der Hecke stand der Calecuter, seine rothen Lappen von der Sonne beschienen, seine Augen funkelnd vor Angst oder Zorn. Und die Pute, das Prachtstück, flog auch über die Hecke und ihr gar in die Arme. Aber auch die Trainknechte flogen den Gang herauf, schreiend, fluchend, die bösen Trainknechte, mit so zornfunkeln¬ den Augen als der Hahn. Charlotte hatte sich wirk¬ lich die Pute nicht aneignen wollen, die sie unwill¬ kürlich an ihr liebebedürftiges Herz gedrückt. Charlotte war selten um eine Antwort verlegen, aber kaum, daß sie über die Lippen war, mußte sie es mit eignen Ohren hören, daß der Knecht sie anschrie: "Selbst Pute, sie!" und mit eignen Augen mußte sie es sehen, daß der Wachtmeister, statt ihr beizuspringen, mit nach dem Calecuter haschte. "Es sind ja Excellenz Möllendorfs eigne Truthühner!" rief ein Andrer, um sie zu Respect und Raison zu bringen.
Der Puter und die Pute waren längst fort, denn als Charlotte die Arme öffnete, hatte die letztere es vorgezogen, einen Satz in die Luft zu machen, als in die Arme des Knechts zu fliegen. "Bestien ihr, wartet!" war das letzte Wort, das sie hörte, und leider war ihr die Stimme sehr bekannt. Das wilde Heer war verschwunden, und das war der letzte Ab¬ schied von ihrem Wachtmeister.
Die Frau Hoflackir, die herbeikam, fand Char¬ lotten in Thränen. Der Herr Hoflackir, der seiner Gemahlin die beiden jüngsten Kinder auf den Armen nachtrug, derweil das älteste an seinem Rockschooß ging,
der Hecke ſtand der Calecuter, ſeine rothen Lappen von der Sonne beſchienen, ſeine Augen funkelnd vor Angſt oder Zorn. Und die Pute, das Prachtſtück, flog auch über die Hecke und ihr gar in die Arme. Aber auch die Trainknechte flogen den Gang herauf, ſchreiend, fluchend, die böſen Trainknechte, mit ſo zornfunkeln¬ den Augen als der Hahn. Charlotte hatte ſich wirk¬ lich die Pute nicht aneignen wollen, die ſie unwill¬ kürlich an ihr liebebedürftiges Herz gedrückt. Charlotte war ſelten um eine Antwort verlegen, aber kaum, daß ſie über die Lippen war, mußte ſie es mit eignen Ohren hören, daß der Knecht ſie anſchrie: „Selbſt Pute, ſie!“ und mit eignen Augen mußte ſie es ſehen, daß der Wachtmeiſter, ſtatt ihr beizuſpringen, mit nach dem Calecuter haſchte. „Es ſind ja Excellenz Möllendorfs eigne Truthühner!“ rief ein Andrer, um ſie zu Reſpect und Raiſon zu bringen.
Der Puter und die Pute waren längſt fort, denn als Charlotte die Arme öffnete, hatte die letztere es vorgezogen, einen Satz in die Luft zu machen, als in die Arme des Knechts zu fliegen. „Beſtien ihr, wartet!“ war das letzte Wort, das ſie hörte, und leider war ihr die Stimme ſehr bekannt. Das wilde Heer war verſchwunden, und das war der letzte Ab¬ ſchied von ihrem Wachtmeiſter.
Die Frau Hoflackir, die herbeikam, fand Char¬ lotten in Thränen. Der Herr Hoflackir, der ſeiner Gemahlin die beiden jüngſten Kinder auf den Armen nachtrug, derweil das älteſte an ſeinem Rockſchooß ging,
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der Hecke ſtand der Calecuter, ſeine rothen Lappen von
der Sonne beſchienen, ſeine Augen funkelnd vor Angſt
oder Zorn. Und die Pute, das Prachtſtück, flog auch
über die Hecke und ihr gar in die Arme. Aber auch
die Trainknechte flogen den Gang herauf, ſchreiend,
fluchend, die böſen Trainknechte, mit ſo zornfunkeln¬
den Augen als der Hahn. Charlotte hatte ſich wirk¬
lich die Pute nicht aneignen wollen, die ſie unwill¬
kürlich an ihr liebebedürftiges Herz gedrückt. Charlotte
war ſelten um eine Antwort verlegen, aber kaum,
daß ſie über die Lippen war, mußte ſie es mit eignen
Ohren hören, daß der Knecht ſie anſchrie: „Selbſt
Pute, ſie!“ und mit eignen Augen mußte ſie es ſehen,
daß der Wachtmeiſter, ſtatt ihr beizuſpringen, mit
nach dem Calecuter haſchte. „Es ſind ja Excellenz
Möllendorfs eigne Truthühner!“ rief ein Andrer, um
ſie zu Reſpect und Raiſon zu bringen.
Der Puter und die Pute waren längſt fort,
denn als Charlotte die Arme öffnete, hatte die letztere
es vorgezogen, einen Satz in die Luft zu machen, als
in die Arme des Knechts zu fliegen. „Beſtien ihr,
wartet!“ war das letzte Wort, das ſie hörte, und
leider war ihr die Stimme ſehr bekannt. Das wilde
Heer war verſchwunden, und das war der letzte Ab¬
ſchied von ihrem Wachtmeiſter.
Die Frau Hoflackir, die herbeikam, fand Char¬
lotten in Thränen. Der Herr Hoflackir, der ſeiner
Gemahlin die beiden jüngſten Kinder auf den Armen
nachtrug, derweil das älteſte an ſeinem Rockſchooß ging,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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