"Zum Gouverneur! rief der Invalide. Er muß die Trommel rühren lassen." -- "Trommeln! Das fehlte noch, rief ein gutgesinnter Bürger, um den Wirrwarr voll zu machen." -- "Es giebt nur Einen, und wenn er nicht Hülfe weiß --"
Walter ward durch einen lauten Aufschrei unter¬ brochen, der durch die Stimmen von Tausenden und aber Tausenden immer neu anwuchs. Das waren Laute des Schmerzes, aber auch der Freude -- "Die Königin! die Königin!" In der Entfernung bog ein Reisewagen um die Straßenecke. Thränen, Schluchzen, Jubelrufe! Es war in dem Gewirr nichts zu verstehen. Ein Tuch, ein Arm wehte heraus. Die Beiden, die sich eben gefunden, wurden wieder getrennt. Jeder hatte ein anderes Ziel. Aber die Stimmung schien sich geändert zu haben. Der An¬ blick der Königin hatte gewirkt. Der alte Rittgarten traf auf entschlossene Gesichter. Kernworte, Flüche! Da schüttelte einer seinen markigen Arm. Rittgarten ergriff ihn. Er sprach Worte, die zum Herzen dran¬ gen. Als sie das Hotel des Ministers erreicht, hatte sich die Zahl bedeutend verstärkt; es waren kräftige Männer, alte Soldaten darunter. Wuth und Freude strahlte auf den Gesichtern.
Wo war die alte Ordnung, die heilige Ruhe, wenn man berußte Arme, Schurzfelle auf den Trep¬ pen sah, Einige sogar bis in das innere Heiligthum gedrungen. Es mußte hier schon viel vorgegangen sein, wenn wir den Minister, denselben, welcher den
„Zum Gouverneur! rief der Invalide. Er muß die Trommel rühren laſſen.“ — „Trommeln! Das fehlte noch, rief ein gutgeſinnter Bürger, um den Wirrwarr voll zu machen.“ — „Es giebt nur Einen, und wenn er nicht Hülfe weiß —“
Walter ward durch einen lauten Aufſchrei unter¬ brochen, der durch die Stimmen von Tauſenden und aber Tauſenden immer neu anwuchs. Das waren Laute des Schmerzes, aber auch der Freude — „Die Königin! die Königin!“ In der Entfernung bog ein Reiſewagen um die Straßenecke. Thränen, Schluchzen, Jubelrufe! Es war in dem Gewirr nichts zu verſtehen. Ein Tuch, ein Arm wehte heraus. Die Beiden, die ſich eben gefunden, wurden wieder getrennt. Jeder hatte ein anderes Ziel. Aber die Stimmung ſchien ſich geändert zu haben. Der An¬ blick der Königin hatte gewirkt. Der alte Rittgarten traf auf entſchloſſene Geſichter. Kernworte, Flüche! Da ſchüttelte einer ſeinen markigen Arm. Rittgarten ergriff ihn. Er ſprach Worte, die zum Herzen dran¬ gen. Als ſie das Hotel des Miniſters erreicht, hatte ſich die Zahl bedeutend verſtärkt; es waren kräftige Männer, alte Soldaten darunter. Wuth und Freude ſtrahlte auf den Geſichtern.
Wo war die alte Ordnung, die heilige Ruhe, wenn man berußte Arme, Schurzfelle auf den Trep¬ pen ſah, Einige ſogar bis in das innere Heiligthum gedrungen. Es mußte hier ſchon viel vorgegangen ſein, wenn wir den Miniſter, denſelben, welcher den
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„Zum Gouverneur! rief der Invalide. Er muß die
Trommel rühren laſſen.“ — „Trommeln! Das fehlte
noch, rief ein gutgeſinnter Bürger, um den Wirrwarr
voll zu machen.“ — „Es giebt nur Einen, und wenn
er nicht Hülfe weiß —“
Walter ward durch einen lauten Aufſchrei unter¬
brochen, der durch die Stimmen von Tauſenden und
aber Tauſenden immer neu anwuchs. Das waren
Laute des Schmerzes, aber auch der Freude — „Die
Königin! die Königin!“ In der Entfernung bog
ein Reiſewagen um die Straßenecke. Thränen,
Schluchzen, Jubelrufe! Es war in dem Gewirr
nichts zu verſtehen. Ein Tuch, ein Arm wehte heraus.
Die Beiden, die ſich eben gefunden, wurden wieder
getrennt. Jeder hatte ein anderes Ziel. Aber die
Stimmung ſchien ſich geändert zu haben. Der An¬
blick der Königin hatte gewirkt. Der alte Rittgarten
traf auf entſchloſſene Geſichter. Kernworte, Flüche!
Da ſchüttelte einer ſeinen markigen Arm. Rittgarten
ergriff ihn. Er ſprach Worte, die zum Herzen dran¬
gen. Als ſie das Hotel des Miniſters erreicht, hatte
ſich die Zahl bedeutend verſtärkt; es waren kräftige
Männer, alte Soldaten darunter. Wuth und Freude
ſtrahlte auf den Geſichtern.
Wo war die alte Ordnung, die heilige Ruhe,
wenn man berußte Arme, Schurzfelle auf den Trep¬
pen ſah, Einige ſogar bis in das innere Heiligthum
gedrungen. Es mußte hier ſchon viel vorgegangen
ſein, wenn wir den Miniſter, denſelben, welcher den
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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