ges paßten am besten zusammen. Sie passen aber nicht nur nicht am besten zusammen, sondern ganz und gar nicht. Bringen es die Verhältnisse mit sich, daß man Genossen Eines Faches zu laden nicht umhin kann, so versäume man doch ja nicht, sie so weit als möglich aus einander zu setzen, so daß sie nicht mit einander reden können, wenn man anders nicht Gefahr laufen will, durch stundenlange Disputationen über einen Etrurischen Stiefelknecht und dergleichen das köstlichste Mahl gestört zu sehen.
Ueber die Theilnahme schöner Frauen und Jungfrauen an Gastmählern ist schon am Schlusse der sechsten Vorlesung vom Gesichtspunkte des Eßkünstlers aus, und zwar für eigentlich esoterische Essen, das Nöthige bemerkt. Für Gastmähler über- haupt aber kann keine andere Gesellschaft erwünschter und be- glückender sein. Nur hüte man sich vor der Grausamkeit, den Eßkünstler zwischen zwei Göttinnen zu setzen. Die eigne Frau zählt für nichts.
Man hat gesagt, je mehr Ideenassociationen bei einem Kunstgenuß rege würden, um so vollkommner sei er. Es ist hier nicht der Ort, darüber zu streiten; jedenfalls ist aber da- mit gemeint, daß jene Associationen vom Kunstwerk selbst aus- gehen müssen, welches wohl zu beachten.
Ob aber Menschen, welche aus Standesrücksichten immer stolz, steif und ernsthaft sein zu müssen glauben, und in deren Gesellschaft der kecke Hagen im Nibelungenlied nicht gerne zu sein versichert, zu laden seien, muß man freilich dem besten Er- messen oder dem Stande des Wirths selbst überlassen. Manche Eßkünstler glauben am besten zu fahren, wenn sie unter solchen Verhältnissen höflichst bedauern, schon anderwärts geladen zu sein.
Versteht der Einladende, wie leider nicht selten, selber nichts von Koch- und Eßkunst, so ist's gleichgiltig, wen er ladet. Der einladende Eßkünstler selber wird nur daran Geschmack finden, wieder Eßkünstler zu bewirthen; umgekehrt aber auf
ges paßten am beſten zuſammen. Sie paſſen aber nicht nur nicht am beſten zuſammen, ſondern ganz und gar nicht. Bringen es die Verhaͤltniſſe mit ſich, daß man Genoſſen Eines Faches zu laden nicht umhin kann, ſo verſaͤume man doch ja nicht, ſie ſo weit als moͤglich aus einander zu ſetzen, ſo daß ſie nicht mit einander reden koͤnnen, wenn man anders nicht Gefahr laufen will, durch ſtundenlange Disputationen uͤber einen Etruriſchen Stiefelknecht und dergleichen das koͤſtlichſte Mahl geſtoͤrt zu ſehen.
Ueber die Theilnahme ſchoͤner Frauen und Jungfrauen an Gaſtmaͤhlern iſt ſchon am Schluſſe der ſechſten Vorleſung vom Geſichtspunkte des Eßkuͤnſtlers aus, und zwar fuͤr eigentlich eſoteriſche Eſſen, das Noͤthige bemerkt. Fuͤr Gaſtmaͤhler uͤber- haupt aber kann keine andere Geſellſchaft erwuͤnſchter und be- gluͤckender ſein. Nur huͤte man ſich vor der Grauſamkeit, den Eßkuͤnſtler zwiſchen zwei Goͤttinnen zu ſetzen. Die eigne Frau zaͤhlt fuͤr nichts.
Man hat geſagt, je mehr Ideenaſſociationen bei einem Kunſtgenuß rege wuͤrden, um ſo vollkommner ſei er. Es iſt hier nicht der Ort, daruͤber zu ſtreiten; jedenfalls iſt aber da- mit gemeint, daß jene Aſſociationen vom Kunſtwerk ſelbſt aus- gehen muͤſſen, welches wohl zu beachten.
