Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Als die Leute erfahren, der Mann sei ein Ameri¬
kaner, erregte er den Respect, welchen in Berlin Alles
beansprucht, was weit her ist. Mehre der ehrbaren
Leute, die zugleich auch wißbegierig waren, umringten
ihn mit bescheidenen Fragen über amerikanische Ein¬
richtungen. Einer, der ihm aufmerksam und bei¬
stimmend zugehört, sagte: "In alledem, mein geehrter
Herr, mögen Sie Recht haben, aber ich frage Sie,
wenn Sie keine Schilderhäuser und Schildwachten
in Amerika haben und keine Polizeicommissare und
Sergeanten, wer reißt denn den Handwerksburschen
die Pfeifen aus dem Mund?" -- "Niemand." --
"Ja, mein Gott, wie kann denn aber da Ordnung
in Amerika sein!"

Die guten Bürger schüttelten den Kopf. Die
ältliche Dame, welche sich von dem Amerikaner führen
ließ, und zu ihm in dem Verhältniß einer Bekannten
oder Verwandten stehen mochte, die, einst seine müt¬
terliche Lehrerin, die langen Jahre vergißt, welche
den Knaben zum Mann erhoben, sagte mit der Feier¬
lichkeit überlegenen Wissens und doch mit dem gut¬
müthigen Lächeln einer mütterlichen Freundin, die
Verirrungen sanft aufnimmt, weil wir Alle irren:
"Du wirst überall Ungläubige treffen, mein lieber
Friedrich, wenn Du von den Vorzügen Deiner neuen
Welt da drüben sprichst. Und Dir selbst wird, wenn Du
Dich nur wieder zurecht findest, auch das Auge auf¬
gehen, daß in keinem Staate so väterlich für das
Wohl der Bürger gesorgt ist, als in dem unseren. Nur

Als die Leute erfahren, der Mann ſei ein Ameri¬
kaner, erregte er den Reſpect, welchen in Berlin Alles
beanſprucht, was weit her iſt. Mehre der ehrbaren
Leute, die zugleich auch wißbegierig waren, umringten
ihn mit beſcheidenen Fragen über amerikaniſche Ein¬
richtungen. Einer, der ihm aufmerkſam und bei¬
ſtimmend zugehört, ſagte: „In alledem, mein geehrter
Herr, mögen Sie Recht haben, aber ich frage Sie,
wenn Sie keine Schilderhäuſer und Schildwachten
in Amerika haben und keine Polizeicommiſſare und
Sergeanten, wer reißt denn den Handwerksburſchen
die Pfeifen aus dem Mund?“ — „Niemand.“ —
„Ja, mein Gott, wie kann denn aber da Ordnung
in Amerika ſein!“

