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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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"Ich glaube, du verwechselst es jetzt -- mit etwas
zu Geringwertigem. -- Denn über die Wirkung wenig¬
stens war doch keine Täuschung möglich, -- über alles,
was dich so schön und selig erscheinen ließ. Ich sah es
doch selbst, Fenia. Und du selbst, sagtest du nicht so
wunderschön: es gäbe dir Frieden?"

Sie verschränkte die Arme wieder über dem Kopf,
und schaute mit einem sonderbar stillen Ausdruck gegen
die Decke.

"Frieden!" wiederholte sie. -- "Sieh, er wußte
wohl, daß von der Liebe keineswegs Frieden zu erwarten
ist, -- nein, durchaus kein Frieden. -- Wie viel Schwanken
und Quälen, wie viel Seelenarbeit und Seelenwandlung
mag's geben, ehe ein Mensch sich so tief in den andern
hineinpflanzt, -- ja, so tief, daß die beiden nun wirklich
aus einer Wurzel weiter wachsen müssen, wenn sie ge¬
deihen wollen. -- -- So war's bei ihm, -- und als
es nun so weit war nach allem Kämpfen, -- da wurd
es ihm aber auch so klar und einfach, -- so ganz klar,
daß wir eins sind und einander die einzige Hauptsache
im Leben. -- -- Mit so guten, leuchtenden Augen
spricht er davon. -- -- Wie willst du's da wohl ändern,
daß ich mich -- daß ich mich schäme."

Die letzten Worte stieß sie undeutlich heraus, und
sprang von der Ottomane auf.

"-- Frieden --? Ja, es war so etwas, -- ein so
träge seliges Ruhen war es. -- Aber seitdem ich er¬
wacht bin, -- seitdem ich so klar weiß, was es ist,
und erkenne -- -- nein! ich kann's nicht ertragen!"
sagte sie plötzlich wild, "-- mich selbst kann ich nicht

„Ich glaube, du verwechſelſt es jetzt — mit etwas
zu Geringwertigem. — Denn über die Wirkung wenig¬
ſtens war doch keine Täuſchung möglich, — über alles,
was dich ſo ſchön und ſelig erſcheinen ließ. Ich ſah es
doch ſelbſt, Fenia. Und du ſelbſt, ſagteſt du nicht ſo
wunderſchön: es gäbe dir Frieden?“

Sie verſchränkte die Arme wieder über dem Kopf,
und ſchaute mit einem ſonderbar ſtillen Ausdruck gegen
die Decke.

„Frieden!“ wiederholte ſie. — „Sieh, er wußte
wohl, daß von der Liebe keineswegs Frieden zu erwarten
iſt, — nein, durchaus kein Frieden. — Wie viel Schwanken
und Quälen, wie viel Seelenarbeit und Seelenwandlung
mag's geben, ehe ein Menſch ſich ſo tief in den andern
hineinpflanzt, — ja, ſo tief, daß die beiden nun wirklich
aus einer Wurzel weiter wachſen müſſen, wenn ſie ge¬
deihen wollen. — — So war's bei ihm, — und als
es nun ſo weit war nach allem Kämpfen, — da wurd
es ihm aber auch ſo klar und einfach, — ſo ganz klar,
daß wir eins ſind und einander die einzige Hauptſache
im Leben. — — Mit ſo guten, leuchtenden Augen
ſpricht er davon. — — Wie willſt du's da wohl ändern,
daß ich mich — daß ich mich ſchäme.“

Die letzten Worte ſtieß ſie undeutlich heraus, und
ſprang von der Ottomane auf.

„— Frieden —? Ja, es war ſo etwas, — ein ſo
träge ſeliges Ruhen war es. — Aber ſeitdem ich er¬
wacht bin, — ſeitdem ich ſo klar weiß, was es iſt,
und erkenne — — nein! ich kann's nicht ertragen!“
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[91/0095] — 91 — „Ich glaube, du verwechſelſt es jetzt — mit etwas zu Geringwertigem. — Denn über die Wirkung wenig¬ ſtens war doch keine Täuſchung möglich, — über alles, was dich ſo ſchön und ſelig erſcheinen ließ. Ich ſah es doch ſelbſt, Fenia. Und du ſelbſt, ſagteſt du nicht ſo wunderſchön: es gäbe dir Frieden?“ Sie verſchränkte die Arme wieder über dem Kopf, und ſchaute mit einem ſonderbar ſtillen Ausdruck gegen die Decke. „Frieden!“ wiederholte ſie. — „Sieh, er wußte wohl, daß von der Liebe keineswegs Frieden zu erwarten iſt, — nein, durchaus kein Frieden. — Wie viel Schwanken und Quälen, wie viel Seelenarbeit und Seelenwandlung mag's geben, ehe ein Menſch ſich ſo tief in den andern hineinpflanzt, — ja, ſo tief, daß die beiden nun wirklich aus einer Wurzel weiter wachſen müſſen, wenn ſie ge¬ deihen wollen. — — So war's bei ihm, — und als es nun ſo weit war nach allem Kämpfen, — da wurd es ihm aber auch ſo klar und einfach, — ſo ganz klar, daß wir eins ſind und einander die einzige Hauptſache im Leben. — — Mit ſo guten, leuchtenden Augen ſpricht er davon. — — Wie willſt du's da wohl ändern, daß ich mich — daß ich mich ſchäme.“ Die letzten Worte ſtieß ſie undeutlich heraus, und ſprang von der Ottomane auf. „— Frieden —? Ja, es war ſo etwas, — ein ſo träge ſeliges Ruhen war es. — Aber ſeitdem ich er¬ wacht bin, — ſeitdem ich ſo klar weiß, was es iſt, und erkenne — — nein! ich kann's nicht ertragen!“ ſagte ſie plötzlich wild, „— mich ſelbſt kann ich nicht

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/95>, abgerufen am 23.11.2024.