schüchterne, die er nicht kannte. Eine Mädchengestalt kam ihm, die Treppe herab, entgegen; ihre bestaubte Kleidung, ihr schwankender Tritt schien von Er¬ müdung, vielleicht nach einer weiten Fußwanderung zu sprechen. Ihr Gesicht sah er nur halb, sie hielt das Taschentuch vor. Als sie ihm rasch vorüber war, brach das unterdrückte Weinen deutlich heraus. Unten noch eine Weile zaudernd, stürzte sie nach einem noch heftigern Aufschluchzen zur Hausthür hinaus.
Die Wirthin kannte Waltern. Der Herr von Bovillard war nicht zu Hause, aber er könne wohl jeden Augenblick kommen. Als Walter seinen Wunsch ausgesprochen, ihn zu erwarten, hatte sie kein Be¬ denken, ihm die Wohnung aufzuschließen und Licht anzuzünden. "Denn, setzte sie schmunzelnd hinzu, ich weiß wohl, wen ich einlassen darf, und wer mir nicht mehr über die Schwelle darf. Nein, machte mir die Person nicht ein Lamento. Der Herr van Asten müssen's ja noch gehört haben. Aber, wenn sie noch mal kommt, laß ich die Polizei rufen."
"Wer ist sie?"
Die Wirthin verzog noch spitziger den Mund: "Ja, wer wird sie sein! -- Sie wird keine andere geworden sein, als sie damals war, wir aber sind andere geworden, und das müßte solche Person doch bedenken. Und diese vor Allem. So nobel und honorig haben Herr von Bovillard sich gegen sie benommen, daß es ihre verfluchte Schuldigkeit wäre, nun uns nicht mehr zu belästigen. Aber nein --"
ſchüchterne, die er nicht kannte. Eine Mädchengeſtalt kam ihm, die Treppe herab, entgegen; ihre beſtaubte Kleidung, ihr ſchwankender Tritt ſchien von Er¬ müdung, vielleicht nach einer weiten Fußwanderung zu ſprechen. Ihr Geſicht ſah er nur halb, ſie hielt das Taſchentuch vor. Als ſie ihm raſch vorüber war, brach das unterdrückte Weinen deutlich heraus. Unten noch eine Weile zaudernd, ſtürzte ſie nach einem noch heftigern Aufſchluchzen zur Hausthür hinaus.
Die Wirthin kannte Waltern. Der Herr von Bovillard war nicht zu Hauſe, aber er könne wohl jeden Augenblick kommen. Als Walter ſeinen Wunſch ausgeſprochen, ihn zu erwarten, hatte ſie kein Be¬ denken, ihm die Wohnung aufzuſchließen und Licht anzuzünden. „Denn, ſetzte ſie ſchmunzelnd hinzu, ich weiß wohl, wen ich einlaſſen darf, und wer mir nicht mehr über die Schwelle darf. Nein, machte mir die Perſon nicht ein Lamento. Der Herr van Aſten müſſen's ja noch gehört haben. Aber, wenn ſie noch mal kommt, laß ich die Polizei rufen.“
„Wer iſt ſie?“
Die Wirthin verzog noch ſpitziger den Mund: „Ja, wer wird ſie ſein! — Sie wird keine andere geworden ſein, als ſie damals war, wir aber ſind andere geworden, und das müßte ſolche Perſon doch bedenken. Und dieſe vor Allem. So nobel und honorig haben Herr von Bovillard ſich gegen ſie benommen, daß es ihre verfluchte Schuldigkeit wäre, nun uns nicht mehr zu beläſtigen. Aber nein —“
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ſchüchterne, die er nicht kannte. Eine Mädchengeſtalt
kam ihm, die Treppe herab, entgegen; ihre beſtaubte
Kleidung, ihr ſchwankender Tritt ſchien von Er¬
müdung, vielleicht nach einer weiten Fußwanderung
zu ſprechen. Ihr Geſicht ſah er nur halb, ſie hielt
das Taſchentuch vor. Als ſie ihm raſch vorüber war,
brach das unterdrückte Weinen deutlich heraus. Unten
noch eine Weile zaudernd, ſtürzte ſie nach einem noch
heftigern Aufſchluchzen zur Hausthür hinaus.
Die Wirthin kannte Waltern. Der Herr von
Bovillard war nicht zu Hauſe, aber er könne wohl
jeden Augenblick kommen. Als Walter ſeinen Wunſch
ausgeſprochen, ihn zu erwarten, hatte ſie kein Be¬
denken, ihm die Wohnung aufzuſchließen und Licht
anzuzünden. „Denn, ſetzte ſie ſchmunzelnd hinzu, ich
weiß wohl, wen ich einlaſſen darf, und wer mir
nicht mehr über die Schwelle darf. Nein, machte
mir die Perſon nicht ein Lamento. Der Herr van
Aſten müſſen's ja noch gehört haben. Aber, wenn
ſie noch mal kommt, laß ich die Polizei rufen.“
„Wer iſt ſie?“
Die Wirthin verzog noch ſpitziger den Mund:
„Ja, wer wird ſie ſein! — Sie wird keine andere
geworden ſein, als ſie damals war, wir aber ſind
andere geworden, und das müßte ſolche Perſon
doch bedenken. Und dieſe vor Allem. So nobel und
honorig haben Herr von Bovillard ſich gegen ſie
benommen, daß es ihre verfluchte Schuldigkeit wäre,
nun uns nicht mehr zu beläſtigen. Aber nein —“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/252>, abgerufen am 22.11.2024.
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