Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oskar Jerschke. Als sie den Fremden sah am Haus sich regen, Entfuhr ihr wie im Schreck ein leiser Schrei; Ich grüßte reuig, schalt mich keck, verwegen Und bald war ihre Mädchenangst vorbei. Erst schmählte sie mit hellem Silberlachen Sich selber aus und zürnte schelmisch dann; "Wie konntet ihr mich auch nur schrecken machen, Am offnen Tag, ihr böser, junger Mann! Ich war das Thal hinab in's Dorf gegangen Um Salz und Brot für unser kleines Haus, Der Vater zog schon bei dem ersten Prangen Des Frühroths auf sein Tagewerk hinaus. Doch tretet ein, gönnt euch ein Ruhestündchen, Ihr seid gewiß recht müd' und wandermatt! Kommt, nehmt vorlieb mit dem, was unser Spindchen An Speis' und Trank für euren Gaumen hat!" -- In ihren Wangen lachten kleine Grübchen, Als sie mich herzlich in den Hausflur lud; Drauf öffnete sie mir das Försterstübchen, Daß mir ganz still und sonderbar zu Muth. Gebohnt war dort die glatte Diele drinnen Und holzgetäfelt rings die braune Wand, Die Fenster zierten schmuck schneeweiße Linnen Aus ihrer eig'nen, fleiß'gen Mädchenhand. Ein Eichentisch stand gastlich in der Mitte, Zu dem des Vaters Art den Stamm gefällt, Und Flechtwerkstühle nach des Waidmanns Sitte Aus Birkenästen kunstvoll hergestellt. Behaglich bis zu künft'gen Wintertagen Der Kachelofen in der Ecke stand Und auf gescheuerten Gesimsen lagen Viel blanke Teller mit gemaltem Rand. Am Wandgetäfel sah ich aufgehangen Ein schlichtes Kreuz und unsres Kaisers Bild. Und rings im Kreise vielgestaltig prangen Manch stolz Geweih von dem erlegten Wild. Doch immer warf ich heimlich beim Beschauen Mein Auge auf das Försterkind zurück Und haschte diebisch aus den dunkelblauen Und sanften Augen manchen raschen Blick. Oskar Jerſchke. Als ſie den Fremden ſah am Haus ſich regen, Entfuhr ihr wie im Schreck ein leiſer Schrei; Ich grüßte reuig, ſchalt mich keck, verwegen Und bald war ihre Mädchenangſt vorbei. Erſt ſchmählte ſie mit hellem Silberlachen Sich ſelber aus und zürnte ſchelmiſch dann; „Wie konntet ihr mich auch nur ſchrecken machen, Am offnen Tag, ihr böſer, junger Mann! Ich war das Thal hinab in’s Dorf gegangen Um Salz und Brot für unſer kleines Haus, Der Vater zog ſchon bei dem erſten Prangen Des Frühroths auf ſein Tagewerk hinaus. Doch tretet ein, gönnt euch ein Ruheſtündchen, Ihr ſeid gewiß recht müd’ und wandermatt! Kommt, nehmt vorlieb mit dem, was unſer Spindchen An Speiſ’ und Trank für euren Gaumen hat!“ — In ihren Wangen lachten kleine Grübchen, Als ſie mich herzlich in den Hausflur lud; Drauf öffnete ſie mir das Förſterſtübchen, Daß mir ganz ſtill und ſonderbar zu Muth. Gebohnt war dort die glatte Diele drinnen Und holzgetäfelt rings die braune Wand, Die Fenſter zierten ſchmuck ſchneeweiße Linnen Aus ihrer eig’nen, fleiß’gen Mädchenhand. Ein Eichentiſch ſtand gaſtlich in der Mitte, Zu dem des Vaters Art den Stamm gefällt, Und Flechtwerkſtühle nach des Waidmanns Sitte Aus Birkenäſten kunſtvoll hergeſtellt. Behaglich bis zu künft’gen Wintertagen Der Kachelofen in der Ecke ſtand Und auf geſcheuerten Geſimſen lagen Viel blanke Teller mit gemaltem Rand. Am Wandgetäfel ſah ich aufgehangen Ein ſchlichtes Kreuz und unſres Kaiſers Bild. Und rings im Kreiſe vielgeſtaltig prangen Manch ſtolz Geweih von dem erlegten Wild. Doch immer warf ich heimlich beim Beſchauen Mein Auge auf das Förſterkind zurück Und haſchte diebiſch aus den dunkelblauen Und ſanften Augen manchen raſchen Blick. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0310" n="292"/> <fw place="top" type="header">Oskar Jerſchke.</fw><lb/> <l>Als ſie den Fremden ſah am Haus ſich regen,</l><lb/> <l>Entfuhr ihr wie im Schreck ein leiſer Schrei;</l><lb/> <l>Ich grüßte reuig, ſchalt mich keck, verwegen</l><lb/> <l>Und bald war ihre Mädchenangſt vorbei.