Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Fenster, über eine Näharbeit gebeugt, saß Fenia, als Sie blickte auf und streckte ihm mit Herzlichkeit die "Das ist schön, daß Sie kommen. Setzen Sie sich "Sie waren gestern abend bei Ihrem On¬ "Bis zum Thee blieb ich. -- Diese alberne Geschichte "Dann wird die arme Dame, die da gesehen wor¬ Fenia hörte nicht auf den ironischen Ton hin. Sie "Ja, wissen Sie, das ist doch wirklich etwas Ab¬ Fenſter, über eine Näharbeit gebeugt, ſaß Fenia, als Sie blickte auf und ſtreckte ihm mit Herzlichkeit die „Das iſt ſchön, daß Sie kommen. Setzen Sie ſich „Sie waren geſtern abend bei Ihrem On¬ „Bis zum Thee blieb ich. — Dieſe alberne Geſchichte „Dann wird die arme Dame, die da geſehen wor¬ Fenia hörte nicht auf den ironiſchen Ton hin. Sie „Ja, wiſſen Sie, das iſt doch wirklich etwas Ab¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="53"/><fw type="pageNum" place="top">— 53 —<lb/></fw>Fenſter, über eine Näharbeit gebeugt, ſaß Fenia, als<lb/> Max Werner eintrat.</p><lb/> <p>Sie blickte auf und ſtreckte ihm mit Herzlichkeit die<lb/> Hand entgegen.</p><lb/> <p>„Das iſt ſchön, daß Sie kommen. Setzen Sie ſich<lb/> dorthin. Ich meinte geſtern abend, ich würde Sie bei<lb/> meinem Onkel treffen. — Setzen Sie ſich. Wollen Sie<lb/> rauchen?“</p><lb/> <p>„Sie waren <hi rendition="#g">geſtern abend bei Ihrem On</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">kel</hi>? Waren Sie lange da?“ fragte er mit ſchlecht ver¬<lb/> hehltem Intereſſe, und fügte deshalb ſchnell hinzu: „Nun,<lb/> hat er ſich über die Klatſchgeſchichte beruhigt?“</p><lb/> <p>„Bis zum Thee blieb ich. — Dieſe alberne Geſchichte<lb/> hab ich ihm ziemlich ausgeredet,“ ſagte Fenia ruhig,<lb/> und ſtichelte an ihrer Arbeit. Sie hatte heute eine weiße<lb/> Morgenbluſe an, worin ſie weit jünger ausſah, kindlicher.<lb/> Ihre beiden Flechten hingen ihr den Rücken hinunter.</p><lb/> <p>„Dann wird die arme Dame, die da geſehen wor¬<lb/> den iſt, alſo wohl nicht weiter durch Nachforſchungen<lb/> behelligt werden. Sonſt hätte dabei noch das Drollige<lb/> herauskommen können, daß ſie plötzlich irgend eine eigne,<lb/> vielleicht recht delikate Angelegenheit an die große Glocke<lb/> gehängt ſieht, — um Ihretwillen, Fenia. Thäte Ihnen<lb/> das nicht leid?“ bemerkte er halb ſcherzend, halb ironiſch.</p><lb/> <p>Fenia hörte nicht auf den ironiſchen Ton hin. Sie<lb/> ſtützte das Kinn auf die Hand, ſah ihn an und ſagte<lb/> unwillig:</p><lb/> <p>„Ja, wiſſen Sie, das iſt doch wirklich etwas Ab¬<lb/> ſcheuliches! Ich meine, daß den Frauen in manchen Be¬<lb/> ziehungen die Heimlichkeit einfach aufgezwungen wird!<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0057]
— 53 —
Fenſter, über eine Näharbeit gebeugt, ſaß Fenia, als
Max Werner eintrat.
Sie blickte auf und ſtreckte ihm mit Herzlichkeit die
Hand entgegen.
„Das iſt ſchön, daß Sie kommen. Setzen Sie ſich
dorthin. Ich meinte geſtern abend, ich würde Sie bei
meinem Onkel treffen. — Setzen Sie ſich. Wollen Sie
rauchen?“
„Sie waren geſtern abend bei Ihrem On¬
kel? Waren Sie lange da?“ fragte er mit ſchlecht ver¬
hehltem Intereſſe, und fügte deshalb ſchnell hinzu: „Nun,
hat er ſich über die Klatſchgeſchichte beruhigt?“
„Bis zum Thee blieb ich. — Dieſe alberne Geſchichte
hab ich ihm ziemlich ausgeredet,“ ſagte Fenia ruhig,
und ſtichelte an ihrer Arbeit. Sie hatte heute eine weiße
Morgenbluſe an, worin ſie weit jünger ausſah, kindlicher.
Ihre beiden Flechten hingen ihr den Rücken hinunter.
„Dann wird die arme Dame, die da geſehen wor¬
den iſt, alſo wohl nicht weiter durch Nachforſchungen
behelligt werden. Sonſt hätte dabei noch das Drollige
herauskommen können, daß ſie plötzlich irgend eine eigne,
vielleicht recht delikate Angelegenheit an die große Glocke
gehängt ſieht, — um Ihretwillen, Fenia. Thäte Ihnen
das nicht leid?“ bemerkte er halb ſcherzend, halb ironiſch.
Fenia hörte nicht auf den ironiſchen Ton hin. Sie
ſtützte das Kinn auf die Hand, ſah ihn an und ſagte
unwillig:
„Ja, wiſſen Sie, das iſt doch wirklich etwas Ab¬
ſcheuliches! Ich meine, daß den Frauen in manchen Be¬
ziehungen die Heimlichkeit einfach aufgezwungen wird!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |