Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.er sich. Es war ganz merkwürdig, wie schwer es fiel, Am nächsten Morgen war es Max Werners erster Sie wohnte etwa eine halbe Stunde den Newskij¬ Fenia besaß einen eignen Eingang von der Treppe er ſich. Es war ganz merkwürdig, wie ſchwer es fiel, Am nächſten Morgen war es Max Werners erſter Sie wohnte etwa eine halbe Stunde den Newskij¬ Fenia beſaß einen eignen Eingang von der Treppe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="52"/><fw type="pageNum" place="top">— 52 —<lb/></fw>er ſich. Es war ganz merkwürdig, wie ſchwer es fiel,<lb/> die Frauen in ihrer reinmenſchlichen Mannigfaltigkeit<lb/> aufzufaſſen, und nicht immer nur von der Geſchlechts¬<lb/> natur aus, nicht immer nur halb ſchematiſch. Sei es,<lb/> daß man ſie idealiſierte, oder ſataniſierte, immer verein¬<lb/> fachte man ſie durch eine vereinzelte Rückbeziehung auf den<lb/> Mann. Vielleicht ſtammte vieles von der ſogenannten<lb/> Sphinxhaftigkeit des Weibes daher, daß ſeine volle, ſeine<lb/> dem Mann um nichts nachſtehende Menſchlichkeit ſich mit<lb/> dieſer gewaltſamen Vereinfachung nicht deckte.</p><lb/> <p>Am nächſten Morgen war es Max Werners erſter<lb/> Gedanke, Fenia einen Beſuch zu machen.</p><lb/> <p>Sie wohnte etwa eine halbe Stunde den Newskij¬<lb/> proſpekt weiter zur Admiralität hinauf in einem ganz<lb/> aus <hi rendition="#aq">chambres meublées</hi> beſtehenden Hauſe. Unten im<lb/> behaglich durchheizten Treppenraum, der oft eleganter<lb/> zu ſein pflegt als die Wohnungen ſelbſt, nahm ein Por¬<lb/> tier mit prächtigen Silberlitzen auf ſeiner Livree den<lb/> Ankommenden die Pelze ab. Auf der teppichbelegten<lb/> Treppe begegnete man auch gewöhnlich der Wirtin, einer<lb/> Provinzlerin in loſem, weit nachſchleppendem Kattunrock,<lb/> die hier von früh bis ſpät umherſtrich und überall eine<lb/> gewiſſe Unruhe und Unordnung um ſich verbreitete. Außer<lb/> ihrem Ruſſiſch radebrechte ſie nur noch ein fehlerhaftes<lb/> Franzöſiſch, Deutſch war ihr gänzlich fremd.</p><lb/> <p>Fenia beſaß einen eignen Eingang von der Treppe<lb/> in ihr Wohnſtübchen, das ſich in ein ſchmales Schlaf¬<lb/> gemach öffnete. Das Fenſter war ganz vollgeſtellt mit<lb/> ſchönen Blattpflanzen, die in der gleichmäßigen ruſſiſchen<lb/> Zimmertemperatur ſo vortrefflich gedeihen. Neben dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0056]
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er ſich. Es war ganz merkwürdig, wie ſchwer es fiel,
die Frauen in ihrer reinmenſchlichen Mannigfaltigkeit
aufzufaſſen, und nicht immer nur von der Geſchlechts¬
natur aus, nicht immer nur halb ſchematiſch. Sei es,
daß man ſie idealiſierte, oder ſataniſierte, immer verein¬
fachte man ſie durch eine vereinzelte Rückbeziehung auf den
Mann. Vielleicht ſtammte vieles von der ſogenannten
Sphinxhaftigkeit des Weibes daher, daß ſeine volle, ſeine
dem Mann um nichts nachſtehende Menſchlichkeit ſich mit
dieſer gewaltſamen Vereinfachung nicht deckte.
Am nächſten Morgen war es Max Werners erſter
Gedanke, Fenia einen Beſuch zu machen.
Sie wohnte etwa eine halbe Stunde den Newskij¬
proſpekt weiter zur Admiralität hinauf in einem ganz
aus chambres meublées beſtehenden Hauſe. Unten im
behaglich durchheizten Treppenraum, der oft eleganter
zu ſein pflegt als die Wohnungen ſelbſt, nahm ein Por¬
tier mit prächtigen Silberlitzen auf ſeiner Livree den
Ankommenden die Pelze ab. Auf der teppichbelegten
Treppe begegnete man auch gewöhnlich der Wirtin, einer
Provinzlerin in loſem, weit nachſchleppendem Kattunrock,
die hier von früh bis ſpät umherſtrich und überall eine
gewiſſe Unruhe und Unordnung um ſich verbreitete. Außer
ihrem Ruſſiſch radebrechte ſie nur noch ein fehlerhaftes
Franzöſiſch, Deutſch war ihr gänzlich fremd.
Fenia beſaß einen eignen Eingang von der Treppe
in ihr Wohnſtübchen, das ſich in ein ſchmales Schlaf¬
gemach öffnete. Das Fenſter war ganz vollgeſtellt mit
ſchönen Blattpflanzen, die in der gleichmäßigen ruſſiſchen
Zimmertemperatur ſo vortrefflich gedeihen. Neben dem
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