Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ließen und alsbald der reckenhafte Bediente eintrat mit der lakonischen Meldung: Der Herr Referendarius sind da. Der Baron besann sich eine Weile und sagte dann: Er kann hereinkommen. Mir wurde leichter ums Herz; ein Jurist, ein Diener der Themis -- gab es einen stärkern Schutz gegen die mörderischen Gelüste meines Wirthes? Der Referendarius -- außer Dienst, wie ich nachher erfuhr, indem er nach dem Frieden von Tilsit wegen Mangel an Beschäftigung entlassen und zu stolz war, in westphälische Dienste zu treten, -- erschien in der Gestalt eines langen, blassen, schwarzgekleideten Mannes mit hohen Vatermördern und einer hörnernen Brille. Er begrüßte uns schweigend. Bruder! sagte der Freiherr, ihm die Hand drückend, hier ist ein kritischer Fall. Der Erwartete ist nicht gekommen, statt dessen dieser Herr. Dabei stellte er mich dem Referendarius vor, welcher mir eine steife Verbeugung machte, erzählte ihm die ganze Sachlage, sogar seinen verzweifelten Entschluß in Betreff meiner und forderte seinen Rath. Das ist ja die einfachste Sache von der Welt, sagte Jener, und da hättest du beinahe ein homicidium begangen ; welche Uebereilung! Wir werden sogleich wissen, wie wir daran sind. Eventuell können wir ja den Herrn Candidaten durch mildere Maßregeln unschädlich machen. Aber ich hoffe, er ist ein Mann von Ehre und Vaterlandsliebe, was ich gleich ermitteln werde. Damit ging er feierlich auf mich zu, legte seine Hände auf mein Haupt und befühlte es von allen Seiten. Seine Miene wurde bei dieser komischen Untersuchung immer freundlicher, und er erklärte am Ende derselben: Wir können ganz ruhig sein. Ich garantire für ihn. Der Teufel hole deinen phrenologischen Unsinn! versetzte der Baron halb zornig, halb lachend. Doch die Sache ist abgemacht; mein Herr, ich vertraue Ihrer Ehre. Hier ist meine Hand. ließen und alsbald der reckenhafte Bediente eintrat mit der lakonischen Meldung: Der Herr Referendarius sind da. Der Baron besann sich eine Weile und sagte dann: Er kann hereinkommen. Mir wurde leichter ums Herz; ein Jurist, ein Diener der Themis — gab es einen stärkern Schutz gegen die mörderischen Gelüste meines Wirthes? Der Referendarius — außer Dienst, wie ich nachher erfuhr, indem er nach dem Frieden von Tilsit wegen Mangel an Beschäftigung entlassen und zu stolz war, in westphälische Dienste zu treten, — erschien in der Gestalt eines langen, blassen, schwarzgekleideten Mannes mit hohen Vatermördern und einer hörnernen Brille. Er begrüßte uns schweigend. Bruder! sagte der Freiherr, ihm die Hand drückend, hier ist ein kritischer Fall. Der Erwartete ist nicht gekommen, statt dessen dieser Herr. Dabei stellte er mich dem Referendarius vor, welcher mir eine steife Verbeugung machte, erzählte ihm die ganze Sachlage, sogar seinen verzweifelten Entschluß in Betreff meiner und forderte seinen Rath. Das ist ja die einfachste Sache von der Welt, sagte Jener, und da hättest du beinahe ein homicidium begangen ; welche Uebereilung! Wir werden sogleich wissen, wie wir daran sind. Eventuell können wir ja den Herrn Candidaten durch mildere Maßregeln unschädlich machen. Aber ich hoffe, er ist ein Mann von Ehre und Vaterlandsliebe, was ich gleich ermitteln werde. Damit ging er feierlich auf mich zu, legte seine Hände auf mein Haupt und befühlte es von allen Seiten. Seine Miene wurde bei dieser komischen Untersuchung immer freundlicher, und er erklärte am Ende derselben: Wir können ganz ruhig sein. Ich garantire für ihn. Der Teufel hole deinen phrenologischen Unsinn! versetzte der Baron halb zornig, halb lachend. Doch die Sache ist abgemacht; mein Herr, ich vertraue Ihrer Ehre. 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Der Baron besann sich eine Weile und sagte dann: Er kann hereinkommen.
Mir wurde leichter ums Herz; ein Jurist, ein Diener der Themis — gab es einen stärkern Schutz gegen die mörderischen Gelüste meines Wirthes?
Der Referendarius — außer Dienst, wie ich nachher erfuhr, indem er nach dem Frieden von Tilsit wegen Mangel an Beschäftigung entlassen und zu stolz war, in westphälische Dienste zu treten, — erschien in der Gestalt eines langen, blassen, schwarzgekleideten Mannes mit hohen Vatermördern und einer hörnernen Brille. Er begrüßte uns schweigend.
Bruder! sagte der Freiherr, ihm die Hand drückend, hier ist ein kritischer Fall. Der Erwartete ist nicht gekommen, statt dessen dieser Herr. Dabei stellte er mich dem Referendarius vor, welcher mir eine steife Verbeugung machte, erzählte ihm die ganze Sachlage, sogar seinen verzweifelten Entschluß in Betreff meiner und forderte seinen Rath.
Das ist ja die einfachste Sache von der Welt, sagte Jener, und da hättest du beinahe ein homicidium begangen ; welche Uebereilung! Wir werden sogleich wissen, wie wir daran sind. Eventuell können wir ja den Herrn Candidaten durch mildere Maßregeln unschädlich machen. Aber ich hoffe, er ist ein Mann von Ehre und Vaterlandsliebe, was ich gleich ermitteln werde.
Damit ging er feierlich auf mich zu, legte seine Hände auf mein Haupt und befühlte es von allen Seiten. Seine Miene wurde bei dieser komischen Untersuchung immer freundlicher, und er erklärte am Ende derselben: Wir können ganz ruhig sein. Ich garantire für ihn.
Der Teufel hole deinen phrenologischen Unsinn! versetzte der Baron halb zornig, halb lachend. Doch die Sache ist abgemacht; mein Herr, ich vertraue Ihrer Ehre. Hier ist meine Hand.
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Zitationshilfe: | Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/27>, abgerufen am 16.07.2024. |