Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

er jetzt: seine Pferde werden ihm ausgespannt, Fou¬
rage muß er liefern, seine Söhne hergeben zum
Todtschießen, und wenn die Franzosen gewinnen,
frißt und prügelt ihn die Einquartierung, sie schmeißt
ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine
junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der
Ferne, und Niemand weiß, meine theuerste Baronin,
wo das Uebel ihm sitzt und von wo es kommt."

Die Baronin schenkte ihm einen Blick, der zu
verrathen schien, daß sie wenigstens die Ferne kenne,
aus welcher sie die Wirkung empfunden. Der Ge¬
heimrath hatte für solche Blicke keine Augen und kein
Gefühl.

"Meine Beste, sagte er, das Gesicht in eigen¬
thümlicher Weise verkneifend, und beide Hände gegen
die Seiten stemmend, denken wir nicht an vergangene
Thorheiten. Sie sollten nach Karlsbad. Hier, Gott
weiß, was hier kommt; die schwere Luft, und Nie¬
mand weiß, was er in den Sonnenstäubchen runter¬
schluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬
thut. -- Da -- da können Sie ungenirt und frei
leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber -- ein
Staatsmann und die Rücksichten. -- Excuse!"

Mit einem raschen Sprung war er in den Gang
zurück, aus dem er die Baronin unter so liebens¬
würdigem Gespräch bis in den Garten zurückgeführt
hatte. Da trafen sich im Gewühl viele Bekannte,
die wieder auf die Estraden stiegen. Die Stopfung
auf der Straße war gelöst. Der Abendwind trieb

er jetzt: ſeine Pferde werden ihm ausgeſpannt, Fou¬
rage muß er liefern, ſeine Söhne hergeben zum
Todtſchießen, und wenn die Franzoſen gewinnen,
frißt und prügelt ihn die Einquartierung, ſie ſchmeißt
ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine
junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der
Ferne, und Niemand weiß, meine theuerſte Baronin,
wo das Uebel ihm ſitzt und von wo es kommt.“

Die Baronin ſchenkte ihm einen Blick, der zu
verrathen ſchien, daß ſie wenigſtens die Ferne kenne,
aus welcher ſie die Wirkung empfunden. Der Ge¬
heimrath hatte für ſolche Blicke keine Augen und kein
Gefühl.

„Meine Beſte, ſagte er, das Geſicht in eigen¬
thümlicher Weiſe verkneifend, und beide Hände gegen
die Seiten ſtemmend, denken wir nicht an vergangene
Thorheiten. Sie ſollten nach Karlsbad. Hier, Gott
weiß, was hier kommt; die ſchwere Luft, und Nie¬
mand weiß, was er in den Sonnenſtäubchen runter¬
ſchluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬
thut. — Da — da können Sie ungenirt und frei
leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber — ein
Staatsmann und die Rückſichten. — Excuſe!“

Mit einem raſchen Sprung war er in den Gang
zurück, aus dem er die Baronin unter ſo liebens¬
würdigem Geſpräch bis in den Garten zurückgeführt
hatte. Da trafen ſich im Gewühl viele Bekannte,
die wieder auf die Eſtraden ſtiegen. Die Stopfung
auf der Straße war gelöſt. Der Abendwind trieb

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="253"/>
er jetzt: &#x017F;eine Pferde werden ihm ausge&#x017F;pannt, Fou¬<lb/>
rage muß er liefern, &#x017F;eine Söhne hergeben zum<lb/>
Todt&#x017F;chießen, und wenn die Franzo&#x017F;en gewinnen,<lb/>
frißt und prügelt ihn die Einquartierung, &#x017F;ie &#x017F;chmeißt<lb/>
ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine<lb/>
junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der<lb/>
Ferne, und Niemand weiß, meine theuer&#x017F;te Baronin,<lb/>
wo das Uebel ihm &#x017F;itzt und von wo es kommt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Baronin &#x017F;chenkte ihm einen Blick, der zu<lb/>
verrathen &#x017F;chien, daß &#x017F;ie wenig&#x017F;tens die Ferne kenne,<lb/>
aus welcher &#x017F;ie die Wirkung empfunden. Der Ge¬<lb/>
heimrath hatte für &#x017F;olche Blicke keine Augen und kein<lb/>
Gefühl.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Be&#x017F;te, &#x017F;agte er, das Ge&#x017F;icht in eigen¬<lb/>
thümlicher Wei&#x017F;e verkneifend, und beide Hände gegen<lb/>
die Seiten &#x017F;temmend, denken wir nicht an vergangene<lb/>
Thorheiten. <hi rendition="#g">Sie</hi> &#x017F;ollten nach Karlsbad. Hier, Gott<lb/>
weiß, was hier kommt; die &#x017F;chwere Luft, und Nie¬<lb/>
mand weiß, was er in den Sonnen&#x017F;täubchen runter¬<lb/>
&#x017F;chluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬<lb/>
thut. &#x2014; Da &#x2014; da können Sie ungenirt und frei<lb/>
leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber &#x2014; ein<lb/>
Staatsmann und die Rück&#x017F;ichten. &#x2014; Excu&#x017F;e!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mit einem ra&#x017F;chen Sprung war er in den Gang<lb/>
zurück, aus dem er die Baronin unter &#x017F;o liebens¬<lb/>
würdigem Ge&#x017F;präch bis in den Garten zurückgeführt<lb/>
hatte. Da trafen &#x017F;ich im Gewühl viele Bekannte,<lb/>
die wieder auf die E&#x017F;traden &#x017F;tiegen. Die Stopfung<lb/>
auf der Straße war gelö&#x017F;t. Der Abendwind trieb<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0263] er jetzt: ſeine Pferde werden ihm ausgeſpannt, Fou¬ rage muß er liefern, ſeine Söhne hergeben zum Todtſchießen, und wenn die Franzoſen gewinnen, frißt und prügelt ihn die Einquartierung, ſie ſchmeißt ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der Ferne, und Niemand weiß, meine theuerſte Baronin, wo das Uebel ihm ſitzt und von wo es kommt.“ Die Baronin ſchenkte ihm einen Blick, der zu verrathen ſchien, daß ſie wenigſtens die Ferne kenne, aus welcher ſie die Wirkung empfunden. Der Ge¬ heimrath hatte für ſolche Blicke keine Augen und kein Gefühl. „Meine Beſte, ſagte er, das Geſicht in eigen¬ thümlicher Weiſe verkneifend, und beide Hände gegen die Seiten ſtemmend, denken wir nicht an vergangene Thorheiten. Sie ſollten nach Karlsbad. Hier, Gott weiß, was hier kommt; die ſchwere Luft, und Nie¬ mand weiß, was er in den Sonnenſtäubchen runter¬ ſchluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬ thut. — Da — da können Sie ungenirt und frei leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber — ein Staatsmann und die Rückſichten. — Excuſe!“ Mit einem raſchen Sprung war er in den Gang zurück, aus dem er die Baronin unter ſo liebens¬ würdigem Geſpräch bis in den Garten zurückgeführt hatte. Da trafen ſich im Gewühl viele Bekannte, die wieder auf die Eſtraden ſtiegen. Die Stopfung auf der Straße war gelöſt. Der Abendwind trieb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/263
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/263>, abgerufen am 22.05.2024.