Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oskar Jerschke. Ich sehnte mich aus all des Südens Düften Nach meines deutschen Eichwalds grünem Dom, Und von Siciliens wunderbaren Triften An meinen Rhein, an meinen deutschen Strom. Und eines Tags -- der Lenz ging schon zur Rüste Mit Stab und Ränzel mich Palermo sah, Dort nahm ich Abschied von Messinas Küste Und fuhr zu Schiffe hin nach Genua. Hier zog ich nordwärts, jauchzte meine Lieder Zum zweiten Mal im Berner Oberland, Bis heut ich meine deutschen Wälder wieder Und -- dich, du liebe, junge Wirthin, fand!" -- Ich war zu Ende und die Zeit verflogen, Schon dunkelte das trauliche Gemach Und schimmernd flutheten die goldenen Wogen Der Dämmerstunde durch das Blätterdach; Und glühend küßte meiner Wirthin Wangen Des Abends rosiger Madonnenschein Und hüllte wunderbar in goldnes Prangen Ihr wallend Haar, ihr blühend Antlitz ein. Doch wie die Strahlen mählig weiter wichen, Rief mich die Wanderpflicht gebietend fort, Ich wollte noch, eh mich die Nacht beschlichen, Zu Thale pilgern in den nächsten Ort. Mich rief mein Ziel von dieser trauten Stätte, Die Liebe mir geboten, Trank und Schmaus, Und dennoch war's, als schlöss' mich eine Kette An dieses waldesstille Försterhaus. Stumm sann ich nach. -- Ich wußte nichts zu sagen, Stand auf vom Tisch und von dem lieben Mahl, Als mich, wie mit geheimnißvollem Fragen, Aus ihren Augen traf ein lichter Strahl. Und zögernd frug sie: "Wollt Ihr wirklich gehen? Im Haus ist Platz genug, ich bitt' Euch, weilt, Und wandert morgen erst von unsern Höhen Mit meinem Vater, wenn die Zeit Euch eilt!" Nun rang ich mit mir selbst und wurde irre, Ob's recht, daß man die Liebe so vergilt, Und immer trat aus meiner Pläne Wirre Des Försterkindes maienlichtes Bild. Oskar Jerſchke. Ich ſehnte mich aus all des Südens Düften Nach meines deutſchen Eichwalds grünem Dom, Und von Siciliens wunderbaren Triften An meinen Rhein, an meinen deutſchen Strom. Und eines Tags — der Lenz ging ſchon zur Rüſte Mit Stab und Ränzel mich Palermo ſah, Dort nahm ich Abſchied von Meſſinas Küſte Und fuhr zu Schiffe hin nach Genua. Hier zog ich nordwärts, jauchzte meine Lieder Zum zweiten Mal im Berner Oberland, Bis heut ich meine deutſchen Wälder wieder Und — dich, du liebe, junge Wirthin, fand!“ — Ich war zu Ende und die Zeit verflogen, Schon dunkelte das trauliche Gemach Und ſchimmernd flutheten die goldenen Wogen Der Dämmerſtunde durch das Blätterdach; Und glühend küßte meiner Wirthin Wangen Des Abends roſiger Madonnenſchein Und hüllte wunderbar in goldnes Prangen Ihr wallend Haar, ihr blühend Antlitz ein. Doch wie die Strahlen mählig weiter wichen, Rief mich die Wanderpflicht gebietend fort, Ich wollte noch, eh mich die Nacht beſchlichen, Zu Thale pilgern in den nächſten Ort. Mich rief mein Ziel von dieſer trauten Stätte, Die Liebe mir geboten, Trank und Schmaus, Und dennoch war’s, als ſchlöſſ’ mich eine Kette An dieſes waldesſtille Förſterhaus. Stumm ſann ich nach. — Ich wußte nichts zu ſagen, Stand auf vom Tiſch und von dem lieben Mahl, Als mich, wie mit geheimnißvollem Fragen, Aus ihren Augen traf ein lichter Strahl. Und zögernd frug ſie: „Wollt Ihr wirklich gehen? Im Haus iſt Platz genug, ich bitt’ Euch, weilt, Und wandert morgen erſt von unſern Höhen Mit meinem Vater, wenn die Zeit Euch eilt!“ Nun rang ich mit mir ſelbſt und wurde irre, Ob’s recht, daß man die Liebe ſo vergilt, Und immer trat aus meiner Pläne Wirre Des Förſterkindes maienlichtes Bild. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0312" n="294"/> <fw place="top" type="header">Oskar Jerſchke.</fw><lb/> <l>Ich ſehnte mich aus all des Südens Düften</l><lb/> <l>Nach meines deutſchen Eichwalds grünem Dom,</l><lb/> <l>Und von Siciliens wunderbaren Triften</l><lb/> <l>An meinen Rhein, an meinen deutſchen Strom.