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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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"Uns auswärts zu treffen, ist uns ja auch schlecht
bekommen. -- -- Ach, laß doch! Es liegt so gar nichts
dran," fügte sie freundlich hinzu.

Ihre Stimme fiel ihm auf. So sanft und lieb
klang sie, daß sie Rührung in ihm weckte. Aber ein so
matter Ton klang darin mit, -- -- und weckte auch
Sorge, wie man sie etwa am Krankenbett von leb¬
haften Kindern fühlt, wenn sie plötzlich gar zu artig und
gut werden. --

Sie schwiegen eine Zeitlang.

Endlich sagte er:

"Ich war gestern nicht bei dir, weil ich nicht wußte,
ob du mich sehen wolltest. Aber gedacht hab ich an
dich -- --"

Sie unterbrach ihn mit einem Lächeln:

"Ich auch an dich. Und an die erste Zeit unsrer
Bekanntschaft -- weißt du? Denk' nur -- mir hat
sogar in der Nacht davon geträumt."

"Von Paris?"

Sie richtete sich etwas auf, stützte sich mit der
einen Hand auf das Polster der Ottomane und sah ihn
an. Das Stirnhaar hing ihr ein wenig wirr ins
Gesicht.

"Verstehst du dich auf Traumdeutung? -- -- ach,
übrigens Unsinn, -- aber ich will dir erzählen. -- --
Es war in Paris, ja. In dem Nachtcafe, weißt du?
Ihr saßet alle da am Tisch, -- ganz wie damals. -- --
Und ich war auch da. Aber ich war nicht bei euch am
Tisch."

"Sondern?"

„Uns auswärts zu treffen, iſt uns ja auch ſchlecht
bekommen. — — Ach, laß doch! Es liegt ſo gar nichts
dran,“ fügte ſie freundlich hinzu.

Ihre Stimme fiel ihm auf. So ſanft und lieb
klang ſie, daß ſie Rührung in ihm weckte. Aber ein ſo
matter Ton klang darin mit, — — und weckte auch
Sorge, wie man ſie etwa am Krankenbett von leb¬
haften Kindern fühlt, wenn ſie plötzlich gar zu artig und
gut werden. —

Sie ſchwiegen eine Zeitlang.

Endlich ſagte er:

„Ich war geſtern nicht bei dir, weil ich nicht wußte,
ob du mich ſehen wollteſt. Aber gedacht hab ich an
dich — —“

Sie unterbrach ihn mit einem Lächeln:

„Ich auch an dich. Und an die erſte Zeit unſrer
Bekanntſchaft — weißt du? Denk' nur — mir hat
ſogar in der Nacht davon geträumt.“

„Von Paris?“

Sie richtete ſich etwas auf, ſtützte ſich mit der
einen Hand auf das Polſter der Ottomane und ſah ihn
an. Das Stirnhaar hing ihr ein wenig wirr ins
Geſicht.

„Verſtehſt du dich auf Traumdeutung? — — ach,
übrigens Unſinn, — aber ich will dir erzählen. — —
Es war in Paris, ja. In dem Nachtcafé, weißt du?
Ihr ſaßet alle da am Tiſch, — ganz wie damals. — —
Und ich war auch da. Aber ich war nicht bei euch am
Tiſch.“

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[89/0093] — 89 — „Uns auswärts zu treffen, iſt uns ja auch ſchlecht bekommen. — — Ach, laß doch! Es liegt ſo gar nichts dran,“ fügte ſie freundlich hinzu. Ihre Stimme fiel ihm auf. So ſanft und lieb klang ſie, daß ſie Rührung in ihm weckte. Aber ein ſo matter Ton klang darin mit, — — und weckte auch Sorge, wie man ſie etwa am Krankenbett von leb¬ haften Kindern fühlt, wenn ſie plötzlich gar zu artig und gut werden. — Sie ſchwiegen eine Zeitlang. Endlich ſagte er: „Ich war geſtern nicht bei dir, weil ich nicht wußte, ob du mich ſehen wollteſt. Aber gedacht hab ich an dich — —“ Sie unterbrach ihn mit einem Lächeln: „Ich auch an dich. Und an die erſte Zeit unſrer Bekanntſchaft — weißt du? Denk' nur — mir hat ſogar in der Nacht davon geträumt.“ „Von Paris?“ Sie richtete ſich etwas auf, ſtützte ſich mit der einen Hand auf das Polſter der Ottomane und ſah ihn an. Das Stirnhaar hing ihr ein wenig wirr ins Geſicht. „Verſtehſt du dich auf Traumdeutung? — — ach, übrigens Unſinn, — aber ich will dir erzählen. — — Es war in Paris, ja. In dem Nachtcafé, weißt du? Ihr ſaßet alle da am Tiſch, — ganz wie damals. — — Und ich war auch da. Aber ich war nicht bei euch am Tiſch.“ „Sondern?“

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/93>, abgerufen am 23.11.2024.