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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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machte; aus meiner Verehrung und Freundschaft für ihn ließen sie sich nicht Wohl erklären, seitdem er aus längere Zeit in Geschäften verreis't war. Als er zurückgekommen, hatten wir ein langes Gespräch unter vier Augen, in welchem wir uns Beide ein wenig ereiferten: der Baron war nicht ganz frei von Adelsvorurtheilen; trotzdem rief er am Schlusse der Unterredung: Wohlan, das Mädchen mag selbst entscheiden; im Grunde gönn' ich sie Ihnen ja vom Herzen. Und wenn es dort oben geschrieben steht, daß Anna von Halden und der Landprediger von Neu-Wakefield ein Paar werden sollen, so läßt sich nichts dagegen machen, und dem zuletzt gefragten Vormund bleibt nichts übrig, als sein Jawort zu sprechen.

Und es stand allerdings oben geschrieben; und als ich einige Wochen später in der gedachten Gartenlaube zu Dreien saß, ohne an die Predigt für den nächsten Sonntag zu denken, -- da fehlte mir wirklich nichts mehr.

Mit diesen Worten endigte der Pastor seine Erzählung, während draußen der Wächter die zwölfte Stunde rief.

Und was ist aus dem Referendar geworden? fragte der Major.

Er starb vor einigen Jahren als Regierungsrath!

Und von dem Amtmann haben Sie wohl nichts weiter gehört?

Nur, daß er in derselben Woche, als ich Hochzeit hielt, seine Verbindung mit der "Mamsell" feierte, bei welcher Gelegenheit sich der Verwalter stark betrunken haben soll.

Und diese ganze Geschichte wäre wahr? fragte Fräulein Antonie. Nein, nein, Herr Pastor, ich kann es nicht glauben; es fügt sich Alles darin zu wunderbar

machte; aus meiner Verehrung und Freundschaft für ihn ließen sie sich nicht Wohl erklären, seitdem er aus längere Zeit in Geschäften verreis't war. Als er zurückgekommen, hatten wir ein langes Gespräch unter vier Augen, in welchem wir uns Beide ein wenig ereiferten: der Baron war nicht ganz frei von Adelsvorurtheilen; trotzdem rief er am Schlusse der Unterredung: Wohlan, das Mädchen mag selbst entscheiden; im Grunde gönn' ich sie Ihnen ja vom Herzen. Und wenn es dort oben geschrieben steht, daß Anna von Halden und der Landprediger von Neu-Wakefield ein Paar werden sollen, so läßt sich nichts dagegen machen, und dem zuletzt gefragten Vormund bleibt nichts übrig, als sein Jawort zu sprechen.

Und es stand allerdings oben geschrieben; und als ich einige Wochen später in der gedachten Gartenlaube zu Dreien saß, ohne an die Predigt für den nächsten Sonntag zu denken, — da fehlte mir wirklich nichts mehr.

Mit diesen Worten endigte der Pastor seine Erzählung, während draußen der Wächter die zwölfte Stunde rief.

Und was ist aus dem Referendar geworden? fragte der Major.

Er starb vor einigen Jahren als Regierungsrath!

Und von dem Amtmann haben Sie wohl nichts weiter gehört?

Nur, daß er in derselben Woche, als ich Hochzeit hielt, seine Verbindung mit der „Mamsell“ feierte, bei welcher Gelegenheit sich der Verwalter stark betrunken haben soll.

Und diese ganze Geschichte wäre wahr? fragte Fräulein Antonie. Nein, nein, Herr Pastor, ich kann es nicht glauben; es fügt sich Alles darin zu wunderbar

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[0078] machte; aus meiner Verehrung und Freundschaft für ihn ließen sie sich nicht Wohl erklären, seitdem er aus längere Zeit in Geschäften verreis't war. Als er zurückgekommen, hatten wir ein langes Gespräch unter vier Augen, in welchem wir uns Beide ein wenig ereiferten: der Baron war nicht ganz frei von Adelsvorurtheilen; trotzdem rief er am Schlusse der Unterredung: Wohlan, das Mädchen mag selbst entscheiden; im Grunde gönn' ich sie Ihnen ja vom Herzen. Und wenn es dort oben geschrieben steht, daß Anna von Halden und der Landprediger von Neu-Wakefield ein Paar werden sollen, so läßt sich nichts dagegen machen, und dem zuletzt gefragten Vormund bleibt nichts übrig, als sein Jawort zu sprechen. Und es stand allerdings oben geschrieben; und als ich einige Wochen später in der gedachten Gartenlaube zu Dreien saß, ohne an die Predigt für den nächsten Sonntag zu denken, — da fehlte mir wirklich nichts mehr. Mit diesen Worten endigte der Pastor seine Erzählung, während draußen der Wächter die zwölfte Stunde rief. Und was ist aus dem Referendar geworden? fragte der Major. Er starb vor einigen Jahren als Regierungsrath! Und von dem Amtmann haben Sie wohl nichts weiter gehört? Nur, daß er in derselben Woche, als ich Hochzeit hielt, seine Verbindung mit der „Mamsell“ feierte, bei welcher Gelegenheit sich der Verwalter stark betrunken haben soll. Und diese ganze Geschichte wäre wahr? fragte Fräulein Antonie. Nein, nein, Herr Pastor, ich kann es nicht glauben; es fügt sich Alles darin zu wunderbar

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:28:07Z)

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/78>, abgerufen am 29.03.2024.