merten gedankenlos auf das polirte Ebenholz, wäh¬ rend seine Augen jetzt an der Decke hafteten.
"Mögen Sie sich immerhin momentan isolirt fühlen, was ist das gegen das beruhigende Gefühl, wie ein Gott in Ihren Kreisen gewaltet zu haben. Sind nicht, seit Sie mit sich klar wurden, Ihre Wünsche in Erfüllung gegangen; ich meine, ist nicht Alles geschehen, was Sie für gut, für nothwendig erachteten? Jenes undankbare Mädchen, das wirklich Ihr Lebensglück störte, mußte Sie verlassen, ohne daß Sie der geringste Vorwurf trifft. Man entführte sie Ihnen, die Menschen bedauern Sie sogar wegen der hinterlistigen Art, wie es geschah, ohne zu ahnen, welche Wohlthat Ihnen damit widerfuhr. Damit wurden Sie zugleich die lästigen Gesell¬ schaften los, die Sie hinderten, ganz sich selbst zu leben. Wie oft fand ich meine Freundin in Sorgen um das Schicksal des kränklichen Bedienten. Was stand dem armen Geschöpf bevor, sobald Sie sich seiner nicht mehr annehmen konnten? Bettelstab, Hospital! Da hat Gott seiner sich erbarmt, ihn zu sich genommen. Gott nimmt sich aber nur da der Menschen an, wo er ihren ernsten Willen, ihre an¬ gestrengte Thätigkeit sieht, sich selbst zu helfen. -- Wie belohnten jene unartigen Kinder Ihre mehr als mütterliche Aufmerksamkeit! Ich darf Ihnen wohl sagen, man verdachte es Ihnen, daß Sie sich selbst diesen verwahrlosten Geschöpfen opferten. Man hielt es für eine Art Ostentation, man meinte, Sie wären
merten gedankenlos auf das polirte Ebenholz, wäh¬ rend ſeine Augen jetzt an der Decke hafteten.
„Mögen Sie ſich immerhin momentan iſolirt fühlen, was iſt das gegen das beruhigende Gefühl, wie ein Gott in Ihren Kreiſen gewaltet zu haben. Sind nicht, ſeit Sie mit ſich klar wurden, Ihre Wünſche in Erfüllung gegangen; ich meine, iſt nicht Alles geſchehen, was Sie für gut, für nothwendig erachteten? Jenes undankbare Mädchen, das wirklich Ihr Lebensglück ſtörte, mußte Sie verlaſſen, ohne daß Sie der geringſte Vorwurf trifft. Man entführte ſie Ihnen, die Menſchen bedauern Sie ſogar wegen der hinterliſtigen Art, wie es geſchah, ohne zu ahnen, welche Wohlthat Ihnen damit widerfuhr. Damit wurden Sie zugleich die läſtigen Geſell¬ ſchaften los, die Sie hinderten, ganz ſich ſelbſt zu leben. Wie oft fand ich meine Freundin in Sorgen um das Schickſal des kränklichen Bedienten. Was ſtand dem armen Geſchöpf bevor, ſobald Sie ſich ſeiner nicht mehr annehmen konnten? Bettelſtab, Hospital! Da hat Gott ſeiner ſich erbarmt, ihn zu ſich genommen. Gott nimmt ſich aber nur da der Menſchen an, wo er ihren ernſten Willen, ihre an¬ geſtrengte Thätigkeit ſieht, ſich ſelbſt zu helfen. — Wie belohnten jene unartigen Kinder Ihre mehr als mütterliche Aufmerkſamkeit! Ich darf Ihnen wohl ſagen, man verdachte es Ihnen, daß Sie ſich ſelbſt dieſen verwahrloſten Geſchöpfen opferten. Man hielt es für eine Art Oſtentation, man meinte, Sie wären
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merten gedankenlos auf das polirte Ebenholz, wäh¬
rend ſeine Augen jetzt an der Decke hafteten.
„Mögen Sie ſich immerhin momentan iſolirt
fühlen, was iſt das gegen das beruhigende Gefühl,
wie ein Gott in Ihren Kreiſen gewaltet zu haben.
Sind nicht, ſeit Sie mit ſich klar wurden, Ihre
Wünſche in Erfüllung gegangen; ich meine, iſt nicht
Alles geſchehen, was Sie für gut, für nothwendig
erachteten? Jenes undankbare Mädchen, das wirklich
Ihr Lebensglück ſtörte, mußte Sie verlaſſen, ohne
daß Sie der geringſte Vorwurf trifft. Man entführte
ſie Ihnen, die Menſchen bedauern Sie ſogar wegen
der hinterliſtigen Art, wie es geſchah, ohne zu
ahnen, welche Wohlthat Ihnen damit widerfuhr.
Damit wurden Sie zugleich die läſtigen Geſell¬
ſchaften los, die Sie hinderten, ganz ſich ſelbſt zu
leben. Wie oft fand ich meine Freundin in Sorgen
um das Schickſal des kränklichen Bedienten. Was
ſtand dem armen Geſchöpf bevor, ſobald Sie ſich
ſeiner nicht mehr annehmen konnten? Bettelſtab,
Hospital! Da hat Gott ſeiner ſich erbarmt, ihn zu
ſich genommen. Gott nimmt ſich aber nur da der
Menſchen an, wo er ihren ernſten Willen, ihre an¬
geſtrengte Thätigkeit ſieht, ſich ſelbſt zu helfen. —
Wie belohnten jene unartigen Kinder Ihre mehr als
mütterliche Aufmerkſamkeit! Ich darf Ihnen wohl
ſagen, man verdachte es Ihnen, daß Sie ſich ſelbſt
dieſen verwahrloſten Geſchöpfen opferten. Man hielt
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/345>, abgerufen am 23.11.2024.
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