vom Klang der Gläser fiel das Bild von der Wand, das Glas zerbrach. Die Trinker hatten es wohl nicht gemerkt.
"Da lesen Sie!" rief der Minister ihm entge¬ gen, als Walter spät zurückkehrte, und warf ein ge¬ drucktes Blatt auf den Tisch. "Alles verloren, Alles aufgegeben, Alles aus!"
"Unmöglich!" Es war das Manifest aus dem Hauptquartier Erfurt, d. d. 9. October. "Verloren, Excellenz --"
"Nenne ich eine Sache, die so angefangen, auf¬ gegeben, die so vertheidigt wird. Da haben wir's, Lombards Meisterstück, coulanter, glänzender Stil, süße Suade, ein junger, schüchterner Advocat könnte nicht besser seine erste Proberede halten."
"Aber der Inhalt!"
"Lesen Sie! Entschuldigungen, daß wir so dreist sind, Bonaparte den Krieg zu erklären, falls er nicht so höflich ist, den wirklich unangenehmen Uebelstän¬ den abzuhelfen, deren Gründe wie ein Rabulist sie aus den Winkeln zusammenklaubt, und zwischen jeder Zeile die Bitte, er möchte es ja nicht übel nehmen."
"Hier finde ich doch eine Stelle, die mich bei Lombard in Erstaunen setzt: ""Es ist Preußen er¬ laubt, an seine hohe Bestimmung zu glauben.""
"Die ist wohl aus Versehen stehen geblieben, oder aus Complaisance gegen Müller, oder wer sonst an einem Entwurf sich versucht. Und es ist ihm "erlaubt!"
vom Klang der Gläſer fiel das Bild von der Wand, das Glas zerbrach. Die Trinker hatten es wohl nicht gemerkt.
„Da leſen Sie!“ rief der Miniſter ihm entge¬ gen, als Walter ſpät zurückkehrte, und warf ein ge¬ drucktes Blatt auf den Tiſch. „Alles verloren, Alles aufgegeben, Alles aus!“
„Unmöglich!“ Es war das Manifeſt aus dem Hauptquartier Erfurt, d. d. 9. October. „Verloren, Excellenz —“
„Nenne ich eine Sache, die ſo angefangen, auf¬ gegeben, die ſo vertheidigt wird. Da haben wir's, Lombards Meiſterſtück, coulanter, glänzender Stil, ſüße Suade, ein junger, ſchüchterner Advocat könnte nicht beſſer ſeine erſte Proberede halten.“
„Aber der Inhalt!“
„Leſen Sie! Entſchuldigungen, daß wir ſo dreiſt ſind, Bonaparte den Krieg zu erklären, falls er nicht ſo höflich iſt, den wirklich unangenehmen Uebelſtän¬ den abzuhelfen, deren Gründe wie ein Rabuliſt ſie aus den Winkeln zuſammenklaubt, und zwiſchen jeder Zeile die Bitte, er möchte es ja nicht übel nehmen.“
„Hier finde ich doch eine Stelle, die mich bei Lombard in Erſtaunen ſetzt: „„Es iſt Preußen er¬ laubt, an ſeine hohe Beſtimmung zu glauben.““
„Die iſt wohl aus Verſehen ſtehen geblieben, oder aus Complaiſance gegen Müller, oder wer ſonſt an einem Entwurf ſich verſucht. Und es iſt ihm „erlaubt!“
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vom Klang der Gläſer fiel das Bild von der Wand,
das Glas zerbrach. Die Trinker hatten es wohl
nicht gemerkt.
„Da leſen Sie!“ rief der Miniſter ihm entge¬
gen, als Walter ſpät zurückkehrte, und warf ein ge¬
drucktes Blatt auf den Tiſch. „Alles verloren, Alles
aufgegeben, Alles aus!“
„Unmöglich!“ Es war das Manifeſt aus dem
Hauptquartier Erfurt, d. d. 9. October. „Verloren,
Excellenz —“
„Nenne ich eine Sache, die ſo angefangen, auf¬
gegeben, die ſo vertheidigt wird. Da haben wir's,
Lombards Meiſterſtück, coulanter, glänzender Stil,
ſüße Suade, ein junger, ſchüchterner Advocat könnte
nicht beſſer ſeine erſte Proberede halten.“
„Aber der Inhalt!“
„Leſen Sie! Entſchuldigungen, daß wir ſo dreiſt
ſind, Bonaparte den Krieg zu erklären, falls er nicht
ſo höflich iſt, den wirklich unangenehmen Uebelſtän¬
den abzuhelfen, deren Gründe wie ein Rabuliſt ſie
aus den Winkeln zuſammenklaubt, und zwiſchen jeder
Zeile die Bitte, er möchte es ja nicht übel nehmen.“
„Hier finde ich doch eine Stelle, die mich bei
Lombard in Erſtaunen ſetzt: „„Es iſt Preußen er¬
laubt, an ſeine hohe Beſtimmung zu glauben.““
„Die iſt wohl aus Verſehen ſtehen geblieben,
oder aus Complaiſance gegen Müller, oder wer ſonſt an
einem Entwurf ſich verſucht. Und es iſt ihm „erlaubt!“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/278>, abgerufen am 21.05.2024.
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