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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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kühner Husarenoberst, der Referendar als Oberauditeur und ich selbst als Feldprediger und Verfasser von Proclamationen mitwirken müsse.

Um drei Uhr endlich trieb der Referendar zum Schlafengehen. Der gastliche Wirth wollte es anfangs nicht zugeben, daß wir schon auseinander gingen. Es ist doch verdammt einerlei, sagte er, ob wir eine Stunde länger trinken, oder eine Stunde früher einschlafen.

Bedenke, Freund, versetzte der Andere, daß es absolut keine moralisch gleichgültige Handlung giebt; daß wir also jetzt, wenn wir nach sittlichen Grundsätzen leben wollen, entweder schlafen gehen oder forttrinken müssen; nur eine dieser beiden Möglichkeiten kann moralisch, die andere muß unmoralisch sein. Es ist nun für mich schlechthin moralische Nothwendigkeit, zu Bett zu gehen, und damit gute Nacht! Er nahm mit diesen Worten seinen Fichte und ging hinaus.

Auch ich fühlte, wenn nicht ein moralisches, doch physisches Bedürfniß der Ruhe. Der Baron schellte und befahl dem langen Diener, mich zu Bett zu führen. Nachdem wir uns gegenseitig eine gute Nacht gewünscht, folgte ich dem vorleuchtenden Giganten durch einige labyrinthische Gänge und Galerieen und gelangte endlich in ein geräumiges Schlafzimmer, in dessen Kamin eine helle Flamme knisterte. Der Diener stellte das Licht auf den Tisch und ging stumm von dannen.

Als der letzte seiner Schritte verhallt war, überlief mich ein angenehmer Schauer; ich fühlte mich in einer höchst romantischen Situation: in einem alten Ritterschlosse gefährlich bedroht, dann gastlich bewirthet, in eine dunkle Verschwörung halb und halb mit eingeweiht -- jetzt in einer abgelegenen, wunderlichen Kammer, deren Decke mit Wolken, Engeln, Drachen und anderen Fabelthieren bemalt war, vor einem ungeheuren Himmelbett -- mit rothen Vorhängen, in welchem vielleicht ganze Generationen von Rittern und Edelfrauen geruht hatten -- das ganze Bild schauerlich beleuchtet von

kühner Husarenoberst, der Referendar als Oberauditeur und ich selbst als Feldprediger und Verfasser von Proclamationen mitwirken müsse.

Um drei Uhr endlich trieb der Referendar zum Schlafengehen. Der gastliche Wirth wollte es anfangs nicht zugeben, daß wir schon auseinander gingen. Es ist doch verdammt einerlei, sagte er, ob wir eine Stunde länger trinken, oder eine Stunde früher einschlafen.

Bedenke, Freund, versetzte der Andere, daß es absolut keine moralisch gleichgültige Handlung giebt; daß wir also jetzt, wenn wir nach sittlichen Grundsätzen leben wollen, entweder schlafen gehen oder forttrinken müssen; nur eine dieser beiden Möglichkeiten kann moralisch, die andere muß unmoralisch sein. Es ist nun für mich schlechthin moralische Nothwendigkeit, zu Bett zu gehen, und damit gute Nacht! Er nahm mit diesen Worten seinen Fichte und ging hinaus.

Auch ich fühlte, wenn nicht ein moralisches, doch physisches Bedürfniß der Ruhe. Der Baron schellte und befahl dem langen Diener, mich zu Bett zu führen. Nachdem wir uns gegenseitig eine gute Nacht gewünscht, folgte ich dem vorleuchtenden Giganten durch einige labyrinthische Gänge und Galerieen und gelangte endlich in ein geräumiges Schlafzimmer, in dessen Kamin eine helle Flamme knisterte. Der Diener stellte das Licht auf den Tisch und ging stumm von dannen.

Als der letzte seiner Schritte verhallt war, überlief mich ein angenehmer Schauer; ich fühlte mich in einer höchst romantischen Situation: in einem alten Ritterschlosse gefährlich bedroht, dann gastlich bewirthet, in eine dunkle Verschwörung halb und halb mit eingeweiht — jetzt in einer abgelegenen, wunderlichen Kammer, deren Decke mit Wolken, Engeln, Drachen und anderen Fabelthieren bemalt war, vor einem ungeheuren Himmelbett — mit rothen Vorhängen, in welchem vielleicht ganze Generationen von Rittern und Edelfrauen geruht hatten — das ganze Bild schauerlich beleuchtet von

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[0031] kühner Husarenoberst, der Referendar als Oberauditeur und ich selbst als Feldprediger und Verfasser von Proclamationen mitwirken müsse. Um drei Uhr endlich trieb der Referendar zum Schlafengehen. Der gastliche Wirth wollte es anfangs nicht zugeben, daß wir schon auseinander gingen. Es ist doch verdammt einerlei, sagte er, ob wir eine Stunde länger trinken, oder eine Stunde früher einschlafen. Bedenke, Freund, versetzte der Andere, daß es absolut keine moralisch gleichgültige Handlung giebt; daß wir also jetzt, wenn wir nach sittlichen Grundsätzen leben wollen, entweder schlafen gehen oder forttrinken müssen; nur eine dieser beiden Möglichkeiten kann moralisch, die andere muß unmoralisch sein. Es ist nun für mich schlechthin moralische Nothwendigkeit, zu Bett zu gehen, und damit gute Nacht! Er nahm mit diesen Worten seinen Fichte und ging hinaus. Auch ich fühlte, wenn nicht ein moralisches, doch physisches Bedürfniß der Ruhe. Der Baron schellte und befahl dem langen Diener, mich zu Bett zu führen. Nachdem wir uns gegenseitig eine gute Nacht gewünscht, folgte ich dem vorleuchtenden Giganten durch einige labyrinthische Gänge und Galerieen und gelangte endlich in ein geräumiges Schlafzimmer, in dessen Kamin eine helle Flamme knisterte. Der Diener stellte das Licht auf den Tisch und ging stumm von dannen. Als der letzte seiner Schritte verhallt war, überlief mich ein angenehmer Schauer; ich fühlte mich in einer höchst romantischen Situation: in einem alten Ritterschlosse gefährlich bedroht, dann gastlich bewirthet, in eine dunkle Verschwörung halb und halb mit eingeweiht — jetzt in einer abgelegenen, wunderlichen Kammer, deren Decke mit Wolken, Engeln, Drachen und anderen Fabelthieren bemalt war, vor einem ungeheuren Himmelbett — mit rothen Vorhängen, in welchem vielleicht ganze Generationen von Rittern und Edelfrauen geruht hatten — das ganze Bild schauerlich beleuchtet von

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/31>, abgerufen am 23.11.2024.