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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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fragte, warum die Cousine weine. -- "Das frägt er
noch!" sagte die Frau Hoflackir. -- "Es frägt sich
vieles, sprach Charlotte mit einem Blicke gen Himmel.
Ach, lieber Cousin, die Militairs in Ehren, aber
ihnen geht doch das ab, was ein empfindungsvolles
Gemüth bedarf, wenn es sich über das Gemeine des
irdischen Daseins erheben soll. Die Montur und die
Uniform sind etwas sehr Schönes für König und
Vaterland, aber mehr Gefühle für Frauenwürde fin¬
det man doch beim Civil -- selbst bei meinem lieben
Geheimerath."

Und daß Puter und Pute, dieselben, noch ein
zärtliches Paar aufschrecken, noch einen Abschied stören
mußten! Den Obristwachtmeister Stier von Doh¬
leneck und die Baronin Eitelbach, die in der einsa¬
men Allee am Rande des Gartens promenirten. Es
war die süße Verständigung nach so langen, langen
Zweifeln.

"Und nun grade uns trennen müssen!"

Seltsam! war es doch hier das Widerspiel der
andern Abschiedsscene. Er schien der Geknickte und
strich über die Augenwimpern. Thränen waren es
nicht, aber ein Jucken und Drängen an den Augen,
als fürchte er sich vor ihnen.

"Wissen Sie, mir ist's manchmal, als wären
wir alle nur da, um uns zu trennen, sprach die Ba¬
ronin und sah in den blauen Himmel. Und wir leb¬
ten nur, damit wir uns darauf vorbereiteten."

Er blickte sie verwundert an.

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fragte, warum die Couſine weine. — „Das frägt er
noch!“ ſagte die Frau Hoflackir. — „Es frägt ſich
vieles, ſprach Charlotte mit einem Blicke gen Himmel.
Ach, lieber Couſin, die Militairs in Ehren, aber
ihnen geht doch das ab, was ein empfindungsvolles
Gemüth bedarf, wenn es ſich über das Gemeine des
irdiſchen Daſeins erheben ſoll. Die Montur und die
Uniform ſind etwas ſehr Schönes für König und
Vaterland, aber mehr Gefühle für Frauenwürde fin¬
det man doch beim Civil — ſelbſt bei meinem lieben
Geheimerath.“

Und daß Puter und Pute, dieſelben, noch ein
zärtliches Paar aufſchrecken, noch einen Abſchied ſtören
mußten! Den Obriſtwachtmeiſter Stier von Doh¬
leneck und die Baronin Eitelbach, die in der einſa¬
men Allee am Rande des Gartens promenirten. Es
war die ſüße Verſtändigung nach ſo langen, langen
Zweifeln.

„Und nun grade uns trennen müſſen!“

Seltſam! war es doch hier das Widerſpiel der
andern Abſchiedsſcene. Er ſchien der Geknickte und
ſtrich über die Augenwimpern. Thränen waren es
nicht, aber ein Jucken und Drängen an den Augen,
als fürchte er ſich vor ihnen.

„Wiſſen Sie, mir iſt's manchmal, als wären
wir alle nur da, um uns zu trennen, ſprach die Ba¬
ronin und ſah in den blauen Himmel. Und wir leb¬
ten nur, damit wir uns darauf vorbereiteten.“

Er blickte ſie verwundert an.

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[243/0253] fragte, warum die Couſine weine. — „Das frägt er noch!“ ſagte die Frau Hoflackir. — „Es frägt ſich vieles, ſprach Charlotte mit einem Blicke gen Himmel. Ach, lieber Couſin, die Militairs in Ehren, aber ihnen geht doch das ab, was ein empfindungsvolles Gemüth bedarf, wenn es ſich über das Gemeine des irdiſchen Daſeins erheben ſoll. Die Montur und die Uniform ſind etwas ſehr Schönes für König und Vaterland, aber mehr Gefühle für Frauenwürde fin¬ det man doch beim Civil — ſelbſt bei meinem lieben Geheimerath.“ Und daß Puter und Pute, dieſelben, noch ein zärtliches Paar aufſchrecken, noch einen Abſchied ſtören mußten! Den Obriſtwachtmeiſter Stier von Doh¬ leneck und die Baronin Eitelbach, die in der einſa¬ men Allee am Rande des Gartens promenirten. Es war die ſüße Verſtändigung nach ſo langen, langen Zweifeln. „Und nun grade uns trennen müſſen!“ Seltſam! war es doch hier das Widerſpiel der andern Abſchiedsſcene. Er ſchien der Geknickte und ſtrich über die Augenwimpern. Thränen waren es nicht, aber ein Jucken und Drängen an den Augen, als fürchte er ſich vor ihnen. „Wiſſen Sie, mir iſt's manchmal, als wären wir alle nur da, um uns zu trennen, ſprach die Ba¬ ronin und ſah in den blauen Himmel. Und wir leb¬ ten nur, damit wir uns darauf vorbereiteten.“ Er blickte ſie verwundert an. 16*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/253>, abgerufen am 22.05.2024.