</l><lb/> <l>Erſt ſchmählte ſie mit hellem Silberlachen</l><lb/> <l>Sich ſelber aus und zürnte ſchelmiſch dann;</l><lb/> <l>„Wie konntet ihr mich auch nur ſchrecken machen,</l><lb/> <l>Am offnen Tag, ihr böſer, junger Mann!</l><lb/> <l>Ich war das Thal hinab in’s Dorf gegangen</l><lb/> <l>Um Salz und Brot für unſer kleines Haus,</l><lb/> <l>Der Vater zog ſchon bei dem erſten Prangen</l><lb/> <l>Des Frühroths auf ſein Tagewerk hinaus.</l><lb/> <l>Doch tretet ein, gönnt euch ein Ruheſtündchen,</l><lb/> <l>Ihr ſeid gewiß recht müd’ und wandermatt!</l><lb/> <l>Kommt, nehmt vorlieb mit dem, was unſer Spindchen</l><lb/> <l>An Speiſ’ und Trank für euren Gaumen hat!“ —</l><lb/> <l>In ihren Wangen lachten kleine Grübchen,</l><lb/> <l>Als ſie mich herzlich in den Hausflur lud;</l><lb/> <l>Drauf öffnete ſie mir das Förſterſtübchen,</l><lb/> <l>Daß mir ganz ſtill und ſonderbar zu Muth.</l><lb/> <l>Gebohnt war dort die glatte Diele drinnen</l><lb/> <l>Und holzgetäfelt rings die braune Wand,</l><lb/> <l>Die Fenſter zierten ſchmuck ſchneeweiße Linnen</l><lb/> <l>Aus ihrer eig’nen, fleiß’gen Mädchenhand.</l><lb/> <l>Ein Eichentiſch ſtand gaſtlich in der Mitte,</l><lb/> <l>Zu dem des Vaters Art den Stamm gefällt,</l><lb/> <l>Und Flechtwerkſtühle nach des Waidmanns Sitte</l><lb/> <l>Aus Birkenäſten kunſtvoll hergeſtellt.</l><lb/> <l>Behaglich bis zu künft’gen Wintertagen</l><lb/> <l>Der Kachelofen in der Ecke ſtand</l><lb/> <l>Und auf geſcheuerten Geſimſen lagen</l><lb/> <l>Viel blanke Teller mit gemaltem Rand.</l><lb/> <l>Am Wandgetäfel ſah ich aufgehangen</l><lb/> <l>Ein ſchlichtes Kreuz und unſres Kaiſers Bild.</l><lb/> <l>Und rings im Kreiſe vielgeſtaltig prangen</l><lb/> <l>Manch ſtolz Geweih von dem erlegten Wild.</l><lb/> <l>Doch immer warf ich heimlich beim Beſchauen</l><lb/> <l>Mein Auge auf das Förſterkind zurück</l><lb/> <l>Und haſchte diebiſch aus den dunkelblauen</l><lb/> <l>Und ſanften Augen manchen raſchen Blick.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0310]
Oskar Jerſchke.
Als ſie den Fremden ſah am Haus ſich regen,
Entfuhr ihr wie im Schreck ein leiſer Schrei;
Ich grüßte reuig, ſchalt mich keck, verwegen
Und bald war ihre Mädchenangſt vorbei.
Erſt ſchmählte ſie mit hellem Silberlachen
Sich ſelber aus und zürnte ſchelmiſch dann;
„Wie konntet ihr mich auch nur ſchrecken machen,
Am offnen Tag, ihr böſer, junger Mann!
Ich war das Thal hinab in’s Dorf gegangen
Um Salz und Brot für unſer kleines Haus,
Der Vater zog ſchon bei dem erſten Prangen
Des Frühroths auf ſein Tagewerk hinaus.
Doch tretet ein, gönnt euch ein Ruheſtündchen,
Ihr ſeid gewiß recht müd’ und wandermatt!
Kommt, nehmt vorlieb mit dem, was unſer Spindchen
An Speiſ’ und Trank für euren Gaumen hat!“ —
In ihren Wangen lachten kleine Grübchen,
Als ſie mich herzlich in den Hausflur lud;
Drauf öffnete ſie mir das Förſterſtübchen,
Daß mir ganz ſtill und ſonderbar zu Muth.
Gebohnt war dort die glatte Diele drinnen
Und holzgetäfelt rings die braune Wand,
Die Fenſter zierten ſchmuck ſchneeweiße Linnen
Aus ihrer eig’nen, fleiß’gen Mädchenhand.
Ein Eichentiſch ſtand gaſtlich in der Mitte,
Zu dem des Vaters Art den Stamm gefällt,
Und Flechtwerkſtühle nach des Waidmanns Sitte
Aus Birkenäſten kunſtvoll hergeſtellt.
Behaglich bis zu künft’gen Wintertagen
Der Kachelofen in der Ecke ſtand
Und auf geſcheuerten Geſimſen lagen
Viel blanke Teller mit gemaltem Rand.
Am Wandgetäfel ſah ich aufgehangen
Ein ſchlichtes Kreuz und unſres Kaiſers Bild.
Und rings im Kreiſe vielgeſtaltig prangen
Manch ſtolz Geweih von dem erlegten Wild.
Doch immer warf ich heimlich beim Beſchauen
Mein Auge auf das Förſterkind zurück
Und haſchte diebiſch aus den dunkelblauen
Und ſanften Augen manchen raſchen Blick.
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