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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dinge, welche, wenn ich sie nicht aus Ihrem Munde hörte, ich für unglaublich erklärte. Wem darf ich solche tolle Gewaltthätigkeiten gegen einen respectablen Edelmann zutrauen? Bedenken Sie wohl, daß schon der Verdacht eine strafbare Beleidigung ist. Aber untersucht soll die Sache werden, und aufs Strengste, wenn Sie verlangen. Um deßhalb, sobald Sie mir schriftlich die Thäter nennen, bitte ich Sie um alle Beweismittel, und Sie sollen erstaunen, wie ich Jemand verfolgen kann, der so meine Autorität compromittirt. Gehen Sie inzwischen, schlafen aus, und überlegen. Ich meine, auf einer so langen Reise lernt man klug werden, -- setzte er mit leisem Tone hinzu.

Als Sacken fortgegangen war, um zu überlegen -- und das Resultat entsprach nachher den Erwartungen des Prinzen --, äußerte dieser im vertraulichen Kreise der ihm zunächst Sitzenden: Wie schade, daß der wackere Freund noch immer dergleichen Phantasien ausgesetzt ist. Sie scheinen es zu bezweifeln und für Komödie zu halten, aber ich bin fest überzeugt, er selbst glaubt allen Ernstes an die Geschichte, die er sich auf der einsamen Reise, Gott weiß wohin, selbst gebildet hat. So sind die Gelehrten, die sich von der Welt abschließen und nur ihrem Ideenkreise leben. Er nährte schon lange die fixe Idee, Alles in der Welt gehe im Kreislauf, und alle Bestrebungen kehrten resultatlos auf den Punkt zurück, von wo sie ausgingen. Diese Idee scheint er in seiner Art verwirklicht zu haben, und er hat eine Reise

Dinge, welche, wenn ich sie nicht aus Ihrem Munde hörte, ich für unglaublich erklärte. Wem darf ich solche tolle Gewaltthätigkeiten gegen einen respectablen Edelmann zutrauen? Bedenken Sie wohl, daß schon der Verdacht eine strafbare Beleidigung ist. Aber untersucht soll die Sache werden, und aufs Strengste, wenn Sie verlangen. Um deßhalb, sobald Sie mir schriftlich die Thäter nennen, bitte ich Sie um alle Beweismittel, und Sie sollen erstaunen, wie ich Jemand verfolgen kann, der so meine Autorität compromittirt. Gehen Sie inzwischen, schlafen aus, und überlegen. Ich meine, auf einer so langen Reise lernt man klug werden, — setzte er mit leisem Tone hinzu.

Als Sacken fortgegangen war, um zu überlegen — und das Resultat entsprach nachher den Erwartungen des Prinzen —, äußerte dieser im vertraulichen Kreise der ihm zunächst Sitzenden: Wie schade, daß der wackere Freund noch immer dergleichen Phantasien ausgesetzt ist. Sie scheinen es zu bezweifeln und für Komödie zu halten, aber ich bin fest überzeugt, er selbst glaubt allen Ernstes an die Geschichte, die er sich auf der einsamen Reise, Gott weiß wohin, selbst gebildet hat. So sind die Gelehrten, die sich von der Welt abschließen und nur ihrem Ideenkreise leben. Er nährte schon lange die fixe Idee, Alles in der Welt gehe im Kreislauf, und alle Bestrebungen kehrten resultatlos auf den Punkt zurück, von wo sie ausgingen. Diese Idee scheint er in seiner Art verwirklicht zu haben, und er hat eine Reise

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/106>, abgerufen am 24.11.2024.