Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Turban und die Brille waren vom Kopf
des Legationsraths verschwunden, eine Operation, die
ihm Zeit ließ, seine Fassung wieder zu gewinnen.
So war es; man merkte nichts von Bestürzung, kein
Zittern mehr, es war das feste, eiskalte Gesicht, mit
den durchforschenden Augen, als der Legationsrath
den Kaufmann anredete.

"Wie kommen Sie hierher?"

"Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten
vergessen, den Schlüssel umzudrehen. Sehen Sie mal,
liebster Herr von Wandel, in unsern unsichern Zeiten!
Wie viel Gesindel schleicht um. Hätten ja Ihren
Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren
Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir
zugeschlossen; wir können jetzt ganz sicher sein."

"Tausendmal Vergebung, mein theuerster Freund,
daß Sie mich in diesem Kostüm und hier -- Kom¬
men Sie in meine Wohnstube. Diese unerwartete
Freude --"

Er wollte ihn unter den Arm fassen; eben so
schnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor
die Thür gestellt und darauf Platz genommen. Wo
van Asten einmal Platz genommen, hätte es anderer
Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig
saß er, die Füße fest auf den Boden, die Arme auf
den Stock gestützt. Der Stock schon hatte etwas Respect
gebietendes, er schien mit Blei ausgegossen, als er
auf die gebrannten Fliesen sank.

"Werde mich ja nicht unterstehen, Sie zu deran¬

Der Turban und die Brille waren vom Kopf
des Legationsraths verſchwunden, eine Operation, die
ihm Zeit ließ, ſeine Faſſung wieder zu gewinnen.
So war es; man merkte nichts von Beſtürzung, kein
Zittern mehr, es war das feſte, eiskalte Geſicht, mit
den durchforſchenden Augen, als der Legationsrath
den Kaufmann anredete.

„Wie kommen Sie hierher?“

„Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten
vergeſſen, den Schlüſſel umzudrehen. Sehen Sie mal,
liebſter Herr von Wandel, in unſern unſichern Zeiten!
Wie viel Geſindel ſchleicht um. Hätten ja Ihren
Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren
Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir
zugeſchloſſen; wir können jetzt ganz ſicher ſein.“

„Tauſendmal Vergebung, mein theuerſter Freund,
daß Sie mich in dieſem Koſtüm und hier — Kom¬
men Sie in meine Wohnſtube. Dieſe unerwartete
Freude —“

Er wollte ihn unter den Arm faſſen; eben ſo
ſchnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor
die Thür geſtellt und darauf Platz genommen. Wo
van Aſten einmal Platz genommen, hätte es anderer
Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig
ſaß er, die Füße feſt auf den Boden, die Arme auf
den Stock geſtützt. Der Stock ſchon hatte etwas Reſpect
gebietendes, er ſchien mit Blei ausgegoſſen, als er
auf die gebrannten Flieſen ſank.

„Werde mich ja nicht unterſtehen, Sie zu deran¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0316" n="306"/>
        <p>Der Turban und die Brille waren vom Kopf<lb/>
des Legationsraths ver&#x017F;chwunden, eine Operation, die<lb/>
ihm Zeit ließ, &#x017F;eine Fa&#x017F;&#x017F;ung wieder zu gewinnen.<lb/>
So war es; man merkte nichts von Be&#x017F;türzung, kein<lb/>
Zittern mehr, es war das fe&#x017F;te, eiskalte Ge&#x017F;icht, mit<lb/>
den durchfor&#x017F;chenden Augen, als der Legationsrath<lb/>
den Kaufmann anredete.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie kommen Sie hierher?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en, den Schlü&#x017F;&#x017F;el umzudrehen. Sehen Sie mal,<lb/>
lieb&#x017F;ter Herr von Wandel, in un&#x017F;ern un&#x017F;ichern Zeiten!<lb/>
Wie viel Ge&#x017F;indel &#x017F;chleicht um. Hätten ja Ihren<lb/>
Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren<lb/>
Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir<lb/>
zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; wir können jetzt ganz &#x017F;icher &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Tau&#x017F;endmal Vergebung, mein theuer&#x017F;ter Freund,<lb/>
daß Sie mich in die&#x017F;em Ko&#x017F;tüm und hier &#x2014; Kom¬<lb/>
men Sie in meine Wohn&#x017F;tube. Die&#x017F;e unerwartete<lb/>
Freude &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er wollte ihn unter den Arm fa&#x017F;&#x017F;en; eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor<lb/>
die Thür ge&#x017F;tellt und darauf Platz genommen. Wo<lb/>
van A&#x017F;ten einmal Platz genommen, hätte es anderer<lb/>
Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig<lb/>
&#x017F;aß er, die Füße fe&#x017F;t auf den Boden, die Arme auf<lb/>
den Stock ge&#x017F;tützt. Der Stock &#x017F;chon hatte etwas Re&#x017F;pect<lb/>
gebietendes, er &#x017F;chien mit Blei ausgego&#x017F;&#x017F;en, als er<lb/>
auf die gebrannten Flie&#x017F;en &#x017F;ank.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Werde mich ja nicht unter&#x017F;tehen, Sie zu deran¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0316] Der Turban und die Brille waren vom Kopf des Legationsraths verſchwunden, eine Operation, die ihm Zeit ließ, ſeine Faſſung wieder zu gewinnen. So war es; man merkte nichts von Beſtürzung, kein Zittern mehr, es war das feſte, eiskalte Geſicht, mit den durchforſchenden Augen, als der Legationsrath den Kaufmann anredete. „Wie kommen Sie hierher?“ „Durch die Thüre. Herr Legationsrath hatten vergeſſen, den Schlüſſel umzudrehen. Sehen Sie mal, liebſter Herr von Wandel, in unſern unſichern Zeiten! Wie viel Geſindel ſchleicht um. Hätten ja Ihren Sopha forttragen können. Sie hätten's in Ihren Meditationen nicht gemerkt. Aber ich habe hinter mir zugeſchloſſen; wir können jetzt ganz ſicher ſein.“ „Tauſendmal Vergebung, mein theuerſter Freund, daß Sie mich in dieſem Koſtüm und hier — Kom¬ men Sie in meine Wohnſtube. Dieſe unerwartete Freude —“ Er wollte ihn unter den Arm faſſen; eben ſo ſchnell aber hatte der Kaufmann einen Schemel vor die Thür geſtellt und darauf Platz genommen. Wo van Aſten einmal Platz genommen, hätte es anderer Kräfte bedurft ihn wieder fortzubringen. Breitbeinig ſaß er, die Füße feſt auf den Boden, die Arme auf den Stock geſtützt. Der Stock ſchon hatte etwas Reſpect gebietendes, er ſchien mit Blei ausgegoſſen, als er auf die gebrannten Flieſen ſank. „Werde mich ja nicht unterſtehen, Sie zu deran¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/316
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/316>, abgerufen am 12.05.2024.