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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Indessen beschloß ich, Alles zu versuchen, mich, Wenn möglich, aus meinem Abgrund zu befreien und das verlorne Paradies durch eigene Anstrengungen wiederzugewinnen. Ich tappte vorsichtig umher, ob ich nicht einer Leiter habhaft wurde oder einen Ausgang fände. Obgleich ich nach und nach sämmtliche vier Wände berührt und mir einige Brauschen gestoßen hatte, fand ich doch nur eine von außen verschlossene Thür und kein anderes Geräth, als einige Heugabeln und Dreschflegel. Ich überlegte eben, ob ich die Thür sprengen und auf die Gefahr hin, von den Hofhunden zerrissen zu werden, oder doch mir eine vielleicht lebensgefährliche Erkältung zu holen, von außen wieder in das Haus zu dringen versuchen sollte: als ich draußen plötzlich ein Geräusch vernahm. Schwere Fußtritte ließen sich hören, sodann ein halblautes Gesprach, von dem ich nur einzelne Worte verstand, welche mich mit Besorgniß erfüllten. Gleich darauf verloren sich die Fußtritte. Alles wurde still. Ich überlegte, ob ich schreien und das Haus allarmiren sollte. Aber das war nicht von Nöthen: denn ein lautes Krachen, wahrscheinlich vom gewaltsamen Erbrechen einer Thür, und ein fürchterliches "Rüdengeheul" ertönte. Bald darauf wurde der Lärm allgemein, aber bereits im Innern des Hauses ; Thüren wurden zugeschlagen, Möbeln umgeworfen -- ein Schus fiel. Dann eine augenblickliche Stile, der ein wildes Geschrei folgte; es kam immer näher; ich hörte Fußtritte über meinem Haupte, und plötzlich sprang eine weiße Gestalt von oben herunter, mir fast auf die Schultern. Wer da? rief ich erschrocken. Ein Faustschlag, der mich zu Boden warf, war die Antwort, und ich hörte, wie sich die Gestalt in einer Ecke des Speichers im Heu verkroch. Gleichzeitig fiel ein grelles Schlaglicht von oben in den Raum. Ich sah eine auf der Spitze eines Bayonetts schwankende Laterne durch eine Oeffnung der Decke hereinschweben. Zugleich hörte ich oben Stimmen: Ich sehe ihn, Herr Commissär! --

Indessen beschloß ich, Alles zu versuchen, mich, Wenn möglich, aus meinem Abgrund zu befreien und das verlorne Paradies durch eigene Anstrengungen wiederzugewinnen. Ich tappte vorsichtig umher, ob ich nicht einer Leiter habhaft wurde oder einen Ausgang fände. Obgleich ich nach und nach sämmtliche vier Wände berührt und mir einige Brauschen gestoßen hatte, fand ich doch nur eine von außen verschlossene Thür und kein anderes Geräth, als einige Heugabeln und Dreschflegel. Ich überlegte eben, ob ich die Thür sprengen und auf die Gefahr hin, von den Hofhunden zerrissen zu werden, oder doch mir eine vielleicht lebensgefährliche Erkältung zu holen, von außen wieder in das Haus zu dringen versuchen sollte: als ich draußen plötzlich ein Geräusch vernahm. Schwere Fußtritte ließen sich hören, sodann ein halblautes Gesprach, von dem ich nur einzelne Worte verstand, welche mich mit Besorgniß erfüllten. Gleich darauf verloren sich die Fußtritte. Alles wurde still. Ich überlegte, ob ich schreien und das Haus allarmiren sollte. Aber das war nicht von Nöthen: denn ein lautes Krachen, wahrscheinlich vom gewaltsamen Erbrechen einer Thür, und ein fürchterliches „Rüdengeheul“ ertönte. Bald darauf wurde der Lärm allgemein, aber bereits im Innern des Hauses ; Thüren wurden zugeschlagen, Möbeln umgeworfen — ein Schus fiel. Dann eine augenblickliche Stile, der ein wildes Geschrei folgte; es kam immer näher; ich hörte Fußtritte über meinem Haupte, und plötzlich sprang eine weiße Gestalt von oben herunter, mir fast auf die Schultern. Wer da? rief ich erschrocken. Ein Faustschlag, der mich zu Boden warf, war die Antwort, und ich hörte, wie sich die Gestalt in einer Ecke des Speichers im Heu verkroch. Gleichzeitig fiel ein grelles Schlaglicht von oben in den Raum. Ich sah eine auf der Spitze eines Bayonetts schwankende Laterne durch eine Oeffnung der Decke hereinschweben. Zugleich hörte ich oben Stimmen: Ich sehe ihn, Herr Commissär! —

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[0034] Indessen beschloß ich, Alles zu versuchen, mich, Wenn möglich, aus meinem Abgrund zu befreien und das verlorne Paradies durch eigene Anstrengungen wiederzugewinnen. Ich tappte vorsichtig umher, ob ich nicht einer Leiter habhaft wurde oder einen Ausgang fände. Obgleich ich nach und nach sämmtliche vier Wände berührt und mir einige Brauschen gestoßen hatte, fand ich doch nur eine von außen verschlossene Thür und kein anderes Geräth, als einige Heugabeln und Dreschflegel. Ich überlegte eben, ob ich die Thür sprengen und auf die Gefahr hin, von den Hofhunden zerrissen zu werden, oder doch mir eine vielleicht lebensgefährliche Erkältung zu holen, von außen wieder in das Haus zu dringen versuchen sollte: als ich draußen plötzlich ein Geräusch vernahm. Schwere Fußtritte ließen sich hören, sodann ein halblautes Gesprach, von dem ich nur einzelne Worte verstand, welche mich mit Besorgniß erfüllten. Gleich darauf verloren sich die Fußtritte. Alles wurde still. Ich überlegte, ob ich schreien und das Haus allarmiren sollte. Aber das war nicht von Nöthen: denn ein lautes Krachen, wahrscheinlich vom gewaltsamen Erbrechen einer Thür, und ein fürchterliches „Rüdengeheul“ ertönte. Bald darauf wurde der Lärm allgemein, aber bereits im Innern des Hauses ; Thüren wurden zugeschlagen, Möbeln umgeworfen — ein Schus fiel. Dann eine augenblickliche Stile, der ein wildes Geschrei folgte; es kam immer näher; ich hörte Fußtritte über meinem Haupte, und plötzlich sprang eine weiße Gestalt von oben herunter, mir fast auf die Schultern. Wer da? rief ich erschrocken. Ein Faustschlag, der mich zu Boden warf, war die Antwort, und ich hörte, wie sich die Gestalt in einer Ecke des Speichers im Heu verkroch. Gleichzeitig fiel ein grelles Schlaglicht von oben in den Raum. Ich sah eine auf der Spitze eines Bayonetts schwankende Laterne durch eine Oeffnung der Decke hereinschweben. Zugleich hörte ich oben Stimmen: Ich sehe ihn, Herr Commissär! —

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:28:07Z)

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/34>, abgerufen am 28.03.2024.