Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Sprüchwörterphilosophie entweder sich Muth einzuspre¬
chen, oder sich immer noch einen Aufschub abzulisten. Er
packte die Fläschchen aus, um zu sehen, ob sie auch
eingewickelt waren. Er befühlte auch Gegenstände,
die er nicht mitnehmen wollte. Es war so heiß in
der Küche, ob von der eingeschlossenen Luft oder von
seiner innern Hitze? Schon hatte er die Thüre in
der Hand, als er zurückkehrte. Ihm fiel ein, daß er
auch auf die schlimmste Eventualität sich waffnen
müsse. "Sie dürfen auch nicht das finden, was sie
bei der Lupinus gefunden." Er mußte schon vor¬
gearbeitet haben. Nur aus einem Tiegel schabte er
vorsichtig den Bodensatz und warf ihn in den Ab¬
zugsgraben. Dann streute er verschiedenen Farben¬
puder verschwenderisch umher. Die Küche bekam
dadurch einen Wohlgeruch: "In meinen Schmink¬
präparaten mögen sie meine Arcane entdecken."

Dann näherte er sich dem Gerippe: "Wieder
eifersüchtig? Gieb mir die Hand, Angelika." Sie
gab sie ihm, aber schüttelte er so heftig, oder war
der Wandnagel lose? Das Knochenweib stürzte herab.
Wir wissen nicht, ob er geschaudert, doch schnell hatte
er sich und das Gerippe gefaßt: "Das hätte ein bö¬
ser Fall werden können, wie damals, als Du vom
Pferde sprangst und ich Dich auffing. Du nanntest
mich Deinen Lebensretter. Ja, ein theurer ward ich
Dir. Zwei Mal für das eine Bischen Rettung nahm
ich Dein Leben. Ihr armen jungen Weiber! Mit
Eurem warmen Blut und leichten Sinn seid Ihr nun

Sprüchwörterphiloſophie entweder ſich Muth einzuſpre¬
chen, oder ſich immer noch einen Aufſchub abzuliſten. Er
packte die Fläſchchen aus, um zu ſehen, ob ſie auch
eingewickelt waren. Er befühlte auch Gegenſtände,
die er nicht mitnehmen wollte. Es war ſo heiß in
der Küche, ob von der eingeſchloſſenen Luft oder von
ſeiner innern Hitze? Schon hatte er die Thüre in
der Hand, als er zurückkehrte. Ihm fiel ein, daß er
auch auf die ſchlimmſte Eventualität ſich waffnen
müſſe. „Sie dürfen auch nicht das finden, was ſie
bei der Lupinus gefunden.“ Er mußte ſchon vor¬
gearbeitet haben. Nur aus einem Tiegel ſchabte er
vorſichtig den Bodenſatz und warf ihn in den Ab¬
zugsgraben. Dann ſtreute er verſchiedenen Farben¬
puder verſchwenderiſch umher. Die Küche bekam
dadurch einen Wohlgeruch: „In meinen Schmink¬
präparaten mögen ſie meine Arcane entdecken.“

