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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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jetzt sehe er ein, ein wie raffinirt braver Kerl er wäre, indem er zuerst auf so herzliche, großmüthige Weise eingewilligt und dann noch so nobel gehandelt, auf und davon zu gehen, um den Kindern den Dank zu ersparen. Der Herzog nahm das Wort, bevor der von so viel Unerwartetem Betäubte es ergreifen konnte: Meine Freunde, wozu unsern nobelgesinnten Freund durch ungestüme Fragen in Verlegenheit setzen? Wo er inzwischen war, geht uns nichts an, und er wird vermuthlich, wenn er schweigt, Gründe haben, weßhalb er schweigt. Uns genüge seine freundliche Wiederkehr, und gerade um diese Stunde. Ich namentlich habe ihm zu danken, daß er mein eingesetztes Wort gelös't hat, und trinke ihm deßhalb dies Glas zu mit dem Wunsche: Vergessenheit für alles Unangenehme, was hinter uns liegt!

Sacken hatte einige Gläser getrunken: war es die Erhitzung der Reise oder die Ungewohnheit; es glühte siedendheiß ihm durch die Adern. Aufspringend warf er, statt dem Fürsten Bescheid zu thun, das Glas zu Boden, und rief: Nimmermehr! -- Jetzt erst war man betroffen und ahnete etwas Ungewöhnliches, und Sacken ließ die Versammelten nicht lange ahnen. Denn in unbesonnenem Eifer, mit stolpernden Worten und Zorneshast erzählte er, was ihm begegnet, ohne Namen zu nennen, was er freilich, da er sie selbst nicht wußte, auch nicht füglich konnte. -- Während alle Gesichter bis auf Sacken's eigenes, blaß geworden, erhob sich Biron ruhig und ging auf ihn zu: Baron, Sie erzählen uns

jetzt sehe er ein, ein wie raffinirt braver Kerl er wäre, indem er zuerst auf so herzliche, großmüthige Weise eingewilligt und dann noch so nobel gehandelt, auf und davon zu gehen, um den Kindern den Dank zu ersparen. Der Herzog nahm das Wort, bevor der von so viel Unerwartetem Betäubte es ergreifen konnte: Meine Freunde, wozu unsern nobelgesinnten Freund durch ungestüme Fragen in Verlegenheit setzen? Wo er inzwischen war, geht uns nichts an, und er wird vermuthlich, wenn er schweigt, Gründe haben, weßhalb er schweigt. Uns genüge seine freundliche Wiederkehr, und gerade um diese Stunde. Ich namentlich habe ihm zu danken, daß er mein eingesetztes Wort gelös't hat, und trinke ihm deßhalb dies Glas zu mit dem Wunsche: Vergessenheit für alles Unangenehme, was hinter uns liegt!

Sacken hatte einige Gläser getrunken: war es die Erhitzung der Reise oder die Ungewohnheit; es glühte siedendheiß ihm durch die Adern. Aufspringend warf er, statt dem Fürsten Bescheid zu thun, das Glas zu Boden, und rief: Nimmermehr! — Jetzt erst war man betroffen und ahnete etwas Ungewöhnliches, und Sacken ließ die Versammelten nicht lange ahnen. Denn in unbesonnenem Eifer, mit stolpernden Worten und Zorneshast erzählte er, was ihm begegnet, ohne Namen zu nennen, was er freilich, da er sie selbst nicht wußte, auch nicht füglich konnte. — Während alle Gesichter bis auf Sacken's eigenes, blaß geworden, erhob sich Biron ruhig und ging auf ihn zu: Baron, Sie erzählen uns

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[0105] jetzt sehe er ein, ein wie raffinirt braver Kerl er wäre, indem er zuerst auf so herzliche, großmüthige Weise eingewilligt und dann noch so nobel gehandelt, auf und davon zu gehen, um den Kindern den Dank zu ersparen. Der Herzog nahm das Wort, bevor der von so viel Unerwartetem Betäubte es ergreifen konnte: Meine Freunde, wozu unsern nobelgesinnten Freund durch ungestüme Fragen in Verlegenheit setzen? Wo er inzwischen war, geht uns nichts an, und er wird vermuthlich, wenn er schweigt, Gründe haben, weßhalb er schweigt. Uns genüge seine freundliche Wiederkehr, und gerade um diese Stunde. Ich namentlich habe ihm zu danken, daß er mein eingesetztes Wort gelös't hat, und trinke ihm deßhalb dies Glas zu mit dem Wunsche: Vergessenheit für alles Unangenehme, was hinter uns liegt! Sacken hatte einige Gläser getrunken: war es die Erhitzung der Reise oder die Ungewohnheit; es glühte siedendheiß ihm durch die Adern. Aufspringend warf er, statt dem Fürsten Bescheid zu thun, das Glas zu Boden, und rief: Nimmermehr! — Jetzt erst war man betroffen und ahnete etwas Ungewöhnliches, und Sacken ließ die Versammelten nicht lange ahnen. Denn in unbesonnenem Eifer, mit stolpernden Worten und Zorneshast erzählte er, was ihm begegnet, ohne Namen zu nennen, was er freilich, da er sie selbst nicht wußte, auch nicht füglich konnte. — Während alle Gesichter bis auf Sacken's eigenes, blaß geworden, erhob sich Biron ruhig und ging auf ihn zu: Baron, Sie erzählen uns

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/105>, abgerufen am 24.11.2024.