"Sie gab uns auch andre -- einen Schild, durch welchen die Stacheln nicht dringen."
"Der Schild, den Sie meinen, heißt Resigna¬ tion. Sind Sie in der That noch so unschuldig, Herr van Asten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie zu den concilianten Gemüthern sich geschlagen haben, die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬ ten. Nein, ich weiß es, auch Sie stemmen den Kopf gegen eine Mauer -- Machen Sie sich doch nicht kleiner, als sie sein wollen, vor -- denen, welche Sie von einer besseren Seite kennen gelernt! --" sprach sie plötzlich aufstehend. Sie war in einer Aufregung, die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬ mer verlassen, aber es war ein Dämon in ihr, der sie sprechen ließ, was sie nicht sprechen wollte.
"Das Leben ist ein fortwährender Krieg Aller gegen Alle. Einfaltspinsel oder Betrüger, die von der Humanität faseln. Die stillen, friedlichen Pflan¬ zen haben kein ander Naturgesetz, als eine die andre niederzudrücken. Nur die entfernt stehen auf zwei Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe coquettiren. Das kann der Mensch nicht. Zwei, die auf zwei Gipfelhöhen stehen, beneiden sich auch in der Entfernung; so fein hat die Natur es gefügt. -- Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich statuire gar keine Ausnahmen. Mann und Frau sind doch wenig¬ stens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen die im Himmel geschlossen werden. Nur schade, daß
„Sie gab uns auch andre — einen Schild, durch welchen die Stacheln nicht dringen.“
„Der Schild, den Sie meinen, heißt Reſigna¬ tion. Sind Sie in der That noch ſo unſchuldig, Herr van Aſten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie zu den concilianten Gemüthern ſich geſchlagen haben, die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬ ten. Nein, ich weiß es, auch Sie ſtemmen den Kopf gegen eine Mauer — Machen Sie ſich doch nicht kleiner, als ſie ſein wollen, vor — denen, welche Sie von einer beſſeren Seite kennen gelernt! —“ ſprach ſie plötzlich aufſtehend. Sie war in einer Aufregung, die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬ mer verlaſſen, aber es war ein Dämon in ihr, der ſie ſprechen ließ, was ſie nicht ſprechen wollte.
„Das Leben iſt ein fortwährender Krieg Aller gegen Alle. Einfaltspinſel oder Betrüger, die von der Humanität faſeln. Die ſtillen, friedlichen Pflan¬ zen haben kein ander Naturgeſetz, als eine die andre niederzudrücken. Nur die entfernt ſtehen auf zwei Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe coquettiren. Das kann der Menſch nicht. Zwei, die auf zwei Gipfelhöhen ſtehen, beneiden ſich auch in der Entfernung; ſo fein hat die Natur es gefügt. — Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich ſtatuire gar keine Ausnahmen. Mann und Frau ſind doch wenig¬ ſtens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen die im Himmel geſchloſſen werden. Nur ſchade, daß
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„Sie gab uns auch andre — einen Schild,
durch welchen die Stacheln nicht dringen.“
„Der Schild, den Sie meinen, heißt Reſigna¬
tion. Sind Sie in der That noch ſo unſchuldig,
Herr van Aſten, oder, ich glaube doch nicht, daß Sie
zu den concilianten Gemüthern ſich geſchlagen haben,
die jeden Riß mit einer weißen Salbe heilen möch¬
ten. Nein, ich weiß es, auch Sie ſtemmen den Kopf
gegen eine Mauer — Machen Sie ſich doch nicht
kleiner, als ſie ſein wollen, vor — denen, welche Sie
von einer beſſeren Seite kennen gelernt! —“ ſprach
ſie plötzlich aufſtehend. Sie war in einer Aufregung,
die Walter an ihr neu war. Sie wollte das Zim¬
mer verlaſſen, aber es war ein Dämon in ihr, der
ſie ſprechen ließ, was ſie nicht ſprechen wollte.
„Das Leben iſt ein fortwährender Krieg Aller
gegen Alle. Einfaltspinſel oder Betrüger, die von
der Humanität faſeln. Die ſtillen, friedlichen Pflan¬
zen haben kein ander Naturgeſetz, als eine die andre
niederzudrücken. Nur die entfernt ſtehen auf zwei
Gipfeln, die den Saft der Erde, Thau und Licht des
Himmels nicht zu theilen haben, mögen mit Liebe
coquettiren. Das kann der Menſch nicht. Zwei, die
auf zwei Gipfelhöhen ſtehen, beneiden ſich auch in
der Entfernung; ſo fein hat die Natur es gefügt. —
Unterbrechen Sie mich nicht, mein Herr, ich ſtatuire gar
keine Ausnahmen. Mann und Frau ſind doch wenig¬
ſtens eins, wollten Sie einwenden! Ja! bei den Ehen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/68>, abgerufen am 05.12.2024.
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