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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mit welchem Rechte, fragte er langsam, mischen Sie sich eigentlich in fremde Familienangelegenheiten? He?

Zunächst mit dem Rechte einer langjährigen Freundschaft, welche zwischen dem Vater dieser Dame und mir bestanden.

Darauf giebt das Gesetz gar nichts -- Freundschaft hat keine legale Wirkungen.

Sie haben Recht; und da auch Herrn von Halden diese Bemerkung nicht entging, versäumte er nicht, vor seiner Abreise nach Rußland bei dem königlichen Gericht zu Steinau ein Testament zu deponiren, in welchem er mich für den Fall seines Todes zum Vormund des Fräuleins ernannte.

Ein Testament! Vor -- mund -- lallte der Amtmann und sank wie gelähmt in seinen Sessel zurück.

O Gott, es kränkt ihn, rief Fräulein von Halden bewegt; und neben ihm niederknieend ergriff sie die Hand des alten Mannes und suchte ihn zu begütigen. Vormund oder nicht, Onkel, sprach sie, ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schuldig bin.

Bitte -- nehmen Sie Platz, meine Herren, sagte der Amtmann mit einer Handbewegung. Wo ist Johann? Er soll die Pferde des Barons in den Stall bringen!

Nicht doch, Herr Amtmann, sagte der Baron, ich gedenke sogleich mit dem Fräulein abzureisen; nach dem Empfange, welcher mir von Ihnen zu Theil wurde, will ich Sie nicht langer belästigen.

Entschuldigen Sie mich; bedenken Sie, Herr, wie konnt' ich wissen -- Gestatten Sie mir wenigstens einen Blick in das Testament meines Schwagers -- Sie werden es dach ohne Zweifel --

Mitgebracht haben. Allerdings und zwar in gerichtlich beglaubigter Abschrift. Hier, lesen Sie mit Muße, indessen Sie, gnädiges Fräulein, Ihre Reisevorbereitungen machen werden -- nicht so?

Mit welchem Rechte, fragte er langsam, mischen Sie sich eigentlich in fremde Familienangelegenheiten? He?

Zunächst mit dem Rechte einer langjährigen Freundschaft, welche zwischen dem Vater dieser Dame und mir bestanden.

Darauf giebt das Gesetz gar nichts — Freundschaft hat keine legale Wirkungen.

Sie haben Recht; und da auch Herrn von Halden diese Bemerkung nicht entging, versäumte er nicht, vor seiner Abreise nach Rußland bei dem königlichen Gericht zu Steinau ein Testament zu deponiren, in welchem er mich für den Fall seines Todes zum Vormund des Fräuleins ernannte.

Ein Testament! Vor — mund — lallte der Amtmann und sank wie gelähmt in seinen Sessel zurück.

O Gott, es kränkt ihn, rief Fräulein von Halden bewegt; und neben ihm niederknieend ergriff sie die Hand des alten Mannes und suchte ihn zu begütigen. Vormund oder nicht, Onkel, sprach sie, ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schuldig bin.

Bitte — nehmen Sie Platz, meine Herren, sagte der Amtmann mit einer Handbewegung. Wo ist Johann? Er soll die Pferde des Barons in den Stall bringen!

Nicht doch, Herr Amtmann, sagte der Baron, ich gedenke sogleich mit dem Fräulein abzureisen; nach dem Empfange, welcher mir von Ihnen zu Theil wurde, will ich Sie nicht langer belästigen.

Entschuldigen Sie mich; bedenken Sie, Herr, wie konnt' ich wissen — Gestatten Sie mir wenigstens einen Blick in das Testament meines Schwagers — Sie werden es dach ohne Zweifel —

Mitgebracht haben. Allerdings und zwar in gerichtlich beglaubigter Abschrift. Hier, lesen Sie mit Muße, indessen Sie, gnädiges Fräulein, Ihre Reisevorbereitungen machen werden — nicht so?

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[0071] Mit welchem Rechte, fragte er langsam, mischen Sie sich eigentlich in fremde Familienangelegenheiten? He? Zunächst mit dem Rechte einer langjährigen Freundschaft, welche zwischen dem Vater dieser Dame und mir bestanden. Darauf giebt das Gesetz gar nichts — Freundschaft hat keine legale Wirkungen. Sie haben Recht; und da auch Herrn von Halden diese Bemerkung nicht entging, versäumte er nicht, vor seiner Abreise nach Rußland bei dem königlichen Gericht zu Steinau ein Testament zu deponiren, in welchem er mich für den Fall seines Todes zum Vormund des Fräuleins ernannte. Ein Testament! Vor — mund — lallte der Amtmann und sank wie gelähmt in seinen Sessel zurück. O Gott, es kränkt ihn, rief Fräulein von Halden bewegt; und neben ihm niederknieend ergriff sie die Hand des alten Mannes und suchte ihn zu begütigen. Vormund oder nicht, Onkel, sprach sie, ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schuldig bin. Bitte — nehmen Sie Platz, meine Herren, sagte der Amtmann mit einer Handbewegung. Wo ist Johann? Er soll die Pferde des Barons in den Stall bringen! Nicht doch, Herr Amtmann, sagte der Baron, ich gedenke sogleich mit dem Fräulein abzureisen; nach dem Empfange, welcher mir von Ihnen zu Theil wurde, will ich Sie nicht langer belästigen. Entschuldigen Sie mich; bedenken Sie, Herr, wie konnt' ich wissen — Gestatten Sie mir wenigstens einen Blick in das Testament meines Schwagers — Sie werden es dach ohne Zweifel — Mitgebracht haben. Allerdings und zwar in gerichtlich beglaubigter Abschrift. Hier, lesen Sie mit Muße, indessen Sie, gnädiges Fräulein, Ihre Reisevorbereitungen machen werden — nicht so?

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/71>, abgerufen am 26.04.2024.