Ob aber Menſchen, welche aus Standesruͤckſichten immer ſtolz, ſteif und ernſthaft ſein zu muͤſſen glauben, und in deren Geſellſchaft der kecke Hagen im Nibelungenlied nicht gerne zu ſein verſichert, zu laden ſeien, muß man freilich dem beſten Er- meſſen oder dem Stande des Wirths ſelbſt uͤberlaſſen. Manche Eßkuͤnſtler glauben am beſten zu fahren, wenn ſie unter ſolchen Verhaͤltniſſen hoͤflichſt bedauern, ſchon anderwaͤrts geladen zu ſein.
Verſteht der Einladende, wie leider nicht ſelten, ſelber nichts von Koch- und Eßkunſt, ſo iſt’s gleichgiltig, wen er ladet. Der einladende Eßkuͤnſtler ſelber wird nur daran Geſchmack finden, wieder Eßkuͤnſtler zu bewirthen; umgekehrt aber auf
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ges paßten am beſten zuſammen. Sie paſſen aber nicht nur nicht
am beſten zuſammen, ſondern ganz und gar nicht. Bringen es die
Verhaͤltniſſe mit ſich, daß man Genoſſen Eines Faches zu laden
nicht umhin kann, ſo verſaͤume man doch ja nicht, ſie ſo weit
als moͤglich aus einander zu ſetzen, ſo daß ſie nicht mit einander
reden koͤnnen, wenn man anders nicht Gefahr laufen will, durch
ſtundenlange Disputationen uͤber einen Etruriſchen Stiefelknecht
und dergleichen das koͤſtlichſte Mahl geſtoͤrt zu ſehen.
Ueber die Theilnahme ſchoͤner Frauen und Jungfrauen an
Gaſtmaͤhlern iſt ſchon am Schluſſe der ſechſten Vorleſung vom
Geſichtspunkte des Eßkuͤnſtlers aus, und zwar fuͤr eigentlich
eſoteriſche Eſſen, das Noͤthige bemerkt. Fuͤr Gaſtmaͤhler uͤber-
haupt aber kann keine andere Geſellſchaft erwuͤnſchter und be-
gluͤckender ſein. Nur huͤte man ſich vor der Grauſamkeit, den
Eßkuͤnſtler zwiſchen zwei Goͤttinnen zu ſetzen. Die eigne Frau
zaͤhlt fuͤr nichts.
Man hat geſagt, je mehr Ideenaſſociationen bei einem
Kunſtgenuß rege wuͤrden, um ſo vollkommner ſei er. Es iſt
hier nicht der Ort, daruͤber zu ſtreiten; jedenfalls iſt aber da-
mit gemeint, daß jene Aſſociationen vom Kunſtwerk ſelbſt aus-
gehen muͤſſen, welches wohl zu beachten.
Ob aber Menſchen, welche aus Standesruͤckſichten immer
ſtolz, ſteif und ernſthaft ſein zu muͤſſen glauben, und in deren
Geſellſchaft der kecke Hagen im Nibelungenlied nicht gerne zu
ſein verſichert, zu laden ſeien, muß man freilich dem beſten Er-
meſſen oder dem Stande des Wirths ſelbſt uͤberlaſſen. Manche
Eßkuͤnſtler glauben am beſten zu fahren, wenn ſie unter ſolchen
Verhaͤltniſſen hoͤflichſt bedauern, ſchon anderwaͤrts geladen
zu ſein.
Verſteht der Einladende, wie leider nicht ſelten, ſelber nichts
von Koch- und Eßkunſt, ſo iſt’s gleichgiltig, wen er ladet.
Der einladende Eßkuͤnſtler ſelber wird nur daran Geſchmack
finden, wieder Eßkuͤnſtler zu bewirthen; umgekehrt aber auf
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/222>, abgerufen am 23.07.2024.
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