siduum ehemaliger Kraft, nur dann und wann auf¬ sprudelnd in einer Fuselbegeisterung, nimmt jeden Eindruck an, die Farbe, den Stempel jedes Siegers. Jetzt ist's der Corse, der ihn ihr aufdrückt. An seine Weltherrschaft glaube ich nicht, auch er wird fallen, aber noch nicht. Das Ungeheuer bläst noch mit vollem Athem. Was nun das Volk vorher electrisiren, seine Kraft vom Wirbel bis zur Zeh nervös aufregen, um es in seinen feuerschnaubenden Rachen zu treiben! Wenn es Krieg sein muß, warum nicht das alte vertrocknete, knarrende Gestell ihm entgegen halten! Kracht und bricht es, so zerschmettert er nur, was ohnedem ver¬ loren gehen muß."
"Und an diesem Gestell, mein Herr, standen noch vorgestern Einige bewundernd!"
"Zwischen vorgestern und heut liegt gestern, und von gestern zu heut ist eine Kluft. Auch die Le¬ bendigen reiten heute schnell."
"Drei Fürsten haben diesen Bau aufgerichtet, größere kannte ihre Zeit nicht, und ein treues Volk hat mehr als hundert Jahre in unsäglicher Auf¬ opferung, in rührendem und felsenfestem Vertrauen mit¬ gearbeitet. Wäre das Werk schon so ganz morsch, so vom Boden gelöst, so die Fundamente verfault!"
Der Rath senkte schweigend den Kopf.
"Und wenn dem so ist, so laßt es fallen, fuhr Walter auf. Der Grund und Boden ist noch da, auf dem es stand, das Holz, aus dem es gezimmert, das Eisen, das ihm Klammern und Nägel gab. Die
ſiduum ehemaliger Kraft, nur dann und wann auf¬ ſprudelnd in einer Fuſelbegeiſterung, nimmt jeden Eindruck an, die Farbe, den Stempel jedes Siegers. Jetzt iſt's der Corſe, der ihn ihr aufdrückt. An ſeine Weltherrſchaft glaube ich nicht, auch er wird fallen, aber noch nicht. Das Ungeheuer bläſt noch mit vollem Athem. Was nun das Volk vorher electriſiren, ſeine Kraft vom Wirbel bis zur Zeh nervös aufregen, um es in ſeinen feuerſchnaubenden Rachen zu treiben! Wenn es Krieg ſein muß, warum nicht das alte vertrocknete, knarrende Geſtell ihm entgegen halten! Kracht und bricht es, ſo zerſchmettert er nur, was ohnedem ver¬ loren gehen muß.“
„Und an dieſem Geſtell, mein Herr, ſtanden noch vorgeſtern Einige bewundernd!“
„Zwiſchen vorgeſtern und heut liegt geſtern, und von geſtern zu heut iſt eine Kluft. Auch die Le¬ bendigen reiten heute ſchnell.“
„Drei Fürſten haben dieſen Bau aufgerichtet, größere kannte ihre Zeit nicht, und ein treues Volk hat mehr als hundert Jahre in unſäglicher Auf¬ opferung, in rührendem und felſenfeſtem Vertrauen mit¬ gearbeitet. Wäre das Werk ſchon ſo ganz morſch, ſo vom Boden gelöſt, ſo die Fundamente verfault!“
Der Rath ſenkte ſchweigend den Kopf.
„Und wenn dem ſo iſt, ſo laßt es fallen, fuhr Walter auf. Der Grund und Boden iſt noch da, auf dem es ſtand, das Holz, aus dem es gezimmert, das Eiſen, das ihm Klammern und Nägel gab. Die
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ſiduum ehemaliger Kraft, nur dann und wann auf¬
ſprudelnd in einer Fuſelbegeiſterung, nimmt jeden
Eindruck an, die Farbe, den Stempel jedes Siegers.
Jetzt iſt's der Corſe, der ihn ihr aufdrückt. An ſeine
Weltherrſchaft glaube ich nicht, auch er wird fallen,
aber noch nicht. Das Ungeheuer bläſt noch mit vollem
Athem. Was nun das Volk vorher electriſiren, ſeine
Kraft vom Wirbel bis zur Zeh nervös aufregen, um es
in ſeinen feuerſchnaubenden Rachen zu treiben! Wenn
es Krieg ſein muß, warum nicht das alte vertrocknete,
knarrende Geſtell ihm entgegen halten! Kracht und
bricht es, ſo zerſchmettert er nur, was ohnedem ver¬
loren gehen muß.“
„Und an dieſem Geſtell, mein Herr, ſtanden
noch vorgeſtern Einige bewundernd!“
„Zwiſchen vorgeſtern und heut liegt geſtern, und
von geſtern zu heut iſt eine Kluft. Auch die Le¬
bendigen reiten heute ſchnell.“
„Drei Fürſten haben dieſen Bau aufgerichtet,
größere kannte ihre Zeit nicht, und ein treues Volk
hat mehr als hundert Jahre in unſäglicher Auf¬
opferung, in rührendem und felſenfeſtem Vertrauen mit¬
gearbeitet. Wäre das Werk ſchon ſo ganz morſch, ſo
vom Boden gelöſt, ſo die Fundamente verfault!“
Der Rath ſenkte ſchweigend den Kopf.
„Und wenn dem ſo iſt, ſo laßt es fallen, fuhr
Walter auf. Der Grund und Boden iſt noch da, auf
dem es ſtand, das Holz, aus dem es gezimmert, das
Eiſen, das ihm Klammern und Nägel gab. Die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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