Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Sie legte sich wieder zurück, und schloß die Augen. "Sondern irgendwo da. -- -- Irgendwo unter den "Ich verstehe nicht recht, Fenia. Das ist ja ein "Nicht so dumm, wie du meinst -- --. Aber "Aber was redest du nur eigentlich, Fenia? -- -- "Nun, und da fand ich offenbar, daß ich mitten Er sprang unwillkürlich auf. Ein kurzer Laut des Unwillens entschlüpfte ihm. Er wollte gegen sie aufbrausen, gegen diese Selbst¬ "Du bist krank," sagte er, "du bist es wirklich, wie "Nein, genau gewußt hab ich es erst im Augen¬ Sie legte ſich wieder zurück, und ſchloß die Augen. „Sondern irgendwo da. — — Irgendwo unter den „Ich verſtehe nicht recht, Fenia. Das iſt ja ein „Nicht ſo dumm, wie du meinſt — —. Aber „Aber was redeſt du nur eigentlich, Fenia? — — „Nun, und da fand ich offenbar, daß ich mitten Er ſprang unwillkürlich auf. Ein kurzer Laut des Unwillens entſchlüpfte ihm. Er wollte gegen ſie aufbrauſen, gegen dieſe Selbſt¬ „Du biſt krank,“ ſagte er, „du biſt es wirklich, wie „Nein, genau gewußt hab ich es erſt im Augen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0094" n="90"/> <fw type="pageNum" place="top">— 90 —<lb/></fw> <p>Sie legte ſich wieder zurück, und ſchloß die Augen.</p><lb/> <p>„Sondern irgendwo da. — — Irgendwo unter den<lb/> Griſetten.“</p><lb/> <p>„Ich verſtehe nicht recht, Fenia. Das iſt ja ein<lb/> ganz dummer Traum.“</p><lb/> <p>„Nicht ſo dumm, wie du meinſt — —. Aber<lb/> woher ſollten Träume eigentlich auch klug ſein? Ich<lb/> glaube, unſre klugen Gedanken wirken nur wenig mit<lb/> am Traumgewebe. — — Nein, alle die klugen Gedanken,<lb/> die wir uns ſo allmählich erwerben, alle die aufgeklärten<lb/> und vernünftigen Anſichten, die träumen wir wohl nur<lb/> wenig. — — Im Traum <hi rendition="#g">taxieren</hi> wir uns anders,<lb/> — uns und die Dinge, — verworren und wirr vielleicht,<lb/> aber doch ſo ganz naiv.“</p><lb/> <p>„Aber was redeſt du nur eigentlich, Fenia? — —<lb/> Du taxierteſt dich im Traum —? Nun, und?“</p><lb/> <p>„Nun, und da fand ich offenbar, daß ich mitten<lb/> unter die Griſetten gehörte.“</p><lb/> <p>Er ſprang unwillkürlich auf.</p><lb/> <p>Ein kurzer Laut des Unwillens entſchlüpfte ihm.</p><lb/> <p>Er wollte gegen ſie aufbrauſen, gegen dieſe Selbſt¬<lb/> erniedrigung, die ihn empörte und für ſie beleidigte, aber<lb/> er beſann ſich.</p><lb/> <p>„Du biſt krank,“ ſagte er, „du biſt es wirklich, wie<lb/> könnteſt du ſonſt ſo ganz den Kopf verloren haben. —<lb/> Fenia, ich erkenne dich gar nicht wieder. Wußteſt du<lb/> denn nicht, was du thateſt? —“</p><lb/> <p>„Nein, genau gewußt hab ich es erſt im Augen¬<lb/> blick, als ich mich binden ſollte. Bis dahin verwechſelte<lb/> ich es wohl — mit einer vollen, ganzen Liebe.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [90/0094]
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Sie legte ſich wieder zurück, und ſchloß die Augen.
„Sondern irgendwo da. — — Irgendwo unter den
Griſetten.“
„Ich verſtehe nicht recht, Fenia. Das iſt ja ein
ganz dummer Traum.“
„Nicht ſo dumm, wie du meinſt — —. Aber
woher ſollten Träume eigentlich auch klug ſein? Ich
glaube, unſre klugen Gedanken wirken nur wenig mit
am Traumgewebe. — — Nein, alle die klugen Gedanken,
die wir uns ſo allmählich erwerben, alle die aufgeklärten
und vernünftigen Anſichten, die träumen wir wohl nur
wenig. — — Im Traum taxieren wir uns anders,
— uns und die Dinge, — verworren und wirr vielleicht,
aber doch ſo ganz naiv.“
„Aber was redeſt du nur eigentlich, Fenia? — —
Du taxierteſt dich im Traum —? Nun, und?“
„Nun, und da fand ich offenbar, daß ich mitten
unter die Griſetten gehörte.“
Er ſprang unwillkürlich auf.
Ein kurzer Laut des Unwillens entſchlüpfte ihm.
Er wollte gegen ſie aufbrauſen, gegen dieſe Selbſt¬
erniedrigung, die ihn empörte und für ſie beleidigte, aber
er beſann ſich.
„Du biſt krank,“ ſagte er, „du biſt es wirklich, wie
könnteſt du ſonſt ſo ganz den Kopf verloren haben. —
Fenia, ich erkenne dich gar nicht wieder. Wußteſt du
denn nicht, was du thateſt? —“
„Nein, genau gewußt hab ich es erſt im Augen¬
blick, als ich mich binden ſollte. Bis dahin verwechſelte
ich es wohl — mit einer vollen, ganzen Liebe.“
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