Dann näherte er ſich dem Gerippe: „Wieder
eiferſüchtig? Gieb mir die Hand, Angelika.“ Sie
gab ſie ihm, aber ſchüttelte er ſo heftig, oder war
der Wandnagel loſe? Das Knochenweib ſtürzte herab.
Wir wiſſen nicht, ob er geſchaudert, doch ſchnell hatte
er ſich und das Gerippe gefaßt: „Das hätte ein bö¬
ſer Fall werden können, wie damals, als Du vom
Pferde ſprangſt und ich Dich auffing. Du nannteſt
mich Deinen Lebensretter. Ja, ein theurer ward ich
Dir. Zwei Mal für das eine Bischen Rettung nahm
ich Dein Leben. Ihr armen jungen Weiber! Mit
Eurem warmen Blut und leichten Sinn ſeid Ihr nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="326"/>
Sprüchwörterphilo&#x017F;ophie entweder &#x017F;ich Muth einzu&#x017F;pre¬<lb/>
chen, oder &#x017F;ich immer noch einen Auf&#x017F;chub abzuli&#x017F;ten. Er<lb/>
packte die Flä&#x017F;chchen aus, um zu &#x017F;ehen, ob &#x017F;ie auch<lb/>
eingewickelt waren. Er befühlte auch Gegen&#x017F;tände,<lb/>
die er nicht mitnehmen wollte. Es war &#x017F;o heiß in<lb/>
der Küche, ob von der einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Luft oder von<lb/>
&#x017F;einer innern Hitze? Schon hatte er die Thüre in<lb/>
der Hand, als er zurückkehrte. Ihm fiel ein, daß er<lb/>
auch auf die &#x017F;chlimm&#x017F;te Eventualität &#x017F;ich waffnen<lb/>&#x017F;&#x017F;e. &#x201E;Sie dürfen auch nicht das finden, was &#x017F;ie<lb/>
bei der Lupinus gefunden.&#x201C; Er mußte &#x017F;chon vor¬<lb/>
gearbeitet haben. Nur aus einem Tiegel &#x017F;chabte er<lb/>
vor&#x017F;ichtig den Boden&#x017F;atz und warf ihn in den Ab¬<lb/>
zugsgraben. Dann &#x017F;treute er ver&#x017F;chiedenen Farben¬<lb/>
puder ver&#x017F;chwenderi&#x017F;ch umher. Die Küche bekam<lb/>
dadurch einen Wohlgeruch: &#x201E;In meinen Schmink¬<lb/>
präparaten mögen &#x017F;ie meine Arcane entdecken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dann näherte er &#x017F;ich dem Gerippe: &#x201E;Wieder<lb/>
eifer&#x017F;üchtig? Gieb mir die Hand, Angelika.&#x201C; Sie<lb/>
gab &#x017F;ie ihm, aber &#x017F;chüttelte er &#x017F;o heftig, oder war<lb/>
der Wandnagel lo&#x017F;e? Das Knochenweib &#x017F;türzte herab.<lb/>
Wir wi&#x017F;&#x017F;en nicht, ob er ge&#x017F;chaudert, doch &#x017F;chnell hatte<lb/>
er &#x017F;ich und das Gerippe gefaßt: &#x201E;Das hätte ein bö¬<lb/>
&#x017F;er Fall werden können, wie damals, als Du vom<lb/>
Pferde &#x017F;prang&#x017F;t und ich Dich auffing. Du nannte&#x017F;t<lb/>
mich Deinen Lebensretter. Ja, ein theurer ward ich<lb/>
Dir. Zwei Mal für das eine Bischen Rettung nahm<lb/>
ich Dein Leben. Ihr armen jungen Weiber! Mit<lb/>
Eurem warmen Blut und leichten Sinn &#x017F;eid Ihr nun<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0336] Sprüchwörterphiloſophie entweder ſich Muth einzuſpre¬ chen, oder ſich immer noch einen Aufſchub abzuliſten. Er packte die Fläſchchen aus, um zu ſehen, ob ſie auch eingewickelt waren. Er befühlte auch Gegenſtände, die er nicht mitnehmen wollte. Es war ſo heiß in der Küche, ob von der eingeſchloſſenen Luft oder von ſeiner innern Hitze? Schon hatte er die Thüre in der Hand, als er zurückkehrte. Ihm fiel ein, daß er auch auf die ſchlimmſte Eventualität ſich waffnen müſſe. „Sie dürfen auch nicht das finden, was ſie bei der Lupinus gefunden.“ Er mußte ſchon vor¬ gearbeitet haben. Nur aus einem Tiegel ſchabte er vorſichtig den Bodenſatz und warf ihn in den Ab¬ zugsgraben. Dann ſtreute er verſchiedenen Farben¬ puder verſchwenderiſch umher. Die Küche bekam dadurch einen Wohlgeruch: „In meinen Schmink¬ präparaten mögen ſie meine Arcane entdecken.“ Dann näherte er ſich dem Gerippe: „Wieder eiferſüchtig? Gieb mir die Hand, Angelika.“ Sie gab ſie ihm, aber ſchüttelte er ſo heftig, oder war der Wandnagel loſe? Das Knochenweib ſtürzte herab. Wir wiſſen nicht, ob er geſchaudert, doch ſchnell hatte er ſich und das Gerippe gefaßt: „Das hätte ein bö¬ ſer Fall werden können, wie damals, als Du vom Pferde ſprangſt und ich Dich auffing. Du nannteſt mich Deinen Lebensretter. Ja, ein theurer ward ich Dir. Zwei Mal für das eine Bischen Rettung nahm ich Dein Leben. Ihr armen jungen Weiber! Mit Eurem warmen Blut und leichten Sinn ſeid Ihr nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/336
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/336>, abgerufen am 17.05.2024.