſen, —
das hat ſie nie vergeſſen. Und der Seppel? o, bei dem hat’s
ſchon gar nicht an Luſt gefehlt. Er hätte gern alles drein ge-
ſetzt, um die Resl zu bekommen, und hat ſich denn auch bei
den Burſchen nicht wenig darauf zu gut gethan, daß ihm die
Resl öfters zugenickt, oder ihm gar zum „Grüß Gott“ auch
die Hand bot, während ſie ſonſt mit dem Männervolk ſehr kurz
angebunden, ja oft, wenn einer ſich ihr zu nähern ſchien, faſt
ſtolz ſein konnte. — Jn einer Art iſt aber die Resl doch vom
Hausgebrauch abgekommen, denn, obwohl ſie die Liſi ganz gern
hatte, ſo war doch ihre vertraute Freundin des Letner’s Leni,
ein friſches, reſolutes Mädel, das auch die Mutter früh ver-
lor, und die ganze Wirthſchaft mit Umſicht und Energie führte.
Beſonders gern ging die Resl an Winterabenden in des Letner’s
Haus. Die Mädchen ſaßen dann mit dem Spinnrad auf der
großen Bank, welche den hohen, grünen Kachelofen umſchließt,
und ließen ſich von der Nandel Alpen- und Geiſtergeſchichten
erzählen, worin die Nandel ebenfalls Meiſterin war.

Aus des Luxbauers Haus iſt uns nichts bemerkenswerth,
als daß er einen brauchbaren und ziemlich hübſchen Knecht hat,
welcher aber ſeine Gewandtheit und Schlauheit auch zu böſen
Streichen benützt. Zugleich iſt er ein verwegener Wilddieb;
noch lieber aber als Hirſche und Gemſen hätte er die ſchöne
Resl erjagt, zu welcher er nach ſeiner Meinung wie ein Aug’
zum andern paßte.

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/17>, abgerufen am 29.03.2024.