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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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verdienten es zu sein." -- So kann ich es nicht unterlassen,
auf die weniger berühmten, aber um nichts weniger trefflichen
Nürnberger Bratwürste aufmerksam zu machen. Goethe fand
sie so schmackhaft, daß er sie mit der Post von Nürnberg
nach Weimar kommen ließ.

Curiositäten und Monstra, wie z. B. die Anno 1601 in
Königsberg construirte 2010 Fuß lange Wurst, haben blos
historischen Werth.

Vom Wurstgift und was damit zusammenhängt, z. B.
Justinus Kerner zu sprechen, wäre unerfreulich.

Ich bleibe bei der werthen Verwandtschaft, und nenne
hier gleich das Wildschwein. Galen zieht es zahmen vor.
Es ist sonderbar, aber sehr natürlich, daß der Mensch überall
vergleicht, überall etwas besser, vorzüglicher finden zu müssen
glaubt. -- Schnell fertig ist die Jugend (auch das Alter) mit
dem Wort. -- Gleich heißt ihr Alles schändlich oder würdig;
bös oder gut. -- Ist denn die Nelke besser als die Narzisse?
Beide sind ja nur anders. Und anders ist allerdings auch das
Wildschwein. Man wird, wie man auch appretiren mag, dem
erfahrenen Eßkünstler niemals ein zahmes Schwein für ein
wildes geben können, obschon eine feine Zunge dazu gehört, es
immer zu unterscheiden. Dagegen scheint mir der Werth des
Wildschweinskopfs häufig sehr überschätzt zu werden. Schon
Meleager gab der Atalanta den Kopf des Ebers, von wel-
cher derselbe (eigentlich jeder, Eber und Meleager) angeschossen
war, als das Beste. Auch heute noch hört man dasselbe Ur-
theil. Ich gestehe, daß mir und meinem Geschmacke ein wohl-
appretirtes Ochsenmaul lieber ist. Es hat mehr Charakter,
welchem zu viel Fett ungünstig ist.

Ziegenfleisch kommt nach Galen -- dem Rhazes beizu-
stimmen scheint -- gleich nach dem Schweinfleisch, dann erst
das Kalbfleisch. Dieß lobt aber Averrhoes sehr, besonders
wegen dessen odoris suavioris et jucundioris, und zieht es

verdienten es zu ſein.“ — So kann ich es nicht unterlaſſen,
auf die weniger beruͤhmten, aber um nichts weniger trefflichen
Nuͤrnberger Bratwuͤrſte aufmerkſam zu machen. Goethe fand
ſie ſo ſchmackhaft, daß er ſie mit der Poſt von Nuͤrnberg
nach Weimar kommen ließ.

Curioſitaͤten und Monſtra, wie z. B. die Anno 1601 in
Koͤnigsberg conſtruirte 2010 Fuß lange Wurſt, haben blos
hiſtoriſchen Werth.

Vom Wurſtgift und was damit zuſammenhaͤngt, z. B.
Juſtinus Kerner zu ſprechen, waͤre unerfreulich.

Ich bleibe bei der werthen Verwandtſchaft, und nenne
hier gleich das Wildſchwein. Galen zieht es zahmen vor.
Es iſt ſonderbar, aber ſehr natuͤrlich, daß der Menſch uͤberall
vergleicht, uͤberall etwas beſſer, vorzuͤglicher finden zu muͤſſen
glaubt. — Schnell fertig iſt die Jugend (auch das Alter) mit
dem Wort. — Gleich heißt ihr Alles ſchaͤndlich oder wuͤrdig;
boͤs oder gut. — Iſt denn die Nelke beſſer als die Narziſſe?
Beide ſind ja nur anders. Und anders iſt allerdings auch das
Wildſchwein. Man wird, wie man auch appretiren mag, dem
erfahrenen Eßkuͤnſtler niemals ein zahmes Schwein fuͤr ein
wildes geben koͤnnen, obſchon eine feine Zunge dazu gehoͤrt, es
immer zu unterſcheiden. Dagegen ſcheint mir der Werth des
Wildſchweinskopfs haͤufig ſehr uͤberſchaͤtzt zu werden. Schon
Meleager gab der Atalanta den Kopf des Ebers, von wel-
cher derſelbe (eigentlich jeder, Eber und Meleager) angeſchoſſen
war, als das Beſte. Auch heute noch hoͤrt man daſſelbe Ur-
theil. Ich geſtehe, daß mir und meinem Geſchmacke ein wohl-
appretirtes Ochſenmaul lieber iſt. Es hat mehr Charakter,
welchem zu viel Fett unguͤnſtig iſt.

Ziegenfleiſch kommt nach Galen — dem Rhazes beizu-
ſtimmen ſcheint — gleich nach dem Schweinfleiſch, dann erſt
das Kalbfleiſch. Dieß lobt aber Averrhoes ſehr, beſonders
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[229/0243] verdienten es zu ſein.“ — So kann ich es nicht unterlaſſen, auf die weniger beruͤhmten, aber um nichts weniger trefflichen Nuͤrnberger Bratwuͤrſte aufmerkſam zu machen. Goethe fand ſie ſo ſchmackhaft, daß er ſie mit der Poſt von Nuͤrnberg nach Weimar kommen ließ. Curioſitaͤten und Monſtra, wie z. B. die Anno 1601 in Koͤnigsberg conſtruirte 2010 Fuß lange Wurſt, haben blos hiſtoriſchen Werth. Vom Wurſtgift und was damit zuſammenhaͤngt, z. B. Juſtinus Kerner zu ſprechen, waͤre unerfreulich. Ich bleibe bei der werthen Verwandtſchaft, und nenne hier gleich das Wildſchwein. Galen zieht es zahmen vor. Es iſt ſonderbar, aber ſehr natuͤrlich, daß der Menſch uͤberall vergleicht, uͤberall etwas beſſer, vorzuͤglicher finden zu muͤſſen glaubt. — Schnell fertig iſt die Jugend (auch das Alter) mit dem Wort. — Gleich heißt ihr Alles ſchaͤndlich oder wuͤrdig; boͤs oder gut. — Iſt denn die Nelke beſſer als die Narziſſe? Beide ſind ja nur anders. Und anders iſt allerdings auch das Wildſchwein. Man wird, wie man auch appretiren mag, dem erfahrenen Eßkuͤnſtler niemals ein zahmes Schwein fuͤr ein wildes geben koͤnnen, obſchon eine feine Zunge dazu gehoͤrt, es immer zu unterſcheiden. Dagegen ſcheint mir der Werth des Wildſchweinskopfs haͤufig ſehr uͤberſchaͤtzt zu werden. Schon Meleager gab der Atalanta den Kopf des Ebers, von wel- cher derſelbe (eigentlich jeder, Eber und Meleager) angeſchoſſen war, als das Beſte. Auch heute noch hoͤrt man daſſelbe Ur- theil. Ich geſtehe, daß mir und meinem Geſchmacke ein wohl- appretirtes Ochſenmaul lieber iſt. Es hat mehr Charakter, welchem zu viel Fett unguͤnſtig iſt. Ziegenfleiſch kommt nach Galen — dem Rhazes beizu- ſtimmen ſcheint — gleich nach dem Schweinfleiſch, dann erſt das Kalbfleiſch. Dieß lobt aber Averrhoes ſehr, beſonders wegen deſſen odoris suavioris et jucundioris, und zieht es

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/243>, abgerufen am 22.11.2024.