Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sie gab uns auch andre -- einen Schild,
durch welchen die Stacheln nicht dringen."

"Der Schild, den Sie meinen, heißt Resigna¬
tion. Sind Sie in der That noch so unschuldig,
Herr van Asten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie
zu den concilianten Gemüthern sich geschlagen haben,
die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬
ten. Nein, ich weiß es, auch Sie stemmen den Kopf
gegen eine Mauer -- Machen Sie sich doch nicht
kleiner, als sie sein wollen, vor -- denen, welche Sie
von einer besseren Seite kennen gelernt! --" sprach
sie plötzlich aufstehend. Sie war in einer Aufregung,
die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬
mer verlassen, aber es war ein Dämon in ihr, der
sie sprechen ließ, was sie nicht sprechen wollte.

"Das Leben ist ein fortwährender Krieg Aller
gegen Alle. Einfaltspinsel oder Betrüger, die von
der Humanität faseln. Die stillen, friedlichen Pflan¬
zen haben kein ander Naturgesetz, als eine die andre
niederzudrücken. Nur die entfernt stehen auf zwei
Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des
Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe
coquettiren. Das kann der Mensch nicht. Zwei, die
auf zwei Gipfelhöhen stehen, beneiden sich auch in
der Entfernung; so fein hat die Natur es gefügt. --
Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich statuire gar
keine Ausnahmen. Mann und Frau sind doch wenig¬
stens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen
die im Himmel geschlossen werden. Nur schade, daß

„Sie gab uns auch andre — einen Schild,
durch welchen die Stacheln nicht dringen.“

„Der Schild, den Sie meinen, heißt Reſigna¬
tion. Sind Sie in der That noch ſo unſchuldig,
Herr van Aſten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie
zu den concilianten Gemüthern ſich geſchlagen haben,
die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬
ten. Nein, ich weiß es, auch Sie ſtemmen den Kopf
gegen eine Mauer — Machen Sie ſich doch nicht
kleiner, als ſie ſein wollen, vor — denen, welche Sie
von einer beſſeren Seite kennen gelernt! —“ ſprach
ſie plötzlich aufſtehend. Sie war in einer Aufregung,
die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬
mer verlaſſen, aber es war ein Dämon in ihr, der
ſie ſprechen ließ, was ſie nicht ſprechen wollte.

„Das Leben iſt ein fortwährender Krieg Aller
gegen Alle. Einfaltspinſel oder Betrüger, die von
der Humanität faſeln. Die ſtillen, friedlichen Pflan¬
zen haben kein ander Naturgeſetz, als eine die andre
niederzudrücken. Nur die entfernt ſtehen auf zwei
Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des
Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe
coquettiren. Das kann der Menſch nicht. Zwei, die
auf zwei Gipfelhöhen ſtehen, beneiden ſich auch in
der Entfernung; ſo fein hat die Natur es gefügt. —
Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich ſtatuire gar
keine Ausnahmen. Mann und Frau ſind doch wenig¬
ſtens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen
die im Himmel geſchloſſen werden. Nur ſchade, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0068" n="58"/>
        <p>&#x201E;Sie gab uns auch andre &#x2014; einen Schild,<lb/>
durch welchen die Stacheln nicht dringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Schild, den Sie meinen, heißt Re&#x017F;igna¬<lb/>
tion. Sind Sie in der That noch &#x017F;o un&#x017F;chuldig,<lb/>
Herr van A&#x017F;ten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie<lb/>
zu den concilianten Gemüthern &#x017F;ich ge&#x017F;chlagen haben,<lb/>
die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬<lb/>
ten. Nein, ich weiß es, auch Sie &#x017F;temmen den Kopf<lb/>
gegen eine Mauer &#x2014; Machen Sie &#x017F;ich doch nicht<lb/>
kleiner, als &#x017F;ie &#x017F;ein wollen, vor &#x2014; denen, welche Sie<lb/>
von einer be&#x017F;&#x017F;eren Seite kennen gelernt! &#x2014;&#x201C; &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie plötzlich auf&#x017F;tehend. Sie war in einer Aufregung,<lb/>
die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬<lb/>
mer verla&#x017F;&#x017F;en, aber es war ein Dämon in ihr, der<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;prechen ließ, was &#x017F;ie nicht &#x017F;prechen wollte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Leben i&#x017F;t ein fortwährender Krieg Aller<lb/>
gegen Alle. Einfaltspin&#x017F;el oder Betrüger, die von<lb/>
der Humanität fa&#x017F;eln. Die &#x017F;tillen, friedlichen Pflan¬<lb/>
zen haben kein ander Naturge&#x017F;etz, als eine die andre<lb/>
niederzudrücken. Nur die entfernt &#x017F;tehen auf zwei<lb/>
Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des<lb/>
Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe<lb/>
coquettiren. Das kann der Men&#x017F;ch nicht. Zwei, die<lb/>
auf zwei Gipfelhöhen &#x017F;tehen, beneiden &#x017F;ich auch in<lb/>
der Entfernung; &#x017F;o fein hat die Natur es gefügt. &#x2014;<lb/>
Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich &#x017F;tatuire gar<lb/>
keine Ausnahmen. Mann und Frau &#x017F;ind doch wenig¬<lb/>
&#x017F;tens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen<lb/>
die im Himmel ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden. Nur &#x017F;chade, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0068] „Sie gab uns auch andre — einen Schild, durch welchen die Stacheln nicht dringen.“ „Der Schild, den Sie meinen, heißt Reſigna¬ tion. Sind Sie in der That noch ſo unſchuldig, Herr van Aſten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie zu den concilianten Gemüthern ſich geſchlagen haben, die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬ ten. Nein, ich weiß es, auch Sie ſtemmen den Kopf gegen eine Mauer — Machen Sie ſich doch nicht kleiner, als ſie ſein wollen, vor — denen, welche Sie von einer beſſeren Seite kennen gelernt! —“ ſprach ſie plötzlich aufſtehend. Sie war in einer Aufregung, die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬ mer verlaſſen, aber es war ein Dämon in ihr, der ſie ſprechen ließ, was ſie nicht ſprechen wollte. „Das Leben iſt ein fortwährender Krieg Aller gegen Alle. Einfaltspinſel oder Betrüger, die von der Humanität faſeln. Die ſtillen, friedlichen Pflan¬ zen haben kein ander Naturgeſetz, als eine die andre niederzudrücken. Nur die entfernt ſtehen auf zwei Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe coquettiren. Das kann der Menſch nicht. Zwei, die auf zwei Gipfelhöhen ſtehen, beneiden ſich auch in der Entfernung; ſo fein hat die Natur es gefügt. — Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich ſtatuire gar keine Ausnahmen. Mann und Frau ſind doch wenig¬ ſtens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen die im Himmel geſchloſſen werden. Nur ſchade, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/68
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/68>, abgerufen am 05.12.2024.