Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oskar Jerschke. Sie hatte bald mit flink gewandten Griffen Den Eichentisch für unser zwei bestellt Und grüne Gläser bilderreich geschliffen Und schwarzes Brot und Wildpret drauf gestellt. Doch auf der gastfreundlichen Tafel Mitte Trug sie im irdnen Kruge goldnen Wein, Und lud mich dann mit liebevoller Bitte Zum frohen Vespermahle freundlich ein. Sie bat so herzlich mich, so unbefangen, Bediente mich, kredenzte den Pokal, Daß unbewußt in meine jungen Wangen Ein seltsam Glühen sich verrathend stahl. Durch's Fenster lugten von dem Buchenaste Zwei weiße Täubchen auf den stillen Schmaus, Verwundert girrend ob dem seltnen Gaste In ihrer Herrin trautem Försterhaus. -- -- Schon sah ich Alpenglühn auf Gletscherriffen, Und schaute auch des Meers Unendlichkeit, Doch hat mich nichts so innerlich ergriffen Als dieses Mädchens sanfte Kindlichkeit. Ihr frisches Plaudern klang wie einer Quelle Melodischer und weicher Waldgesang; Von Wiese, Waidwerk und des Wildes Schnelle Erzählte sie und von dem Drosselfang. Dann mußt ich ihr auf tausend liebe Fragen Berichten von den fernen Schweizerhöhn, Wie silberkuppig dort die Gletscher ragen Und die Lawine löst der grause Föhn; Und wie ich südwärts dann hinabgezogen In's schöne Land, wo die Orange glänzt, Und wo die Adria mit ihren Wogen Venedigs schimmernde Paläste kränzt. Der deutsche Wein lieh meinen Worten Flügel, Mein Auge glühte, meine Rede floß Und leicht getragen ohne Zaum und Zügel Sprang sie dahin wie ein beschwingtes Roß. "Und doch," so rief ich, und die Gläser klangen, "Wie reich die Welt da draußen auch, wie schön Neapels Golf, der ewgen Roma Prangen, Das blaue Meer und Tiburs Myrthenhöhn, Oskar Jerſchke. Sie hatte bald mit flink gewandten Griffen Den Eichentiſch für unſer zwei beſtellt Und grüne Gläſer bilderreich geſchliffen Und ſchwarzes Brot und Wildpret drauf geſtellt. Doch auf der gaſtfreundlichen Tafel Mitte Trug ſie im irdnen Kruge goldnen Wein, Und lud mich dann mit liebevoller Bitte Zum frohen Vespermahle freundlich ein. Sie bat ſo herzlich mich, ſo unbefangen, Bediente mich, kredenzte den Pokal, Daß unbewußt in meine jungen Wangen Ein ſeltſam Glühen ſich verrathend ſtahl. Durch’s Fenſter lugten von dem Buchenaſte Zwei weiße Täubchen auf den ſtillen Schmaus, Verwundert girrend ob dem ſeltnen Gaſte In ihrer Herrin trautem Förſterhaus. — — Schon ſah ich Alpenglühn auf Gletſcherriffen, Und ſchaute auch des Meers Unendlichkeit, Doch hat mich nichts ſo innerlich ergriffen Als dieſes Mädchens ſanfte Kindlichkeit. Ihr friſches Plaudern klang wie einer Quelle Melodiſcher und weicher Waldgeſang; Von Wieſe, Waidwerk und des Wildes Schnelle Erzählte ſie und von dem Droſſelfang. Dann mußt ich ihr auf tauſend liebe Fragen Berichten von den fernen Schweizerhöhn, Wie ſilberkuppig dort die Gletſcher ragen Und die Lawine löſt der grauſe Föhn; Und wie ich ſüdwärts dann hinabgezogen In’s ſchöne Land, wo die Orange glänzt, Und wo die Adria mit ihren Wogen Venedigs ſchimmernde Paläſte kränzt. Der deutſche Wein lieh meinen Worten Flügel, Mein Auge glühte, meine Rede floß Und leicht getragen ohne Zaum und Zügel Sprang ſie dahin wie ein beſchwingtes Roß. „Und doch,“ ſo rief ich, und die Gläſer klangen, „Wie reich die Welt da draußen auch, wie ſchön Neapels Golf, der ewgen Roma Prangen, Das blaue Meer und Tiburs Myrthenhöhn, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0311" n="293"/> <fw place="top" type="header">Oskar Jerſchke.</fw><lb/> <l>Sie hatte bald mit flink gewandten Griffen</l><lb/> <l>Den Eichentiſch für unſer zwei beſtellt</l><lb/> <l>Und grüne Gläſer bilderreich geſchliffen</l><lb/> <l>Und ſchwarzes Brot und Wildpret drauf geſtellt.