Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.kürzlich vom Moskauer Bahnhof bis zum Alexander- Da, etwa zwanzig Minuten vom Kloster, in dieser Ein Paar ist im Begriff hineinzusteigen. Der Herr Sie wendete Max Werner beim Einsteigen den Rücken Er zweifelte nicht daran, -- ja, er zweifelte so Er zog die Uhr. Es war elf vorüber. Eine ungeheure Spannung bemächtigte sich seiner. Warum nur? Warum hatte er in beiden Fällen kürzlich vom Moskauer Bahnhof bis zum Alexander- Da, etwa zwanzig Minuten vom Kloſter, in dieſer Ein Paar iſt im Begriff hineinzuſteigen. Der Herr Sie wendete Max Werner beim Einſteigen den Rücken Er zweifelte nicht daran, — ja, er zweifelte ſo Er zog die Uhr. Es war elf vorüber. Eine ungeheure Spannung bemächtigte ſich ſeiner. Warum nur? Warum hatte er in beiden Fällen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="51"/><fw type="pageNum" place="top">— 51 —<lb/></fw>kürzlich vom Moskauer Bahnhof bis zum Alexander-<lb/> Newskijkloſter hin mit Intereſſe ſtudiert hatte.</p><lb/> <p>Da, etwa zwanzig Minuten vom Kloſter, in dieſer<lb/> des Abends völlig vereinſamten Gegend, hält ein Schlit¬<lb/> ten mit drei Pferden und klingelnden Schellen am<lb/> Trottoir.</p><lb/> <p>Ein Paar iſt im Begriff hineinzuſteigen. Der Herr<lb/> groß, elegant gewachſen, in eng anliegendem kurzem Pelz,<lb/> — die Dame von Fenias Wuchs, mit Biber an Kragen,<lb/> Muff und Mütze.</p><lb/> <p>Sie wendete Max Werner beim Einſteigen den Rücken<lb/> zu. Nur ſekundenlang erhaſchte er ein Stückchen ver¬<lb/> lorener Profillinie im Licht der hier nur ſpärlich brennen¬<lb/> den Gaslaternen, — und doch! — es <hi rendition="#g">mußte</hi> Fenia ſein!</p><lb/> <p>Er zweifelte nicht daran, — ja, er zweifelte ſo<lb/> wenig, daß er nicht wagte, ſeinen Schritt anzuhalten,<lb/> oder ſie anzurufen, oder zu grüßen, — und im nächſten<lb/> Augenblick ſauſte der Schlitten in der Richtung des<lb/> Kloſters nach den Stadtgrenzen hinaus.</p><lb/> <p>Er zog die Uhr. Es war elf vorüber.</p><lb/> <p>Eine ungeheure Spannung bemächtigte ſich ſeiner.<lb/> Fenia! ſollte Fenia ihn zum zweitenmal in ſeinem Leben<lb/> zum Dummen gemacht haben, — dieſes Mal im entgegen¬<lb/> geſetzten Sinn wie damals? Er war jetzt genau ſo ge¬<lb/> neigt geweſen, in Fenia nur das herb Unſchuldige zu<lb/> ſehen, als ſei es ein für allemal ihre Eigenart und<lb/> Signatur, wie er in Paris geneigt geweſen war, da¬<lb/> hinter ein beſondres Raffinement zu wittern.</p><lb/> <p>Warum nur? Warum hatte er in beiden Fällen<lb/> ihr Weſen ſo typiſch genommen, ſo grob fixiert? fragte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0055]
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kürzlich vom Moskauer Bahnhof bis zum Alexander-
Newskijkloſter hin mit Intereſſe ſtudiert hatte.
Da, etwa zwanzig Minuten vom Kloſter, in dieſer
des Abends völlig vereinſamten Gegend, hält ein Schlit¬
ten mit drei Pferden und klingelnden Schellen am
Trottoir.
Ein Paar iſt im Begriff hineinzuſteigen. Der Herr
groß, elegant gewachſen, in eng anliegendem kurzem Pelz,
— die Dame von Fenias Wuchs, mit Biber an Kragen,
Muff und Mütze.
Sie wendete Max Werner beim Einſteigen den Rücken
zu. Nur ſekundenlang erhaſchte er ein Stückchen ver¬
lorener Profillinie im Licht der hier nur ſpärlich brennen¬
den Gaslaternen, — und doch! — es mußte Fenia ſein!
Er zweifelte nicht daran, — ja, er zweifelte ſo
wenig, daß er nicht wagte, ſeinen Schritt anzuhalten,
oder ſie anzurufen, oder zu grüßen, — und im nächſten
Augenblick ſauſte der Schlitten in der Richtung des
Kloſters nach den Stadtgrenzen hinaus.
Er zog die Uhr. Es war elf vorüber.
Eine ungeheure Spannung bemächtigte ſich ſeiner.
Fenia! ſollte Fenia ihn zum zweitenmal in ſeinem Leben
zum Dummen gemacht haben, — dieſes Mal im entgegen¬
geſetzten Sinn wie damals? Er war jetzt genau ſo ge¬
neigt geweſen, in Fenia nur das herb Unſchuldige zu
ſehen, als ſei es ein für allemal ihre Eigenart und
Signatur, wie er in Paris geneigt geweſen war, da¬
hinter ein beſondres Raffinement zu wittern.
Warum nur? Warum hatte er in beiden Fällen
ihr Weſen ſo typiſch genommen, ſo grob fixiert? fragte
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