der Eßeinladungen überhaupt aufgeben, und wenigstens das zu erwartende Hauptgericht andeuten. Als ich jung war, d. h. in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, hieß es: man erbäte sich die Ehre auf einen Rehbraten, Auerhahn, Wildschwein etc. Der Geladene wußte, woran er sei, und konnte vergnüglich darüber nachdenken, was wohl damit weiter in Verbindung stehen werde. Es verdiente der Wiedereinführung, so spießbürgerlich es auch scheinen mag. Manches übliche großstädtische Zugeknöpftsein ist dagegen spießbürgerlich und ver- diente abgeschafft zu werden. Ueberhaupt ist Großstädtisch kei- neswegs der Gegensatz von Spießbürgerlich.
Bei der von mir gemeinten bestimmten Einladungsart wäre aber mit Sinn zu verfahren, und nicht, wie z. B.: -- der Schauspieler Pope erhielt eine in folgenden Worten ver- abfaßte Einladung: "Komm, alter Freund, und iß bei mir, und Deine gastronomische Strenge möge nicht zu viel verlan- gen. Wir haben durchaus weiter nichts als Lachs und Beef- steak." -- Der Geladene kam, fand Beefsteak und Lachs trefflich, und bald war er außer Stande, weiter etwas zu sich zu nehmen. Da zeigte sich seinen verwunderten Blicken ein herrliches, so appetitlich duftendes Wildpretstück, daß der ge- sättigte Gutschmecker nicht umhin konnte, zu versuchen, ob es nicht doch noch ginge. Aber nach einigen vergeblichen Ver- suchen legte er Messer und Gabel nieder, richtete seine mit Thränen gefüllten Augen auf seinen Wirth, und sagte schluch- zend: "Von einem zwanzigjährigen Freund hätte ich dieß nicht erwartet!"
Dergleichen ist nun allerdings auch unverantwortlich.
Daß man nicht mehr Gäste ladet, als man vollständig mit Speisen zu versehen im Stande ist, versteht sich von selbst. Feinheit gehört aber dazu, solche Gäste zusammenzuladen oder zusammenzu- setzen, welche auch wirklich zusammenpassen. Man glaubt insge- mein, Mitglieder Eines Standes, Einer Fakultät, Eines Kunstzwei-
der Eßeinladungen uͤberhaupt aufgeben, und wenigſtens das zu erwartende Hauptgericht andeuten. Als ich jung war, d. h. in der zweiten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts, hieß es: man erbaͤte ſich die Ehre auf einen Rehbraten, Auerhahn, Wildſchwein ꝛc. Der Geladene wußte, woran er ſei, und konnte vergnuͤglich daruͤber nachdenken, was wohl damit weiter in Verbindung ſtehen werde. Es verdiente der Wiedereinfuͤhrung, ſo ſpießbuͤrgerlich es auch ſcheinen mag. Manches uͤbliche großſtaͤdtiſche Zugeknoͤpftſein iſt dagegen ſpießbuͤrgerlich und ver- diente abgeſchafft zu werden. Ueberhaupt iſt Großſtaͤdtiſch kei- neswegs der Gegenſatz von Spießbuͤrgerlich.
Bei der von mir gemeinten beſtimmten Einladungsart waͤre aber mit Sinn zu verfahren, und nicht, wie z. B.: — der Schauſpieler Pope erhielt eine in folgenden Worten ver- abfaßte Einladung: „Komm, alter Freund, und iß bei mir, und Deine gaſtronomiſche Strenge moͤge nicht zu viel verlan- gen. Wir haben durchaus weiter nichts als Lachs und Beef- ſteak.“ — Der Geladene kam, fand Beefſteak und Lachs trefflich, und bald war er außer Stande, weiter etwas zu ſich zu nehmen. Da zeigte ſich ſeinen verwunderten Blicken ein herrliches, ſo appetitlich duftendes Wildpretſtuͤck, daß der ge- ſaͤttigte Gutſchmecker nicht umhin konnte, zu verſuchen, ob es nicht doch noch ginge. Aber nach einigen vergeblichen Ver- ſuchen legte er Meſſer und Gabel nieder, richtete ſeine mit Thraͤnen gefuͤllten Augen auf ſeinen Wirth, und ſagte ſchluch- zend: „Von einem zwanzigjaͤhrigen Freund haͤtte ich dieß nicht erwartet!“
Dergleichen iſt nun allerdings auch unverantwortlich.
Daß man nicht mehr Gaͤſte ladet, als man vollſtaͤndig mit Speiſen zu verſehen im Stande iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Feinheit gehoͤrt aber dazu, ſolche Gaͤſte zuſammenzuladen oder zuſammenzu- ſetzen, welche auch wirklich zuſammenpaſſen. Man glaubt insge- mein, Mitglieder Eines Standes, Einer Fakultaͤt, Eines Kunſtzwei-
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der Eßeinladungen uͤberhaupt aufgeben, und wenigſtens
das zu erwartende Hauptgericht andeuten. Als ich jung war,
d. h. in der zweiten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts, hieß es:
man erbaͤte ſich die Ehre auf einen Rehbraten, Auerhahn,
Wildſchwein ꝛc. Der Geladene wußte, woran er ſei, und konnte
vergnuͤglich daruͤber nachdenken, was wohl damit weiter in
Verbindung ſtehen werde. Es verdiente der Wiedereinfuͤhrung,
ſo ſpießbuͤrgerlich es auch ſcheinen mag. Manches uͤbliche
großſtaͤdtiſche Zugeknoͤpftſein iſt dagegen ſpießbuͤrgerlich und ver-
diente abgeſchafft zu werden. Ueberhaupt iſt Großſtaͤdtiſch kei-
neswegs der Gegenſatz von Spießbuͤrgerlich.
Bei der von mir gemeinten beſtimmten Einladungsart
waͤre aber mit Sinn zu verfahren, und nicht, wie z. B.: —
der Schauſpieler Pope erhielt eine in folgenden Worten ver-
abfaßte Einladung: „Komm, alter Freund, und iß bei mir,
und Deine gaſtronomiſche Strenge moͤge nicht zu viel verlan-
gen. Wir haben durchaus weiter nichts als Lachs und Beef-
ſteak.“ — Der Geladene kam, fand Beefſteak und Lachs
trefflich, und bald war er außer Stande, weiter etwas zu ſich
zu nehmen. Da zeigte ſich ſeinen verwunderten Blicken ein
herrliches, ſo appetitlich duftendes Wildpretſtuͤck, daß der ge-
ſaͤttigte Gutſchmecker nicht umhin konnte, zu verſuchen, ob es
nicht doch noch ginge. Aber nach einigen vergeblichen Ver-
ſuchen legte er Meſſer und Gabel nieder, richtete ſeine mit
Thraͤnen gefuͤllten Augen auf ſeinen Wirth, und ſagte ſchluch-
zend: „Von einem zwanzigjaͤhrigen Freund haͤtte ich dieß nicht
erwartet!“
Dergleichen iſt nun allerdings auch unverantwortlich.
Daß man nicht mehr Gaͤſte ladet, als man vollſtaͤndig mit
Speiſen zu verſehen im Stande iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Feinheit
gehoͤrt aber dazu, ſolche Gaͤſte zuſammenzuladen oder zuſammenzu-
ſetzen, welche auch wirklich zuſammenpaſſen. Man glaubt insge-
mein, Mitglieder Eines Standes, Einer Fakultaͤt, Eines Kunſtzwei-
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/221>, abgerufen am 23.07.2024.
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