</l><lb/> <l>Doch auf der gaſtfreundlichen Tafel Mitte</l><lb/> <l>Trug ſie im irdnen Kruge goldnen Wein,</l><lb/> <l>Und lud mich dann mit liebevoller Bitte</l><lb/> <l>Zum frohen Vespermahle freundlich ein.</l><lb/> <l>Sie bat ſo herzlich mich, ſo unbefangen,</l><lb/> <l>Bediente mich, kredenzte den Pokal,</l><lb/> <l>Daß unbewußt in meine jungen Wangen</l><lb/> <l>Ein ſeltſam Glühen ſich verrathend ſtahl.</l><lb/> <l>Durch’s Fenſter lugten von dem Buchenaſte</l><lb/> <l>Zwei weiße Täubchen auf den ſtillen Schmaus,</l><lb/> <l>Verwundert girrend ob dem ſeltnen Gaſte</l><lb/> <l>In ihrer Herrin trautem Förſterhaus. — —</l><lb/> <l>Schon ſah ich Alpenglühn auf Gletſcherriffen,</l><lb/> <l>Und ſchaute auch des Meers Unendlichkeit,</l><lb/> <l>Doch hat mich nichts ſo innerlich ergriffen</l><lb/> <l>Als dieſes Mädchens ſanfte Kindlichkeit.</l><lb/> <l>Ihr friſches Plaudern klang wie einer Quelle</l><lb/> <l>Melodiſcher und weicher Waldgeſang;</l><lb/> <l>Von Wieſe, Waidwerk und des Wildes Schnelle</l><lb/> <l>Erzählte ſie und von dem Droſſelfang.</l><lb/> <l>Dann mußt ich ihr auf tauſend liebe Fragen</l><lb/> <l>Berichten von den fernen Schweizerhöhn,</l><lb/> <l>Wie ſilberkuppig dort die Gletſcher ragen</l><lb/> <l>Und die Lawine löſt der grauſe Föhn;</l><lb/> <l>Und wie ich ſüdwärts dann hinabgezogen</l><lb/> <l>In’s ſchöne Land, wo die Orange glänzt,</l><lb/> <l>Und wo die Adria mit ihren Wogen</l><lb/> <l>Venedigs ſchimmernde Paläſte kränzt.</l><lb/> <l>Der deutſche Wein lieh meinen Worten Flügel,</l><lb/> <l>Mein Auge glühte, meine Rede floß</l><lb/> <l>Und leicht getragen ohne Zaum und Zügel</l><lb/> <l>Sprang ſie dahin wie ein beſchwingtes Roß.</l><lb/> <l>„Und doch,“ ſo rief ich, und die Gläſer klangen,</l><lb/> <l>„Wie reich die Welt da draußen auch, wie ſchön</l><lb/> <l>Neapels Golf, der ewgen Roma Prangen,</l><lb/> <l>Das blaue Meer und Tiburs Myrthenhöhn,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0311]
Oskar Jerſchke.
Sie hatte bald mit flink gewandten Griffen
Den Eichentiſch für unſer zwei beſtellt
Und grüne Gläſer bilderreich geſchliffen
Und ſchwarzes Brot und Wildpret drauf geſtellt.
Doch auf der gaſtfreundlichen Tafel Mitte
Trug ſie im irdnen Kruge goldnen Wein,
Und lud mich dann mit liebevoller Bitte
Zum frohen Vespermahle freundlich ein.
Sie bat ſo herzlich mich, ſo unbefangen,
Bediente mich, kredenzte den Pokal,
Daß unbewußt in meine jungen Wangen
Ein ſeltſam Glühen ſich verrathend ſtahl.
Durch’s Fenſter lugten von dem Buchenaſte
Zwei weiße Täubchen auf den ſtillen Schmaus,
Verwundert girrend ob dem ſeltnen Gaſte
In ihrer Herrin trautem Förſterhaus. — —
Schon ſah ich Alpenglühn auf Gletſcherriffen,
Und ſchaute auch des Meers Unendlichkeit,
Doch hat mich nichts ſo innerlich ergriffen
Als dieſes Mädchens ſanfte Kindlichkeit.
Ihr friſches Plaudern klang wie einer Quelle
Melodiſcher und weicher Waldgeſang;
Von Wieſe, Waidwerk und des Wildes Schnelle
Erzählte ſie und von dem Droſſelfang.
Dann mußt ich ihr auf tauſend liebe Fragen
Berichten von den fernen Schweizerhöhn,
Wie ſilberkuppig dort die Gletſcher ragen
Und die Lawine löſt der grauſe Föhn;
Und wie ich ſüdwärts dann hinabgezogen
In’s ſchöne Land, wo die Orange glänzt,
Und wo die Adria mit ihren Wogen
Venedigs ſchimmernde Paläſte kränzt.
Der deutſche Wein lieh meinen Worten Flügel,
Mein Auge glühte, meine Rede floß
Und leicht getragen ohne Zaum und Zügel
Sprang ſie dahin wie ein beſchwingtes Roß.
„Und doch,“ ſo rief ich, und die Gläſer klangen,
„Wie reich die Welt da draußen auch, wie ſchön
Neapels Golf, der ewgen Roma Prangen,
Das blaue Meer und Tiburs Myrthenhöhn,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |