Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Lohe aufschlagen, die über Deutschland sich ergießt.
Mag sie nicht Europa in Flammen setzen!"

"Und was dann! -- Ich redete nicht davon. --
Der Krieg liegt ein so wüstes, trostloses, verworrenes
Bild vor mir wie der Friede. -- Ihr wollt das Volk
wecken, einen Nationalkrieg entzünden -- die Idee
liegt doch dunkel im Hintergrunde?"

"Und Sie theilten sie nicht?"

"Ich habe sie getheilt -- aber das ist vorüber.
Einen Sturm wollen Sie los lassen, und was weht
er auf? -- Staub. Mehr nicht. Das Ferme[n]t, was
Kreuzzüge möglich machte, ist ausgegangen. Auch die
französische Revolution könnte sich nicht wiederholen.
Ja, trockene Stoffe liegen die Hülle und Fülle um
uns her, aber es ist Schlacke, Asche. Sie müßten es
doch erfahren haben, lieber Asten. Was hat Ihre
ästhetische Schule gewirkt? Es ward Vielen, die
noch warmes Blut haben, etwas heißer zu Muthe
als gewöhnlich. Sie hatten Visionen, phantasirten,
aber über die reale Welt hinaus. Und nun -- wo
ist's in die Nation eingedrungen, wo in's Herzblut, wo
ist neues großes Geschaffenes, das weiter zündet und
weckt? -- Die Völker sind ein farbloses Decoct ge¬
worden, eine träge, weiche, schwammige Masse, der
der übersprudelnde Enthusiasmus, die Excesse der
Furcht und Dummheit, die elastische Kra[f]t ordentlich
chemisch abgezapft haben. Wo ist etwas Ureigenes,
Schaffendes zurückgeblieben von den Säulen des Her¬
kules bis zur Mongolei? Dies todte, willenlose Re¬

Lohe aufſchlagen, die über Deutſchland ſich ergießt.
Mag ſie nicht Europa in Flammen ſetzen!“

„Und was dann! — Ich redete nicht davon. —
Der Krieg liegt ein ſo wüſtes, troſtloſes, verworrenes
Bild vor mir wie der Friede. — Ihr wollt das Volk
wecken, einen Nationalkrieg entzünden — die Idee
liegt doch dunkel im Hintergrunde?“

„Und Sie theilten ſie nicht?“

„Ich habe ſie getheilt — aber das iſt vorüber.
Einen Sturm wollen Sie los laſſen, und was weht
er auf? — Staub. Mehr nicht. Das Ferme[n]t, was
Kreuzzüge möglich machte, iſt ausgegangen. Auch die
franzöſiſche Revolution könnte ſich nicht wiederholen.
Ja, trockene Stoffe liegen die Hülle und Fülle um
uns her, aber es iſt Schlacke, Aſche. Sie müßten es
doch erfahren haben, lieber Aſten. Was hat Ihre
äſthetiſche Schule gewirkt? Es ward Vielen, die
noch warmes Blut haben, etwas heißer zu Muthe
als gewöhnlich. Sie hatten Viſionen, phantaſirten,
aber über die reale Welt hinaus. Und nun — wo
iſt's in die Nation eingedrungen, wo in's Herzblut, wo
iſt neues großes Geſchaffenes, das weiter zündet und
weckt? — Die Völker ſind ein farbloſes Decoct ge¬
worden, eine träge, weiche, ſchwammige Maſſe, der
der überſprudelnde Enthuſiasmus, die Exceſſe der
Furcht und Dummheit, die elaſtiſche Kra[f]t ordentlich
chemiſch abgezapft haben. Wo iſt etwas Ureigenes,
Schaffendes zurückgeblieben von den Säulen des Her¬
kules bis zur Mongolei? Dies todte, willenloſe Re¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="8"/>
Lohe auf&#x017F;chlagen, die über Deut&#x017F;chland &#x017F;ich ergießt.<lb/>
Mag &#x017F;ie nicht Europa in Flammen &#x017F;etzen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was dann! &#x2014; Ich redete nicht davon. &#x2014;<lb/>
Der Krieg liegt ein &#x017F;o wü&#x017F;tes, tro&#x017F;tlo&#x017F;es, verworrenes<lb/>
Bild vor mir wie der Friede. &#x2014; Ihr wollt das Volk<lb/>
wecken, einen Nationalkrieg entzünden &#x2014; die Idee<lb/>
liegt doch dunkel im Hintergrunde?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Sie theilten &#x017F;ie nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe &#x017F;ie getheilt &#x2014; aber das i&#x017F;t vorüber.<lb/>
Einen Sturm wollen Sie los la&#x017F;&#x017F;en, und was weht<lb/>
er auf? &#x2014; Staub. Mehr nicht. Das Ferme<supplied>n</supplied>t, was<lb/>
Kreuzzüge möglich machte, i&#x017F;t ausgegangen. Auch die<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution könnte &#x017F;ich nicht wiederholen.<lb/>
Ja, trockene Stoffe liegen die Hülle und Fülle um<lb/>
uns her, aber es i&#x017F;t Schlacke, A&#x017F;che. Sie müßten es<lb/>
doch erfahren haben, lieber A&#x017F;ten. Was hat Ihre<lb/>
ä&#x017F;theti&#x017F;che Schule gewirkt? Es ward Vielen, die<lb/>
noch warmes Blut haben, etwas heißer zu Muthe<lb/>
als gewöhnlich. Sie hatten Vi&#x017F;ionen, phanta&#x017F;irten,<lb/>
aber über die reale Welt hinaus. Und nun &#x2014; wo<lb/>
i&#x017F;t's in die Nation eingedrungen, wo in's Herzblut, wo<lb/>
i&#x017F;t neues großes Ge&#x017F;chaffenes, das weiter zündet und<lb/>
weckt? &#x2014; Die Völker &#x017F;ind ein farblo&#x017F;es Decoct ge¬<lb/>
worden, eine träge, weiche, &#x017F;chwammige Ma&#x017F;&#x017F;e, der<lb/>
der über&#x017F;prudelnde Enthu&#x017F;iasmus, die Exce&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Furcht und Dummheit, die ela&#x017F;ti&#x017F;che Kra<supplied>f</supplied>t ordentlich<lb/>
chemi&#x017F;ch abgezapft haben. Wo i&#x017F;t etwas Ureigenes,<lb/>
Schaffendes zurückgeblieben von den Säulen des Her¬<lb/>
kules bis zur Mongolei? Dies todte, willenlo&#x017F;e Re¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0018] Lohe aufſchlagen, die über Deutſchland ſich ergießt. Mag ſie nicht Europa in Flammen ſetzen!“ „Und was dann! — Ich redete nicht davon. — Der Krieg liegt ein ſo wüſtes, troſtloſes, verworrenes Bild vor mir wie der Friede. — Ihr wollt das Volk wecken, einen Nationalkrieg entzünden — die Idee liegt doch dunkel im Hintergrunde?“ „Und Sie theilten ſie nicht?“ „Ich habe ſie getheilt — aber das iſt vorüber. Einen Sturm wollen Sie los laſſen, und was weht er auf? — Staub. Mehr nicht. Das Ferment, was Kreuzzüge möglich machte, iſt ausgegangen. Auch die franzöſiſche Revolution könnte ſich nicht wiederholen. Ja, trockene Stoffe liegen die Hülle und Fülle um uns her, aber es iſt Schlacke, Aſche. Sie müßten es doch erfahren haben, lieber Aſten. Was hat Ihre äſthetiſche Schule gewirkt? Es ward Vielen, die noch warmes Blut haben, etwas heißer zu Muthe als gewöhnlich. Sie hatten Viſionen, phantaſirten, aber über die reale Welt hinaus. Und nun — wo iſt's in die Nation eingedrungen, wo in's Herzblut, wo iſt neues großes Geſchaffenes, das weiter zündet und weckt? — Die Völker ſind ein farbloſes Decoct ge¬ worden, eine träge, weiche, ſchwammige Maſſe, der der überſprudelnde Enthuſiasmus, die Exceſſe der Furcht und Dummheit, die elaſtiſche Kraft ordentlich chemiſch abgezapft haben. Wo iſt etwas Ureigenes, Schaffendes zurückgeblieben von den Säulen des Her¬ kules bis zur Mongolei? Dies todte, willenloſe Re¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/18
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/18>, abgerufen am 28.03.2024.