</l><lb/> <l>Und eines Tags — der Lenz ging ſchon zur Rüſte</l><lb/> <l>Mit Stab und Ränzel mich Palermo ſah,</l><lb/> <l>Dort nahm ich Abſchied von Meſſinas Küſte</l><lb/> <l>Und fuhr zu Schiffe hin nach Genua.</l><lb/> <l>Hier zog ich nordwärts, jauchzte meine Lieder</l><lb/> <l>Zum zweiten Mal im Berner Oberland,</l><lb/> <l>Bis heut ich meine deutſchen Wälder wieder</l><lb/> <l>Und — dich, du liebe, junge Wirthin, fand!“ —</l><lb/> <l>Ich war zu Ende und die Zeit verflogen,</l><lb/> <l>Schon dunkelte das trauliche Gemach</l><lb/> <l>Und ſchimmernd flutheten die goldenen Wogen</l><lb/> <l>Der Dämmerſtunde durch das Blätterdach;</l><lb/> <l>Und glühend küßte meiner Wirthin Wangen</l><lb/> <l>Des Abends roſiger Madonnenſchein</l><lb/> <l>Und hüllte wunderbar in goldnes Prangen</l><lb/> <l>Ihr wallend Haar, ihr blühend Antlitz ein.</l><lb/> <l>Doch wie die Strahlen mählig weiter wichen,</l><lb/> <l>Rief mich die Wanderpflicht gebietend fort,</l><lb/> <l>Ich wollte noch, eh mich die Nacht beſchlichen,</l><lb/> <l>Zu Thale pilgern in den nächſten Ort.</l><lb/> <l>Mich rief mein Ziel von dieſer trauten Stätte,</l><lb/> <l>Die Liebe mir geboten, Trank und Schmaus,</l><lb/> <l>Und dennoch war’s, als ſchlöſſ’ mich eine Kette</l><lb/> <l>An dieſes waldesſtille Förſterhaus.</l><lb/> <l>Stumm ſann ich nach. — Ich wußte nichts zu ſagen,</l><lb/> <l>Stand auf vom Tiſch und von dem lieben Mahl,</l><lb/> <l>Als mich, wie mit geheimnißvollem Fragen,</l><lb/> <l>Aus ihren Augen traf ein lichter Strahl.</l><lb/> <l>Und zögernd frug ſie: „Wollt Ihr wirklich gehen?</l><lb/> <l>Im Haus iſt Platz genug, ich bitt’ Euch, weilt,</l><lb/> <l>Und wandert morgen erſt von unſern Höhen</l><lb/> <l>Mit meinem Vater, wenn die Zeit Euch eilt!“</l><lb/> <l>Nun rang ich mit mir ſelbſt und wurde irre,</l><lb/> <l>Ob’s recht, daß man die Liebe ſo vergilt,</l><lb/> <l>Und immer trat aus meiner Pläne Wirre</l><lb/> <l>Des Förſterkindes maienlichtes Bild.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [294/0312]
Oskar Jerſchke.
Ich ſehnte mich aus all des Südens Düften
Nach meines deutſchen Eichwalds grünem Dom,
Und von Siciliens wunderbaren Triften
An meinen Rhein, an meinen deutſchen Strom.
Und eines Tags — der Lenz ging ſchon zur Rüſte
Mit Stab und Ränzel mich Palermo ſah,
Dort nahm ich Abſchied von Meſſinas Küſte
Und fuhr zu Schiffe hin nach Genua.
Hier zog ich nordwärts, jauchzte meine Lieder
Zum zweiten Mal im Berner Oberland,
Bis heut ich meine deutſchen Wälder wieder
Und — dich, du liebe, junge Wirthin, fand!“ —
Ich war zu Ende und die Zeit verflogen,
Schon dunkelte das trauliche Gemach
Und ſchimmernd flutheten die goldenen Wogen
Der Dämmerſtunde durch das Blätterdach;
Und glühend küßte meiner Wirthin Wangen
Des Abends roſiger Madonnenſchein
Und hüllte wunderbar in goldnes Prangen
Ihr wallend Haar, ihr blühend Antlitz ein.
Doch wie die Strahlen mählig weiter wichen,
Rief mich die Wanderpflicht gebietend fort,
Ich wollte noch, eh mich die Nacht beſchlichen,
Zu Thale pilgern in den nächſten Ort.
Mich rief mein Ziel von dieſer trauten Stätte,
Die Liebe mir geboten, Trank und Schmaus,
Und dennoch war’s, als ſchlöſſ’ mich eine Kette
An dieſes waldesſtille Förſterhaus.
Stumm ſann ich nach. — Ich wußte nichts zu ſagen,
Stand auf vom Tiſch und von dem lieben Mahl,
Als mich, wie mit geheimnißvollem Fragen,
Aus ihren Augen traf ein lichter Strahl.
Und zögernd frug ſie: „Wollt Ihr wirklich gehen?
Im Haus iſt Platz genug, ich bitt’ Euch, weilt,
Und wandert morgen erſt von unſern Höhen
Mit meinem Vater, wenn die Zeit Euch eilt!“
Nun rang ich mit mir ſelbſt und wurde irre,
Ob’s recht, daß man die Liebe ſo vergilt,
Und immer trat aus meiner Pläne Wirre
Des Förſterkindes maienlichtes Bild.
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