Die guten Bürger ſchüttelten den Kopf. Die
ältliche Dame, welche ſich von dem Amerikaner führen
ließ, und zu ihm in dem Verhältniß einer Bekannten
oder Verwandten ſtehen mochte, die, einſt ſeine müt¬
terliche Lehrerin, die langen Jahre vergißt, welche
den Knaben zum Mann erhoben, ſagte mit der Feier¬
lichkeit überlegenen Wiſſens und doch mit dem gut¬
müthigen Lächeln einer mütterlichen Freundin, die
Verirrungen ſanft aufnimmt, weil wir Alle irren:
„Du wirſt überall Ungläubige treffen, mein lieber
Friedrich, wenn Du von den Vorzügen Deiner neuen
Welt da drüben ſprichſt. Und Dir ſelbſt wird, wenn Du
Dich nur wieder zurecht findeſt, auch das Auge auf¬
gehen, daß in keinem Staate ſo väterlich für das
Wohl der Bürger geſorgt iſt, als in dem unſeren. Nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0218" n="208"/>
        <p>Als die Leute erfahren, der Mann &#x017F;ei ein Ameri¬<lb/>
kaner, erregte er den Re&#x017F;pect, welchen in Berlin Alles<lb/>
bean&#x017F;prucht, was weit her i&#x017F;t. Mehre der ehrbaren<lb/>
Leute, die zugleich auch wißbegierig waren, umringten<lb/>
ihn mit be&#x017F;cheidenen Fragen über amerikani&#x017F;che Ein¬<lb/>
richtungen. Einer, der ihm aufmerk&#x017F;am und bei¬<lb/>
&#x017F;timmend zugehört, &#x017F;agte: &#x201E;In alledem, mein geehrter<lb/>
Herr, mögen Sie Recht haben, aber ich frage Sie,<lb/>
wenn Sie keine Schilderhäu&#x017F;er und Schildwachten<lb/>
in Amerika haben und keine Polizeicommi&#x017F;&#x017F;are und<lb/>
Sergeanten, wer reißt denn den Handwerksbur&#x017F;chen<lb/>
die Pfeifen aus dem Mund?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Niemand.&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ja, mein Gott, wie kann denn aber da Ordnung<lb/>
in Amerika &#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die guten Bürger &#x017F;chüttelten den Kopf. Die<lb/>
ältliche Dame, welche &#x017F;ich von dem Amerikaner führen<lb/>
ließ, und zu ihm in dem Verhältniß einer Bekannten<lb/>
oder Verwandten &#x017F;tehen mochte, die, ein&#x017F;t &#x017F;eine müt¬<lb/>
terliche Lehrerin, die langen Jahre vergißt, welche<lb/>
den Knaben zum Mann erhoben, &#x017F;agte mit der Feier¬<lb/>
lichkeit überlegenen Wi&#x017F;&#x017F;ens und doch mit dem gut¬<lb/>
müthigen Lächeln einer mütterlichen Freundin, die<lb/>
Verirrungen &#x017F;anft aufnimmt, weil wir Alle irren:<lb/>
&#x201E;Du wir&#x017F;t überall Ungläubige treffen, mein lieber<lb/>
Friedrich, wenn Du von den Vorzügen Deiner neuen<lb/>
Welt da drüben &#x017F;prich&#x017F;t. Und Dir &#x017F;elb&#x017F;t wird, wenn Du<lb/>
Dich nur wieder zurecht finde&#x017F;t, auch das Auge auf¬<lb/>
gehen, daß in keinem Staate &#x017F;o väterlich für das<lb/>
Wohl der Bürger ge&#x017F;orgt i&#x017F;t, als in dem un&#x017F;eren. Nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0218] Als die Leute erfahren, der Mann ſei ein Ameri¬ kaner, erregte er den Reſpect, welchen in Berlin Alles beanſprucht, was weit her iſt. Mehre der ehrbaren Leute, die zugleich auch wißbegierig waren, umringten ihn mit beſcheidenen Fragen über amerikaniſche Ein¬ richtungen. Einer, der ihm aufmerkſam und bei¬ ſtimmend zugehört, ſagte: „In alledem, mein geehrter Herr, mögen Sie Recht haben, aber ich frage Sie, wenn Sie keine Schilderhäuſer und Schildwachten in Amerika haben und keine Polizeicommiſſare und Sergeanten, wer reißt denn den Handwerksburſchen die Pfeifen aus dem Mund?“ — „Niemand.“ — „Ja, mein Gott, wie kann denn aber da Ordnung in Amerika ſein!“ Die guten Bürger ſchüttelten den Kopf. Die ältliche Dame, welche ſich von dem Amerikaner führen ließ, und zu ihm in dem Verhältniß einer Bekannten oder Verwandten ſtehen mochte, die, einſt ſeine müt¬ terliche Lehrerin, die langen Jahre vergißt, welche den Knaben zum Mann erhoben, ſagte mit der Feier¬ lichkeit überlegenen Wiſſens und doch mit dem gut¬ müthigen Lächeln einer mütterlichen Freundin, die Verirrungen ſanft aufnimmt, weil wir Alle irren: „Du wirſt überall Ungläubige treffen, mein lieber Friedrich, wenn Du von den Vorzügen Deiner neuen Welt da drüben ſprichſt. Und Dir ſelbſt wird, wenn Du Dich nur wieder zurecht findeſt, auch das Auge auf¬ gehen, daß in keinem Staate ſo väterlich für das Wohl der Bürger geſorgt iſt, als in dem unſeren. Nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/218
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/218>, abgerufen am 27.04.2024.