er jetzt: seine Pferde werden ihm ausgespannt, Fou¬ rage muß er liefern, seine Söhne hergeben zum Todtschießen, und wenn die Franzosen gewinnen, frißt und prügelt ihn die Einquartierung, sie schmeißt ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der Ferne, und Niemand weiß, meine theuerste Baronin, wo das Uebel ihm sitzt und von wo es kommt."
Die Baronin schenkte ihm einen Blick, der zu verrathen schien, daß sie wenigstens die Ferne kenne, aus welcher sie die Wirkung empfunden. Der Ge¬ heimrath hatte für solche Blicke keine Augen und kein Gefühl.
"Meine Beste, sagte er, das Gesicht in eigen¬ thümlicher Weise verkneifend, und beide Hände gegen die Seiten stemmend, denken wir nicht an vergangene Thorheiten. Sie sollten nach Karlsbad. Hier, Gott weiß, was hier kommt; die schwere Luft, und Nie¬ mand weiß, was er in den Sonnenstäubchen runter¬ schluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬ thut. -- Da -- da können Sie ungenirt und frei leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber -- ein Staatsmann und die Rücksichten. -- Excuse!"
Mit einem raschen Sprung war er in den Gang zurück, aus dem er die Baronin unter so liebens¬ würdigem Gespräch bis in den Garten zurückgeführt hatte. Da trafen sich im Gewühl viele Bekannte, die wieder auf die Estraden stiegen. Die Stopfung auf der Straße war gelöst. Der Abendwind trieb
er jetzt: ſeine Pferde werden ihm ausgeſpannt, Fou¬ rage muß er liefern, ſeine Söhne hergeben zum Todtſchießen, und wenn die Franzoſen gewinnen, frißt und prügelt ihn die Einquartierung, ſie ſchmeißt ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der Ferne, und Niemand weiß, meine theuerſte Baronin, wo das Uebel ihm ſitzt und von wo es kommt.“
Die Baronin ſchenkte ihm einen Blick, der zu verrathen ſchien, daß ſie wenigſtens die Ferne kenne, aus welcher ſie die Wirkung empfunden. Der Ge¬ heimrath hatte für ſolche Blicke keine Augen und kein Gefühl.
„Meine Beſte, ſagte er, das Geſicht in eigen¬ thümlicher Weiſe verkneifend, und beide Hände gegen die Seiten ſtemmend, denken wir nicht an vergangene Thorheiten. Sie ſollten nach Karlsbad. Hier, Gott weiß, was hier kommt; die ſchwere Luft, und Nie¬ mand weiß, was er in den Sonnenſtäubchen runter¬ ſchluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬ thut. — Da — da können Sie ungenirt und frei leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber — ein Staatsmann und die Rückſichten. — Excuſe!“
Mit einem raſchen Sprung war er in den Gang zurück, aus dem er die Baronin unter ſo liebens¬ würdigem Geſpräch bis in den Garten zurückgeführt hatte. Da trafen ſich im Gewühl viele Bekannte, die wieder auf die Eſtraden ſtiegen. Die Stopfung auf der Straße war gelöſt. Der Abendwind trieb
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er jetzt: ſeine Pferde werden ihm ausgeſpannt, Fou¬
rage muß er liefern, ſeine Söhne hergeben zum
Todtſchießen, und wenn die Franzoſen gewinnen,
frißt und prügelt ihn die Einquartierung, ſie ſchmeißt
ihn am Ende aus Haus und Bett, wenn er eine
junge Frau hat, alles das die Wirkung aus der
Ferne, und Niemand weiß, meine theuerſte Baronin,
wo das Uebel ihm ſitzt und von wo es kommt.“
Die Baronin ſchenkte ihm einen Blick, der zu
verrathen ſchien, daß ſie wenigſtens die Ferne kenne,
aus welcher ſie die Wirkung empfunden. Der Ge¬
heimrath hatte für ſolche Blicke keine Augen und kein
Gefühl.
„Meine Beſte, ſagte er, das Geſicht in eigen¬
thümlicher Weiſe verkneifend, und beide Hände gegen
die Seiten ſtemmend, denken wir nicht an vergangene
Thorheiten. Sie ſollten nach Karlsbad. Hier, Gott
weiß, was hier kommt; die ſchwere Luft, und Nie¬
mand weiß, was er in den Sonnenſtäubchen runter¬
ſchluckt, die er einathmet, wenn er den Mund auf¬
thut. — Da — da können Sie ungenirt und frei
leben. Ich ginge ja auch herzensgern, aber — ein
Staatsmann und die Rückſichten. — Excuſe!“
Mit einem raſchen Sprung war er in den Gang
zurück, aus dem er die Baronin unter ſo liebens¬
würdigem Geſpräch bis in den Garten zurückgeführt
hatte. Da trafen ſich im Gewühl viele Bekannte,
die wieder auf die Eſtraden ſtiegen. Die Stopfung
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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