Arme sind noch kräftig, die Fäuste markig, die Schul¬ tersehnen zäh und dauerhaltig. Es ist ein dauer¬ haltiges Geschlecht, auf dessen Schultern sich die Hohenzollern zu Kriegsfürsten erhoben, und noch ver¬ spüren wir nichts davon, daß die Träger der Last überdrüssig wurden. War der Geist des großen Kö¬ nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr ist so muß ein anderer Geist sich erheben. Und hören Sie nicht den Geist? Braust er nicht daher wie das Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬ ben, daß er nicht spielend vorüber fährt, daß er in's Mark dringt."
"Und das ist ein Prozeß, nicht schwerer und nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden."
"Weil ihn noch Niemand versucht."
"Vergessen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderstaub, den sie ausgestreut, liegt dem Volke auf der Lunge. Sie glauben es zu kennen, weil sie es an schönen Sommerabenden bei der Promenade vor seinen Thüren tanzen sahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch die Administrationsacten. Steigen Sie mit dem Accise-Revisator, mit dem Steuer-Revisor in's Heilig¬ thum ihrer Häuslichkeit, und sehen unter der dicken Schaale hausbackener Ehrlichkeit die versessene Dumm¬ heit, den Troß und die speculirende Pfiffigkeit. Ge¬ lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotischen Gefühle zu schauern, dann erkläre ich Sie für einen
Arme ſind noch kräftig, die Fäuſte markig, die Schul¬ terſehnen zäh und dauerhaltig. Es iſt ein dauer¬ haltiges Geſchlecht, auf deſſen Schultern ſich die Hohenzollern zu Kriegsfürſten erhoben, und noch ver¬ ſpüren wir nichts davon, daß die Träger der Laſt überdrüſſig wurden. War der Geist des großen Kö¬ nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr iſt ſo muß ein anderer Geiſt ſich erheben. Und hören Sie nicht den Geiſt? Brauſt er nicht daher wie das Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬ ben, daß er nicht ſpielend vorüber fährt, daß er in's Mark dringt.“
„Und das iſt ein Prozeß, nicht ſchwerer und nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden.“
„Weil ihn noch Niemand verſucht.“
„Vergeſſen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderſtaub, den ſie ausgeſtreut, liegt dem Volke auf der Lunge. Sie glauben es zu kennen, weil ſie es an ſchönen Sommerabenden bei der Promenade vor ſeinen Thüren tanzen ſahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch die Adminiſtrationsacten. Steigen Sie mit dem Acciſe-Reviſator, mit dem Steuer-Reviſor in's Heilig¬ thum ihrer Häuslichkeit, und ſehen unter der dicken Schaale hausbackener Ehrlichkeit die verſeſſene Dumm¬ heit, den Troß und die ſpeculirende Pfiffigkeit. Ge¬ lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotiſchen Gefühle zu ſchauern, dann erkläre ich Sie für einen
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Arme ſind noch kräftig, die Fäuſte markig, die Schul¬
terſehnen zäh und dauerhaltig. Es iſt ein dauer¬
haltiges Geſchlecht, auf deſſen Schultern ſich die
Hohenzollern zu Kriegsfürſten erhoben, und noch ver¬
ſpüren wir nichts davon, daß die Träger der Laſt
überdrüſſig wurden. War der Geist des großen Kö¬
nigs nur das Product einer Zeit, die nicht mehr iſt
ſo muß ein anderer Geiſt ſich erheben. Und hören
Sie nicht den Geiſt? Brauſt er nicht daher wie das
Wehen der Luft, das dem Gewitter voraufgeht! Es
kommt eben nur darauf an, ihm die Richtung zu ge¬
ben, daß er nicht ſpielend vorüber fährt, daß er in's
Mark dringt.“
„Und das iſt ein Prozeß, nicht ſchwerer und
nicht leichter, als die Quadratur des Cirkels finden.“
„Weil ihn noch Niemand verſucht.“
„Vergeſſen Sie doch nicht die Zöpfe, und vor
den Zöpfen waren Perrücken, und der Puderſtaub,
den ſie ausgeſtreut, liegt dem Volke auf der Lunge.
Sie glauben es zu kennen, weil ſie es an ſchönen
Sommerabenden bei der Promenade vor ſeinen Thüren
tanzen ſahen. Lernen Sie es kennen, wie ich, durch
die Adminiſtrationsacten. Steigen Sie mit dem
Acciſe-Reviſator, mit dem Steuer-Reviſor in's Heilig¬
thum ihrer Häuslichkeit, und ſehen unter der dicken
Schaale hausbackener Ehrlichkeit die verſeſſene Dumm¬
heit, den Troß und die ſpeculirende Pfiffigkeit. Ge¬
lingt es ihnen, da ins Mark hinein die patriotiſchen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/20>, abgerufen am 03.12.2024.
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