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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dann ging er ein paar Mal schweigend auf und ab, trat plötzlich vor mich hin und sagte feierlich:

Glauben Sie an die Heiligkeit des Eides?

Wie können Sie daran zweifeln! erwiederte ich, die Hand aufs Herz legend.

Wohlan, mein Herr! Sie sind durch eine sonderbare Verkettung von Umständen -- ich will annehmen, ohne jede Schuld von Ihrer Seite -- in Geheimnisse eingeweiht, welche meinen Kopf und vielleicht werthvollere Köpfe Ihrer Discretion anheim geben. Der von mir genannte Name des Grafen Chasot genügt, Ihnen unzweifelhaft zu machen, welcher Natur jene Geheimnisse sind. Durch den Frieden von Tilsit bin ich westphälischer Unterthan geworden, meine Güter liegen auf westphälischem Boden -- ich bin in der Gewalt der westphälischen Behörden. Mein Herz ist preußisch geblieben und wird stets nur für meinen wahren König -- nie für den Usurpator schlagen. Sie können mich verrathen, Sie können mich unglücklich machen. Ich verlange daher einen Eid von Ihnen, daß Sie nichts, auch gegen Ihren intimsten Freund kein Wort jemals von dem aussprechen werden, was Sie innerhalb dieser Wände gehört, erfahren, oder auch nur errathen haben! Ich kann nicht in Ihr Herz sehen, ich verlange Ihren Eid.

Den werden Sie nie bekommen, sagte ich nach einer Pause der Ueberlegung.

Er trat zur Seite, berührte eine Stelle der Wand; eine Tapetenthür sprang aus und ließ eine Nische sehen, in der eine Cavallerie-Uniform und verschiedene Waffen aufgehängt waren. Er ergriff zwei schön gearbeitete Pistolen, reichte sie mir und sagte mit eisiger Entschlossenheit: Wählen Sie!

Sie haben mich, meine Zuhörer, in den früheren Scenen dieser Erzählung ohne Zweifel als einen sehr schüchternen, wohl gar furchtsamen Mann kennen gelernt. Ich leugne nicht, daß mir oft im Leben bei

Dann ging er ein paar Mal schweigend auf und ab, trat plötzlich vor mich hin und sagte feierlich:

Glauben Sie an die Heiligkeit des Eides?

Wie können Sie daran zweifeln! erwiederte ich, die Hand aufs Herz legend.

Wohlan, mein Herr! Sie sind durch eine sonderbare Verkettung von Umständen — ich will annehmen, ohne jede Schuld von Ihrer Seite — in Geheimnisse eingeweiht, welche meinen Kopf und vielleicht werthvollere Köpfe Ihrer Discretion anheim geben. Der von mir genannte Name des Grafen Chasot genügt, Ihnen unzweifelhaft zu machen, welcher Natur jene Geheimnisse sind. Durch den Frieden von Tilsit bin ich westphälischer Unterthan geworden, meine Güter liegen auf westphälischem Boden — ich bin in der Gewalt der westphälischen Behörden. Mein Herz ist preußisch geblieben und wird stets nur für meinen wahren König — nie für den Usurpator schlagen. Sie können mich verrathen, Sie können mich unglücklich machen. Ich verlange daher einen Eid von Ihnen, daß Sie nichts, auch gegen Ihren intimsten Freund kein Wort jemals von dem aussprechen werden, was Sie innerhalb dieser Wände gehört, erfahren, oder auch nur errathen haben! Ich kann nicht in Ihr Herz sehen, ich verlange Ihren Eid.

Den werden Sie nie bekommen, sagte ich nach einer Pause der Ueberlegung.

Er trat zur Seite, berührte eine Stelle der Wand; eine Tapetenthür sprang aus und ließ eine Nische sehen, in der eine Cavallerie-Uniform und verschiedene Waffen aufgehängt waren. Er ergriff zwei schön gearbeitete Pistolen, reichte sie mir und sagte mit eisiger Entschlossenheit: Wählen Sie!

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/25>, abgerufen am 28.03.2024.