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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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drohte. Ihre ganze Huld und Majestät hatte die
Fürstin zusammengenommen, um jene strafenden Worte
zu sprechen, die ebenfalls in die Geschichte überge¬
gangen sind, und nach verschiedenen Berichten am
wahrscheinlichsten so lauteten: ""Ei, Frau Baronin,
Ihre naiv satirische Antwort sollte gewiß das junge
Mädchen nicht kränken. Von Geburt wenigstens sind
alle Menschen ohne Ausnahme gleich. Ist es auch
ermunternd und erhebend, von Eltern und Vorfahren
abzustammen, die sich durch Verdienste und Tugenden
auszeichneten, und wer wollte den Werth nicht an¬
erkennen und sich nicht selbst geehrt fühlen durch die
Ehre, aus einer guten Familie zu sein! Aber Gott
Lob, das gilt für alle Stände gleich, und aus den
untersten sind die größten Wohlthäter des Menschen¬
geschlechts hervorgegangen. Stand und Würden
kann man erben, aber innere persönliche Würdigkeit,
worauf am Ende doch Alles ankommt, muß Jeder
sich selbst erwerben. Der Weg dahin ist die Selbst¬
beherrschung, und ich bin überzeugt, wenn ich in den
Zügen des jungen Mädchens lese, daß ihre Seele
diesen Weg längst gefunden hat. -- Ihnen, liebe
Baronin, danke ich, daß Sie mir Gelegenheit gaben,
den Anwesenden meine Meinung darüber zu sagen.
Es ist die Meinung, welche auch im Herzen meines
Gatten, des Königs, lebt."" Der strafende Blick
der Königin, der leichthin über die Reihen flog, hatte
sich in den huldvollsten verwandelt, als er Adelheid
wieder traf. Sie wechselte einige Worte mit ihr, die

drohte. Ihre ganze Huld und Majeſtät hatte die
Fürſtin zuſammengenommen, um jene ſtrafenden Worte
zu ſprechen, die ebenfalls in die Geſchichte überge¬
gangen ſind, und nach verſchiedenen Berichten am
wahrſcheinlichſten ſo lauteten: „„Ei, Frau Baronin,
Ihre naiv ſatiriſche Antwort ſollte gewiß das junge
Mädchen nicht kränken. Von Geburt wenigſtens ſind
alle Menſchen ohne Ausnahme gleich. Iſt es auch
ermunternd und erhebend, von Eltern und Vorfahren
abzuſtammen, die ſich durch Verdienſte und Tugenden
auszeichneten, und wer wollte den Werth nicht an¬
erkennen und ſich nicht ſelbſt geehrt fühlen durch die
Ehre, aus einer guten Familie zu ſein! Aber Gott
Lob, das gilt für alle Stände gleich, und aus den
unterſten ſind die größten Wohlthäter des Menſchen¬
geſchlechts hervorgegangen. Stand und Würden
kann man erben, aber innere perſönliche Würdigkeit,
worauf am Ende doch Alles ankommt, muß Jeder
ſich ſelbſt erwerben. Der Weg dahin iſt die Selbſt¬
beherrſchung, und ich bin überzeugt, wenn ich in den
Zügen des jungen Mädchens leſe, daß ihre Seele
dieſen Weg längſt gefunden hat. — Ihnen, liebe
Baronin, danke ich, daß Sie mir Gelegenheit gaben,
den Anweſenden meine Meinung darüber zu ſagen.
Es iſt die Meinung, welche auch im Herzen meines
Gatten, des Königs, lebt.““ Der ſtrafende Blick
der Königin, der leichthin über die Reihen flog, hatte
ſich in den huldvollſten verwandelt, als er Adelheid
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[34/0044] drohte. Ihre ganze Huld und Majeſtät hatte die Fürſtin zuſammengenommen, um jene ſtrafenden Worte zu ſprechen, die ebenfalls in die Geſchichte überge¬ gangen ſind, und nach verſchiedenen Berichten am wahrſcheinlichſten ſo lauteten: „„Ei, Frau Baronin, Ihre naiv ſatiriſche Antwort ſollte gewiß das junge Mädchen nicht kränken. Von Geburt wenigſtens ſind alle Menſchen ohne Ausnahme gleich. Iſt es auch ermunternd und erhebend, von Eltern und Vorfahren abzuſtammen, die ſich durch Verdienſte und Tugenden auszeichneten, und wer wollte den Werth nicht an¬ erkennen und ſich nicht ſelbſt geehrt fühlen durch die Ehre, aus einer guten Familie zu ſein! Aber Gott Lob, das gilt für alle Stände gleich, und aus den unterſten ſind die größten Wohlthäter des Menſchen¬ geſchlechts hervorgegangen. Stand und Würden kann man erben, aber innere perſönliche Würdigkeit, worauf am Ende doch Alles ankommt, muß Jeder ſich ſelbſt erwerben. Der Weg dahin iſt die Selbſt¬ beherrſchung, und ich bin überzeugt, wenn ich in den Zügen des jungen Mädchens leſe, daß ihre Seele dieſen Weg längſt gefunden hat. — Ihnen, liebe Baronin, danke ich, daß Sie mir Gelegenheit gaben, den Anweſenden meine Meinung darüber zu ſagen. Es iſt die Meinung, welche auch im Herzen meines Gatten, des Königs, lebt.““ Der ſtrafende Blick der Königin, der leichthin über die Reihen flog, hatte ſich in den huldvollſten verwandelt, als er Adelheid wieder traf. Sie wechſelte einige Worte mit ihr, die

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/44>, abgerufen am 28.03.2024.