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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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jungen Walter nach Karlsbad schicken wollte, zwischen
diesen, selbst für die Antichambre ungeeigneten Ge¬
stalten umhergehen sehen, ohne daß sein Auge Blicke
der Entrüstung warf. Nein, er trug weder Uniform
noch Hofkleid, auch keinen Stern an der Brust, er
ging nicht aufrecht und die Stirn leuchtete nicht vom
Wiederschein seiner unantastbaren Würde. "Meine
lieben Freunde!" sprach er, zwischen den Eingedrun¬
genen sich bewegend. Seine feinen aristokratischen
Hände, stets in einer Position gehalten, die sie vor
jeder Berührung schützen sollten, berührten doch frei¬
willig die Arme der Bürger, er drückte dem Nagel¬
schmied die Hand, er legte sie dem patriotischen Stadt¬
wachtmeister auf die Schulter: "Mein liebster guter
Freund, nur keine Uebereilung."

"Aber, Excellenz, sie stürmen Ihnen das Haus!"
riefen drei, vier Stimmen.

Der Hausflur war voll, die halbe Treppe, sie
drängten von draußen, Andre standen im Hofe und
gafften mit häßlichen Blicken die Reisewagen an, die
in Hast bepackt wurden. Die Excellenz beugte sich
über's Geländer, sie rang die Hände, es war der
mildeste, freundlichste Ton: "Um Gottes Willen, meine
Freunde, keine Uebereilung! Was wollen Sie?"

Da brach es los, wie, ich weiß es nicht; es
war aber das Unglück, daß Keiner wußte, was er
wollen sollte. Es war die Wuth, die in hundert
Lauten sich Luft machte. "Wir sind verrathen!" --
"Der König und die Königin sind verkauft und ver¬

jungen Walter nach Karlsbad ſchicken wollte, zwiſchen
dieſen, ſelbſt für die Antichambre ungeeigneten Ge¬
ſtalten umhergehen ſehen, ohne daß ſein Auge Blicke
der Entrüſtung warf. Nein, er trug weder Uniform
noch Hofkleid, auch keinen Stern an der Bruſt, er
ging nicht aufrecht und die Stirn leuchtete nicht vom
Wiederſchein ſeiner unantaſtbaren Würde. „Meine
lieben Freunde!“ ſprach er, zwiſchen den Eingedrun¬
genen ſich bewegend. Seine feinen ariſtokratiſchen
Hände, ſtets in einer Poſition gehalten, die ſie vor
jeder Berührung ſchützen ſollten, berührten doch frei¬
willig die Arme der Bürger, er drückte dem Nagel¬
ſchmied die Hand, er legte ſie dem patriotiſchen Stadt¬
wachtmeiſter auf die Schulter: „Mein liebſter guter
Freund, nur keine Uebereilung.“

„Aber, Excellenz, ſie ſtürmen Ihnen das Haus!“
riefen drei, vier Stimmen.

Der Hausflur war voll, die halbe Treppe, ſie
drängten von draußen, Andre ſtanden im Hofe und
gafften mit häßlichen Blicken die Reiſewagen an, die
in Haſt bepackt wurden. Die Excellenz beugte ſich
über's Geländer, ſie rang die Hände, es war der
mildeſte, freundlichſte Ton: „Um Gottes Willen, meine
Freunde, keine Uebereilung! Was wollen Sie?“

Da brach es los, wie, ich weiß es nicht; es
war aber das Unglück, daß Keiner wußte, was er
wollen ſollte. Es war die Wuth, die in hundert
Lauten ſich Luft machte. „Wir ſind verrathen!“ —
„Der König und die Königin ſind verkauft und ver¬

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[347/0357] jungen Walter nach Karlsbad ſchicken wollte, zwiſchen dieſen, ſelbſt für die Antichambre ungeeigneten Ge¬ ſtalten umhergehen ſehen, ohne daß ſein Auge Blicke der Entrüſtung warf. Nein, er trug weder Uniform noch Hofkleid, auch keinen Stern an der Bruſt, er ging nicht aufrecht und die Stirn leuchtete nicht vom Wiederſchein ſeiner unantaſtbaren Würde. „Meine lieben Freunde!“ ſprach er, zwiſchen den Eingedrun¬ genen ſich bewegend. Seine feinen ariſtokratiſchen Hände, ſtets in einer Poſition gehalten, die ſie vor jeder Berührung ſchützen ſollten, berührten doch frei¬ willig die Arme der Bürger, er drückte dem Nagel¬ ſchmied die Hand, er legte ſie dem patriotiſchen Stadt¬ wachtmeiſter auf die Schulter: „Mein liebſter guter Freund, nur keine Uebereilung.“ „Aber, Excellenz, ſie ſtürmen Ihnen das Haus!“ riefen drei, vier Stimmen. Der Hausflur war voll, die halbe Treppe, ſie drängten von draußen, Andre ſtanden im Hofe und gafften mit häßlichen Blicken die Reiſewagen an, die in Haſt bepackt wurden. Die Excellenz beugte ſich über's Geländer, ſie rang die Hände, es war der mildeſte, freundlichſte Ton: „Um Gottes Willen, meine Freunde, keine Uebereilung! Was wollen Sie?“ Da brach es los, wie, ich weiß es nicht; es war aber das Unglück, daß Keiner wußte, was er wollen ſollte. Es war die Wuth, die in hundert Lauten ſich Luft machte. „Wir ſind verrathen!“ — „Der König und die Königin ſind verkauft und ver¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/357>, abgerufen am 23.11.2024.